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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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wenigstens zu einem kleinen Theil mit der Un¬
zurechnungsfähigkeit meines Velten ausgesöhnt. Ach
Gott, von welchen Mächten werden wir doch be¬
herrscht und hin- und her gezogen? -- ,Ich hätte den
Burschen nie für so praktisch gehalten und es soll
mich schon freuen, Frau Nachbarin, wenn ich mich
wenigstens zur Hälfte geirrt habe,' sagt er, Dein
Herr Vater, seit er in Erfahrung gebracht hat, daß
auch große, wirkliche Geschäftsmänner etwas von ihm
halten und ihn gar auf seinen närrischen Wegen
fördern. Sieh, Kind, ich rede ja nur so offen und
frei mit Dir, weil Du von uns Allen hier im Vogel¬
sang der einzige wirklich Verständige bist und mit
Deinem Herzen und Gemüthe doch auch zu mir und
Helene und Deinem Freunde gehörst -- weil Du
zu meinen Vogelsangkindern gehörst! Also nimm Dir
aus dem Unsinn, den ich schwatze, heraus, was Du
dermaleinst vielleicht brauchen kannst, um uns unser
hiesiges Recht, wenn nicht vor der weiten Welt, so
doch vor Dir selber, angedeihen zu lassen. Denn
sieh, eben weil ich nicht an das Glück meines Velten
im Sinne der Welt glaube, so möchte ich gerade
deshalb, als seine arme, angstvolle Mutter, Einen
haben, der in der richtigen Weise, wenn keinem
Anderen, so doch sich selber von uns mit vollem

wenigſtens zu einem kleinen Theil mit der Un¬
zurechnungsfähigkeit meines Velten ausgeſöhnt. Ach
Gott, von welchen Mächten werden wir doch be¬
herrſcht und hin- und her gezogen? — ‚Ich hätte den
Burſchen nie für ſo praktiſch gehalten und es ſoll
mich ſchon freuen, Frau Nachbarin, wenn ich mich
wenigſtens zur Hälfte geirrt habe,‘ ſagt er, Dein
Herr Vater, ſeit er in Erfahrung gebracht hat, daß
auch große, wirkliche Geſchäftsmänner etwas von ihm
halten und ihn gar auf ſeinen närriſchen Wegen
fördern. Sieh, Kind, ich rede ja nur ſo offen und
frei mit Dir, weil Du von uns Allen hier im Vogel¬
ſang der einzige wirklich Verſtändige biſt und mit
Deinem Herzen und Gemüthe doch auch zu mir und
Helene und Deinem Freunde gehörſt — weil Du
zu meinen Vogelſangkindern gehörſt! Alſo nimm Dir
aus dem Unſinn, den ich ſchwatze, heraus, was Du
dermaleinſt vielleicht brauchen kannſt, um uns unſer
hieſiges Recht, wenn nicht vor der weiten Welt, ſo
doch vor Dir ſelber, angedeihen zu laſſen. Denn
ſieh, eben weil ich nicht an das Glück meines Velten
im Sinne der Welt glaube, ſo möchte ich gerade
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[149/0159] wenigſtens zu einem kleinen Theil mit der Un¬ zurechnungsfähigkeit meines Velten ausgeſöhnt. Ach Gott, von welchen Mächten werden wir doch be¬ herrſcht und hin- und her gezogen? — ‚Ich hätte den Burſchen nie für ſo praktiſch gehalten und es ſoll mich ſchon freuen, Frau Nachbarin, wenn ich mich wenigſtens zur Hälfte geirrt habe,‘ ſagt er, Dein Herr Vater, ſeit er in Erfahrung gebracht hat, daß auch große, wirkliche Geſchäftsmänner etwas von ihm halten und ihn gar auf ſeinen närriſchen Wegen fördern. Sieh, Kind, ich rede ja nur ſo offen und frei mit Dir, weil Du von uns Allen hier im Vogel¬ ſang der einzige wirklich Verſtändige biſt und mit Deinem Herzen und Gemüthe doch auch zu mir und Helene und Deinem Freunde gehörſt — weil Du zu meinen Vogelſangkindern gehörſt! Alſo nimm Dir aus dem Unſinn, den ich ſchwatze, heraus, was Du dermaleinſt vielleicht brauchen kannſt, um uns unſer hieſiges Recht, wenn nicht vor der weiten Welt, ſo doch vor Dir ſelber, angedeihen zu laſſen. Denn ſieh, eben weil ich nicht an das Glück meines Velten im Sinne der Welt glaube, ſo möchte ich gerade deshalb, als ſeine arme, angſtvolle Mutter, Einen haben, der in der richtigen Weiſe, wenn keinem Anderen, ſo doch ſich ſelber von uns mit vollem

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/159>, abgerufen am 19.04.2024.