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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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für Deutschland wenigstens, aufgetreten ist, so ist ihm
wirklich das zum größten Theil angeflogen aus dem
großen Geschäft in der Dorotheenstraße zu Berlin.
Daß Religiosität und Geschäftssinn nicht feindliche
Geschwister sind, hat nicht allein das Haus Israel
bewiesen; auch die frommen Vertriebenen, die auf
der Mayflower "drüben" landeten, haben das ebenso¬
wohl bewiesen, wie diese alten Hugenotten des Edikts
von Nantes in der Mark Brandenburg. Und sie
reichen sich auch heute noch die Hand durch die
ganze Welt: Synagoge, Kirche und Börse! Das
Haus des Beaux konnte einem Freunde schon
Empfehlungsbriefe nach New York oder New Orleans
mitgeben, die ihm die Wege ebneten und seinen Auf¬
stieg erleichterten, selbst wenn er nur kam, um zum
zweiten Mal den Versuch zu machen, ein armes
Mitgeschöpf aus der Verkletterung herabzuholen,
sonst aber sich wenig aus den Herrlichkeiten der Zeit¬
lichkeit machte.

Es ist ihm zum zweiten Mal nicht gelungen,
und mit der Hilfe aus dem Vogelsang war diesmal
gar nichts gethan. Was half es, daß ihm, wie ihm
damals der alte Hartleben mit Leitern und Stricken
beisprang, jetzt seine Mutter ihre auch in Sorgen,
Angst und Kummer immer sonnigen Briefe schrieb
und die seinigen, nach seiner Weise, immer scherzhafter,

für Deutſchland wenigſtens, aufgetreten iſt, ſo iſt ihm
wirklich das zum größten Theil angeflogen aus dem
großen Geſchäft in der Dorotheenſtraße zu Berlin.
Daß Religioſität und Geſchäftsſinn nicht feindliche
Geschwiſter ſind, hat nicht allein das Haus Israel
bewieſen; auch die frommen Vertriebenen, die auf
der Mayflower „drüben“ landeten, haben das ebenſo¬
wohl bewieſen, wie dieſe alten Hugenotten des Edikts
von Nantes in der Mark Brandenburg. Und ſie
reichen ſich auch heute noch die Hand durch die
ganze Welt: Synagoge, Kirche und Börſe! Das
Haus des Beaux konnte einem Freunde ſchon
Empfehlungsbriefe nach New York oder New Orleans
mitgeben, die ihm die Wege ebneten und ſeinen Auf¬
ſtieg erleichterten, ſelbſt wenn er nur kam, um zum
zweiten Mal den Verſuch zu machen, ein armes
Mitgeſchöpf aus der Verkletterung herabzuholen,
ſonſt aber ſich wenig aus den Herrlichkeiten der Zeit¬
lichkeit machte.

Es iſt ihm zum zweiten Mal nicht gelungen,
und mit der Hilfe aus dem Vogelſang war diesmal
gar nichts gethan. Was half es, daß ihm, wie ihm
damals der alte Hartleben mit Leitern und Stricken
beiſprang, jetzt ſeine Mutter ihre auch in Sorgen,
Angſt und Kummer immer ſonnigen Briefe ſchrieb
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[175/0185] für Deutſchland wenigſtens, aufgetreten iſt, ſo iſt ihm wirklich das zum größten Theil angeflogen aus dem großen Geſchäft in der Dorotheenſtraße zu Berlin. Daß Religioſität und Geſchäftsſinn nicht feindliche Geschwiſter ſind, hat nicht allein das Haus Israel bewieſen; auch die frommen Vertriebenen, die auf der Mayflower „drüben“ landeten, haben das ebenſo¬ wohl bewieſen, wie dieſe alten Hugenotten des Edikts von Nantes in der Mark Brandenburg. Und ſie reichen ſich auch heute noch die Hand durch die ganze Welt: Synagoge, Kirche und Börſe! Das Haus des Beaux konnte einem Freunde ſchon Empfehlungsbriefe nach New York oder New Orleans mitgeben, die ihm die Wege ebneten und ſeinen Auf¬ ſtieg erleichterten, ſelbſt wenn er nur kam, um zum zweiten Mal den Verſuch zu machen, ein armes Mitgeſchöpf aus der Verkletterung herabzuholen, ſonſt aber ſich wenig aus den Herrlichkeiten der Zeit¬ lichkeit machte. Es iſt ihm zum zweiten Mal nicht gelungen, und mit der Hilfe aus dem Vogelſang war diesmal gar nichts gethan. Was half es, daß ihm, wie ihm damals der alte Hartleben mit Leitern und Stricken beiſprang, jetzt ſeine Mutter ihre auch in Sorgen, Angſt und Kummer immer ſonnigen Briefe ſchrieb und die ſeinigen, nach ſeiner Weiſe, immer ſcherzhafter,

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/185>, abgerufen am 19.04.2024.