Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

drauf, die unser Herrgott nöthig gehabt hat; und
da haben wir den Schleifstein ihm mit gedreht; das
heißt nämlich mein Seliger! Ich habe nur an ihm
und euch jungen Leuten meinen Spaß -- Gott ver¬
zeihe es mir! -- meine Freude gehabt, denn ich bin
auch mal jung gewesen, meine Herren."

"Das ist recht, Frau Fechtmeisterin," brummte
Velten, "renommiren Sie nur dem alten Mann da
mit Ihrer Jugend. Er kann's gebrauchen."

In diesem Augenblick klopfte es an der Thür
und --

"Das ist mein Schneider!" lachte Velten Andres.
"Nun hab ich ja meine ganze gegenwärtige Be¬
kanntschaft in eurer Weltstadt vollständig bei ein¬
ander."

Der junge Herr aus dem Vorderhause, den ich
gestern schon in der Stube des Freundes getroffen
hatte, schob sich schüchtern herein in das Gemach der
Frau Fechtmeisterin.

"Ich darf doch?"

"Ja, kommen Sie nur, Leon," sagte die Frau
Fechtmeisterin. "Weshalb haben Sie Ihre Schwester
nicht mitgebracht? Aber freilich, die hat schon am
Morgen bei mir gesessen, das liebe Kind, um mir
Gesellschaft zu leisten."

"Und um mal von was Anderem zu hören als

drauf, die unſer Herrgott nöthig gehabt hat; und
da haben wir den Schleifſtein ihm mit gedreht; das
heißt nämlich mein Seliger! Ich habe nur an ihm
und euch jungen Leuten meinen Spaß — Gott ver¬
zeihe es mir! — meine Freude gehabt, denn ich bin
auch mal jung geweſen, meine Herren.“

„Das iſt recht, Frau Fechtmeiſterin,“ brummte
Velten, „renommiren Sie nur dem alten Mann da
mit Ihrer Jugend. Er kann's gebrauchen.“

In dieſem Augenblick klopfte es an der Thür
und —

„Das iſt mein Schneider!“ lachte Velten Andres.
„Nun hab ich ja meine ganze gegenwärtige Be¬
kanntſchaft in eurer Weltſtadt vollſtändig bei ein¬
ander.“

Der junge Herr aus dem Vorderhauſe, den ich
geſtern ſchon in der Stube des Freundes getroffen
hatte, ſchob ſich ſchüchtern herein in das Gemach der
Frau Fechtmeiſterin.

„Ich darf doch?“

„Ja, kommen Sie nur, Leon,“ ſagte die Frau
Fechtmeiſterin. „Weshalb haben Sie Ihre Schweſter
nicht mitgebracht? Aber freilich, die hat ſchon am
Morgen bei mir geſeſſen, das liebe Kind, um mir
Geſellſchaft zu leiſten.“

„Und um mal von was Anderem zu hören als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0124" n="114"/>
drauf, die un&#x017F;er Herrgott nöthig gehabt hat; und<lb/>
da haben wir den Schleif&#x017F;tein ihm mit gedreht; das<lb/>
heißt nämlich mein Seliger! Ich habe nur an ihm<lb/>
und euch jungen Leuten meinen Spaß &#x2014; Gott ver¬<lb/>
zeihe es mir! &#x2014; meine Freude gehabt, denn ich bin<lb/>
auch mal jung gewe&#x017F;en, meine Herren.&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Das i&#x017F;t recht, Frau Fechtmei&#x017F;terin,&#x201C; brummte<lb/>
Velten, &#x201E;renommiren Sie nur dem alten Mann da<lb/>
mit Ihrer Jugend. Er kann's gebrauchen.&#x201C;</p><lb/>
      <p>In die&#x017F;em Augenblick klopfte es an der Thür<lb/>
und &#x2014;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Das i&#x017F;t mein Schneider!&#x201C; lachte Velten Andres.<lb/>
&#x201E;Nun hab ich ja meine ganze gegenwärtige Be¬<lb/>
kannt&#x017F;chaft in eurer Welt&#x017F;tadt voll&#x017F;tändig bei ein¬<lb/>
ander.&#x201C;</p><lb/>
      <p>Der junge Herr aus dem Vorderhau&#x017F;e, den ich<lb/>
ge&#x017F;tern &#x017F;chon in der Stube des Freundes getroffen<lb/>
hatte, &#x017F;chob &#x017F;ich &#x017F;chüchtern herein in das Gemach der<lb/>
Frau Fechtmei&#x017F;terin.</p><lb/>
      <p>&#x201E;Ich darf doch?&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Ja, kommen Sie nur, Leon,&#x201C; &#x017F;agte die Frau<lb/>
Fechtmei&#x017F;terin. &#x201E;Weshalb haben Sie Ihre Schwe&#x017F;ter<lb/>
nicht mitgebracht? Aber freilich, die hat &#x017F;chon am<lb/>
Morgen bei mir ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, das liebe Kind, um mir<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zu lei&#x017F;ten.&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Und um mal von was Anderem zu hören als<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0124] drauf, die unſer Herrgott nöthig gehabt hat; und da haben wir den Schleifſtein ihm mit gedreht; das heißt nämlich mein Seliger! Ich habe nur an ihm und euch jungen Leuten meinen Spaß — Gott ver¬ zeihe es mir! — meine Freude gehabt, denn ich bin auch mal jung geweſen, meine Herren.“ „Das iſt recht, Frau Fechtmeiſterin,“ brummte Velten, „renommiren Sie nur dem alten Mann da mit Ihrer Jugend. Er kann's gebrauchen.“ In dieſem Augenblick klopfte es an der Thür und — „Das iſt mein Schneider!“ lachte Velten Andres. „Nun hab ich ja meine ganze gegenwärtige Be¬ kanntſchaft in eurer Weltſtadt vollſtändig bei ein¬ ander.“ Der junge Herr aus dem Vorderhauſe, den ich geſtern ſchon in der Stube des Freundes getroffen hatte, ſchob ſich ſchüchtern herein in das Gemach der Frau Fechtmeiſterin. „Ich darf doch?“ „Ja, kommen Sie nur, Leon,“ ſagte die Frau Fechtmeiſterin. „Weshalb haben Sie Ihre Schweſter nicht mitgebracht? Aber freilich, die hat ſchon am Morgen bei mir geſeſſen, das liebe Kind, um mir Geſellſchaft zu leiſten.“ „Und um mal von was Anderem zu hören als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/124
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/124>, abgerufen am 28.03.2024.