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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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höchsten Ehren und Genugthuungen unserer Welt
im Kleinsten würdig erweisen werde und also aller
durch zwei ganze treusorgliche Elternleben aufgewendete
Ängste, Mühen, Kümmernisse und Entsagungen werth.

Wahrlich, ich schreibe nicht, um in diesen Blättern
Komödie zu spielen und von Thränen zu fabeln und
zu faseln, die auf irgend eine Seite der Handschrift
gefallen seien (ich weiß es ja eigentlich selber nicht,
wie sich dieses Alles plötzlich infolge jenes Briefes
aus Berlin, den Helene Trotzendorff, den Mrs. Mungo
schrieb, in den tagtäglichen Aktenwechsel auf meinen
Schreibtisch schiebt!), aber ich nehme mir wieder die
Muße, zu dem Bildniß über diesem Schreibtische,
dem alten theuren Herrn, mit dem verkniffenen
deutschen Schreibergesicht und dem zu dem Landes¬
orden hinzugestifteten Ehrenkreuz erster Klasse auf
der Brust melancholisch-dankbar aufzuschauen.

"Wer hatte es besser mit Dir im Sinne als
Der?" -- -- --

Der Weg nach dem Friedhofe jenseits des
Vogelsangs führte noch immer durch unsere vordem
so grüne Kindheitsgasse. Jetzt vorbei an den Plätzen,
wo vordem Hartlebens weitgedehntes Anwesen ge¬
wesen war und meiner Eltern Haus, mein Vaterhaus
und ihrer Väter Haus gelegen hatte.

Es ist eine Redensart: "Ich komme selten mehr

höchſten Ehren und Genugthuungen unſerer Welt
im Kleinſten würdig erweiſen werde und alſo aller
durch zwei ganze treuſorgliche Elternleben aufgewendete
Ängſte, Mühen, Kümmerniſſe und Entſagungen werth.

Wahrlich, ich ſchreibe nicht, um in dieſen Blättern
Komödie zu ſpielen und von Thränen zu fabeln und
zu faſeln, die auf irgend eine Seite der Handſchrift
gefallen ſeien (ich weiß es ja eigentlich ſelber nicht,
wie ſich dieſes Alles plötzlich infolge jenes Briefes
aus Berlin, den Helene Trotzendorff, den Mrs. Mungo
ſchrieb, in den tagtäglichen Aktenwechſel auf meinen
Schreibtiſch ſchiebt!), aber ich nehme mir wieder die
Muße, zu dem Bildniß über dieſem Schreibtiſche,
dem alten theuren Herrn, mit dem verkniffenen
deutſchen Schreibergeſicht und dem zu dem Landes¬
orden hinzugeſtifteten Ehrenkreuz erſter Klaſſe auf
der Bruſt melancholiſch-dankbar aufzuſchauen.

„Wer hatte es beſſer mit Dir im Sinne als
Der?“ — — —

Der Weg nach dem Friedhofe jenſeits des
Vogelſangs führte noch immer durch unſere vordem
ſo grüne Kindheitsgaſſe. Jetzt vorbei an den Plätzen,
wo vordem Hartlebens weitgedehntes Anweſen ge¬
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und ihrer Väter Haus gelegen hatte.

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[202/0212] höchſten Ehren und Genugthuungen unſerer Welt im Kleinſten würdig erweiſen werde und alſo aller durch zwei ganze treuſorgliche Elternleben aufgewendete Ängſte, Mühen, Kümmerniſſe und Entſagungen werth. Wahrlich, ich ſchreibe nicht, um in dieſen Blättern Komödie zu ſpielen und von Thränen zu fabeln und zu faſeln, die auf irgend eine Seite der Handſchrift gefallen ſeien (ich weiß es ja eigentlich ſelber nicht, wie ſich dieſes Alles plötzlich infolge jenes Briefes aus Berlin, den Helene Trotzendorff, den Mrs. Mungo ſchrieb, in den tagtäglichen Aktenwechſel auf meinen Schreibtiſch ſchiebt!), aber ich nehme mir wieder die Muße, zu dem Bildniß über dieſem Schreibtiſche, dem alten theuren Herrn, mit dem verkniffenen deutſchen Schreibergeſicht und dem zu dem Landes¬ orden hinzugeſtifteten Ehrenkreuz erſter Klaſſe auf der Bruſt melancholiſch-dankbar aufzuſchauen. „Wer hatte es beſſer mit Dir im Sinne als Der?“ — — — Der Weg nach dem Friedhofe jenſeits des Vogelſangs führte noch immer durch unſere vordem ſo grüne Kindheitsgaſſe. Jetzt vorbei an den Plätzen, wo vordem Hartlebens weitgedehntes Anweſen ge¬ weſen war und meiner Eltern Haus, mein Vaterhaus und ihrer Väter Haus gelegen hatte. Es iſt eine Redensart: „Ich komme ſelten mehr

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/212>, abgerufen am 23.04.2024.