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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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sich andrängte, ihr Häuschen, ihr Gärtchen, ihre
lebendige Hecke festhielt. Wieviel Vernunft hatten
meine Eltern deswegen die letzten Jahre hindurch
vergeblich auf sie hineingeredet!

"Er hat seinen Willen gewollt und hat ihn nun
in aller Herren Länder zu Land und Meer: ich habe
den meinigen hier im Vogelsang und wenn es auch
nur des Kitzels wegen wäre, der mir zukommt, wenn
er heimkommt und ich ihn frage: ,Na, Velten, wie
war's denn draußen?'" antwortete in den verschieden¬
artigsten Variationen (auch je nach der Jahreszeit
verschieden) die Frau Doktorin Andres im Vogelsang
auf Alles, was ihr Häuserspekulanten, sachverständige
Freunde und wohlmeinende Freundinnen vortragen
mochten, um ihr den Sinn zu brechen und ihr zum
Besten zu rathen. Es war mit der Frau jetzt immer
noch ebensowenig anzufangen wie vor Jahren, wenn
mein Vater als "Familienfreund" von einer Er¬
ziehungskontroverse mit ihr nach Hause kam.

Und nun war es kaum acht Tage her, daß
er zum letzten Mal in dem kleinen hartnäckigen Häus¬
lein gewesen war, um sich in der altgewohnten, treu¬
freundschaftlich-nachbarlichen Weise zu ärgern und
sich wieder zu vertragen mit der Frau "Exnachbarin".
Nun stammte der wertheste Kranz auf seinem Sarge
aus dem letzten Hausgarten des Vogelsangs, und

ſich andrängte, ihr Häuschen, ihr Gärtchen, ihre
lebendige Hecke feſthielt. Wieviel Vernunft hatten
meine Eltern deswegen die letzten Jahre hindurch
vergeblich auf ſie hineingeredet!

„Er hat ſeinen Willen gewollt und hat ihn nun
in aller Herren Länder zu Land und Meer: ich habe
den meinigen hier im Vogelſang und wenn es auch
nur des Kitzels wegen wäre, der mir zukommt, wenn
er heimkommt und ich ihn frage: ‚Na, Velten, wie
war's denn draußen?’“ antwortete in den verſchieden¬
artigſten Variationen (auch je nach der Jahreszeit
verſchieden) die Frau Doktorin Andres im Vogelſang
auf Alles, was ihr Häuſerſpekulanten, ſachverſtändige
Freunde und wohlmeinende Freundinnen vortragen
mochten, um ihr den Sinn zu brechen und ihr zum
Beſten zu rathen. Es war mit der Frau jetzt immer
noch ebenſowenig anzufangen wie vor Jahren, wenn
mein Vater als „Familienfreund“ von einer Er¬
ziehungskontroverſe mit ihr nach Hauſe kam.

Und nun war es kaum acht Tage her, daß
er zum letzten Mal in dem kleinen hartnäckigen Häus¬
lein geweſen war, um ſich in der altgewohnten, treu¬
freundſchaftlich-nachbarlichen Weiſe zu ärgern und
ſich wieder zu vertragen mit der Frau „Exnachbarin“.
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[204/0214] ſich andrängte, ihr Häuschen, ihr Gärtchen, ihre lebendige Hecke feſthielt. Wieviel Vernunft hatten meine Eltern deswegen die letzten Jahre hindurch vergeblich auf ſie hineingeredet! „Er hat ſeinen Willen gewollt und hat ihn nun in aller Herren Länder zu Land und Meer: ich habe den meinigen hier im Vogelſang und wenn es auch nur des Kitzels wegen wäre, der mir zukommt, wenn er heimkommt und ich ihn frage: ‚Na, Velten, wie war's denn draußen?’“ antwortete in den verſchieden¬ artigſten Variationen (auch je nach der Jahreszeit verſchieden) die Frau Doktorin Andres im Vogelſang auf Alles, was ihr Häuſerſpekulanten, ſachverſtändige Freunde und wohlmeinende Freundinnen vortragen mochten, um ihr den Sinn zu brechen und ihr zum Beſten zu rathen. Es war mit der Frau jetzt immer noch ebenſowenig anzufangen wie vor Jahren, wenn mein Vater als „Familienfreund“ von einer Er¬ ziehungskontroverſe mit ihr nach Hauſe kam. Und nun war es kaum acht Tage her, daß er zum letzten Mal in dem kleinen hartnäckigen Häus¬ lein geweſen war, um ſich in der altgewohnten, treu¬ freundſchaftlich-nachbarlichen Weiſe zu ärgern und ſich wieder zu vertragen mit der Frau „Exnachbarin“. Nun ſtammte der wertheſte Kranz auf ſeinem Sarge aus dem letzten Hausgarten des Vogelſangs, und

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/214>, abgerufen am 28.03.2024.