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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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wäre, einen echten Freund zur Seite zu haben, so ist
das mein armer Bruder; und jetzt, Herr Krumhardt,
nehmen Sie es mir nicht übel, jetzt hält er wieder
einmal Ihren Herrn Freund, Herrn Andres, für
einen solchen, und ich, ich -- ich weiß nicht, wie ich
Ihnen das sagen kann und ob ich es Ihnen sagen
darf: ich weiß nicht, ob ich Freude oder Angst haben
soll. Mein Bruder hat so viele Bekanntschaften ge¬
habt, aber dies ist die erste, in der ich mich ganz
und gar nicht zurechtfinden kann. O bitte, sagen Sie
es sich selber besser als ich es kann! Aber es wäre
nicht edel und gut von Ihrem Freunde, wenn er
meinen lieben närrischen Leon noch mehr als ein
Anderer und bloß etwas feiner, also schlimmer,
als ein armes Spielzeug behandeln würde."

Es hatte mein Freund Velten, von unserm ersten
Zusammenaufwachen im Leben und Vogelsang an,
mir nie so ganz und gar mit Allem, was in und
an ihm war, vor der Seele gestanden, wie in diesem
Augenblick. Ich hätte eine Monographie über ihn
schreiben und Doktor darauf werden können; aber
zu erwidern wußte ich hier und jetzt nichts als:

"Gnädiges Fräulein, da können Sie ganz ruhig
sein. Lustig macht sich Der nur über sich selber. Da
fragen Sie nur im Vogelsang nach. Ich will gerade
nicht sagen, daß er einen guten Ruf dort hatte in

wäre, einen echten Freund zur Seite zu haben, ſo iſt
das mein armer Bruder; und jetzt, Herr Krumhardt,
nehmen Sie es mir nicht übel, jetzt hält er wieder
einmal Ihren Herrn Freund, Herrn Andres, für
einen ſolchen, und ich, ich — ich weiß nicht, wie ich
Ihnen das ſagen kann und ob ich es Ihnen ſagen
darf: ich weiß nicht, ob ich Freude oder Angſt haben
ſoll. Mein Bruder hat ſo viele Bekanntſchaften ge¬
habt, aber dies iſt die erſte, in der ich mich ganz
und gar nicht zurechtfinden kann. O bitte, ſagen Sie
es ſich ſelber beſſer als ich es kann! Aber es wäre
nicht edel und gut von Ihrem Freunde, wenn er
meinen lieben närriſchen Leon noch mehr als ein
Anderer und bloß etwas feiner, alſo ſchlimmer,
als ein armes Spielzeug behandeln würde.“

Es hatte mein Freund Velten, von unſerm erſten
Zuſammenaufwachen im Leben und Vogelſang an,
mir nie ſo ganz und gar mit Allem, was in und
an ihm war, vor der Seele geſtanden, wie in dieſem
Augenblick. Ich hätte eine Monographie über ihn
ſchreiben und Doktor darauf werden können; aber
zu erwidern wußte ich hier und jetzt nichts als:

„Gnädiges Fräulein, da können Sie ganz ruhig
ſein. Luſtig macht ſich Der nur über ſich ſelber. Da
fragen Sie nur im Vogelſang nach. Ich will gerade
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[126/0136] wäre, einen echten Freund zur Seite zu haben, ſo iſt das mein armer Bruder; und jetzt, Herr Krumhardt, nehmen Sie es mir nicht übel, jetzt hält er wieder einmal Ihren Herrn Freund, Herrn Andres, für einen ſolchen, und ich, ich — ich weiß nicht, wie ich Ihnen das ſagen kann und ob ich es Ihnen ſagen darf: ich weiß nicht, ob ich Freude oder Angſt haben ſoll. Mein Bruder hat ſo viele Bekanntſchaften ge¬ habt, aber dies iſt die erſte, in der ich mich ganz und gar nicht zurechtfinden kann. O bitte, ſagen Sie es ſich ſelber beſſer als ich es kann! Aber es wäre nicht edel und gut von Ihrem Freunde, wenn er meinen lieben närriſchen Leon noch mehr als ein Anderer und bloß etwas feiner, alſo ſchlimmer, als ein armes Spielzeug behandeln würde.“ Es hatte mein Freund Velten, von unſerm erſten Zuſammenaufwachen im Leben und Vogelſang an, mir nie ſo ganz und gar mit Allem, was in und an ihm war, vor der Seele geſtanden, wie in dieſem Augenblick. Ich hätte eine Monographie über ihn ſchreiben und Doktor darauf werden können; aber zu erwidern wußte ich hier und jetzt nichts als: „Gnädiges Fräulein, da können Sie ganz ruhig ſein. Luſtig macht ſich Der nur über ſich ſelber. Da fragen Sie nur im Vogelſang nach. Ich will gerade nicht ſagen, daß er einen guten Ruf dort hatte in

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/136>, abgerufen am 24.04.2024.