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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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rath, so wird er doch Kommissionsrath, oder das Ge¬
schäft macht ihn dazu, ob er will oder nicht. Aber
das Mädchen -- was von eu -- unserm deutschen Blut
in das im Laufe der letzten zwei Jahrhundert herein¬
gekommen ist, das entzieht sich vollständig meiner Be¬
rechnung. Meinen armen Leon verstehe ich zur Noth
noch ziemlich genau aus mir selber; aber meine
Leonie -- lieber Herr Assessor, ich wollte viel drum
geben, wenn ich sagen dürfte, daß ich auch ihren
Sprüngen folgen könnte. Hieße sie nicht noch wie
mir Anderen des Beaux, so merkte es der doch keiner
von uns königlich preußischen Staatsbürgern mehr
an, daß sie auch einer sogenannten Tanzmeister¬
nation entsprungen sei. Ich habe ja gegen den Ver¬
kehr mit dem Hinterhause nicht das Geringste ein¬
zuwenden; aber etwas zu viel ist's mir doch, daß sie
nur bei der Frau Fechtmeisterin zu finden ist, wenn
man nach ihr fragt und sucht. Ich nenne sie oft
nur la Belle au bois dormante, wenn ich wieder
einen von meinen Jungen oder Leuten habe hin¬
schicken müssen, um sie in das gewöhnliche Leben
heimzuholen." -- --

Da war wieder der lärmvolle Hof, auf dem die
vornehmsten Rosse der großen Hauptstadt dem be¬
rühmtesten Hufarzt und seinen Gehilfen in die Kur
gegeben wurden. Da war wieder der dunkle Eingang

rath, ſo wird er doch Kommiſſionsrath, oder das Ge¬
ſchäft macht ihn dazu, ob er will oder nicht. Aber
das Mädchen — was von eu — unſerm deutſchen Blut
in das im Laufe der letzten zwei Jahrhundert herein¬
gekommen iſt, das entzieht ſich vollſtändig meiner Be¬
rechnung. Meinen armen Leon verſtehe ich zur Noth
noch ziemlich genau aus mir ſelber; aber meine
Leonie — lieber Herr Aſſeſſor, ich wollte viel drum
geben, wenn ich ſagen dürfte, daß ich auch ihren
Sprüngen folgen könnte. Hieße ſie nicht noch wie
mir Anderen des Beaux, ſo merkte es der doch keiner
von uns königlich preußiſchen Staatsbürgern mehr
an, daß ſie auch einer ſogenannten Tanzmeiſter¬
nation entſprungen ſei. Ich habe ja gegen den Ver¬
kehr mit dem Hinterhauſe nicht das Geringſte ein¬
zuwenden; aber etwas zu viel iſt's mir doch, daß ſie
nur bei der Frau Fechtmeiſterin zu finden iſt, wenn
man nach ihr fragt und ſucht. Ich nenne ſie oft
nur la Belle au bois dormante, wenn ich wieder
einen von meinen Jungen oder Leuten habe hin¬
ſchicken müſſen, um ſie in das gewöhnliche Leben
heimzuholen.“ — —

Da war wieder der lärmvolle Hof, auf dem die
vornehmſten Roſſe der großen Hauptſtadt dem be¬
rühmteſten Hufarzt und ſeinen Gehilfen in die Kur
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[153/0163] rath, ſo wird er doch Kommiſſionsrath, oder das Ge¬ ſchäft macht ihn dazu, ob er will oder nicht. Aber das Mädchen — was von eu — unſerm deutſchen Blut in das im Laufe der letzten zwei Jahrhundert herein¬ gekommen iſt, das entzieht ſich vollſtändig meiner Be¬ rechnung. Meinen armen Leon verſtehe ich zur Noth noch ziemlich genau aus mir ſelber; aber meine Leonie — lieber Herr Aſſeſſor, ich wollte viel drum geben, wenn ich ſagen dürfte, daß ich auch ihren Sprüngen folgen könnte. Hieße ſie nicht noch wie mir Anderen des Beaux, ſo merkte es der doch keiner von uns königlich preußiſchen Staatsbürgern mehr an, daß ſie auch einer ſogenannten Tanzmeiſter¬ nation entſprungen ſei. Ich habe ja gegen den Ver¬ kehr mit dem Hinterhauſe nicht das Geringſte ein¬ zuwenden; aber etwas zu viel iſt's mir doch, daß ſie nur bei der Frau Fechtmeiſterin zu finden iſt, wenn man nach ihr fragt und ſucht. Ich nenne ſie oft nur la Belle au bois dormante, wenn ich wieder einen von meinen Jungen oder Leuten habe hin¬ ſchicken müſſen, um ſie in das gewöhnliche Leben heimzuholen.“ — — Da war wieder der lärmvolle Hof, auf dem die vornehmſten Roſſe der großen Hauptſtadt dem be¬ rühmteſten Hufarzt und ſeinen Gehilfen in die Kur gegeben wurden. Da war wieder der dunkle Eingang

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/163>, abgerufen am 23.04.2024.