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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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doch ein wenig zusammennehmen, um es mit der
nothwendigsten Höflichkeit und Freundlichkeit zu thun;
doch --

"Weshalb kommen Sie nicht von Jena?" fragte
die Frau Fechtmeisterin jetzt schon von ihrem Sofa
aus. "Setzen Sie sich doch, Velten; und Sie auch,
Herr Krumhardt, und nehmen Sie mir meine Frage
nicht übel: ich komme nämlich von Jena, mein Mann
ist da begraben und ich bin dort jung gewesen, da
erkundige ich mich denn bei den jetzigen jungen
Herren gern so nach dort und der alten Zeit, eben
hier von Berlin aus, wo Keiner von uns eigentlich
so recht weiß, ob er dahin gehört."

Da saß sie, ein weißhaarig Mütterchen, mit
scharfem, hübschem Altfrauengesichtchen und Augen,
die auf jeder Mensur dem Gegner imponiren mußten,
und das "Keiner von uns" kam so selbstverständlich,
natürlich, sachgemäß heraus, mit einem Anklang von
Fechtboden und Kneipe, daß -- es gar nicht anders
möglich gewesen war: sie und Velten Andres mußten
sich im Leben treffen. Der Wohnungsnachweis: Frau
Fechtmeisterin Feucht war vom Schicksal nur für
meinen Freund Velten berechnet gewesen, im Treppen¬
hause der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. --

"So setze Dich doch, Mensch," sagte der junge
Weise aus dem Vogelsang, der bereits die andere

doch ein wenig zuſammennehmen, um es mit der
nothwendigſten Höflichkeit und Freundlichkeit zu thun;
doch —

„Weshalb kommen Sie nicht von Jena?“ fragte
die Frau Fechtmeiſterin jetzt ſchon von ihrem Sofa
aus. „Setzen Sie ſich doch, Velten; und Sie auch,
Herr Krumhardt, und nehmen Sie mir meine Frage
nicht übel: ich komme nämlich von Jena, mein Mann
iſt da begraben und ich bin dort jung geweſen, da
erkundige ich mich denn bei den jetzigen jungen
Herren gern ſo nach dort und der alten Zeit, eben
hier von Berlin aus, wo Keiner von uns eigentlich
ſo recht weiß, ob er dahin gehört.“

Da ſaß ſie, ein weißhaarig Mütterchen, mit
ſcharfem, hübſchem Altfrauengeſichtchen und Augen,
die auf jeder Menſur dem Gegner imponiren mußten,
und das „Keiner von uns“ kam ſo ſelbſtverſtändlich,
natürlich, ſachgemäß heraus, mit einem Anklang von
Fechtboden und Kneipe, daß — es gar nicht anders
möglich geweſen war: ſie und Velten Andres mußten
ſich im Leben treffen. Der Wohnungsnachweis: Frau
Fechtmeiſterin Feucht war vom Schickſal nur für
meinen Freund Velten berechnet geweſen, im Treppen¬
hauſe der Friedrich-Wilhelms-Univerſität zu Berlin. —

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[112/0122] doch ein wenig zuſammennehmen, um es mit der nothwendigſten Höflichkeit und Freundlichkeit zu thun; doch — „Weshalb kommen Sie nicht von Jena?“ fragte die Frau Fechtmeiſterin jetzt ſchon von ihrem Sofa aus. „Setzen Sie ſich doch, Velten; und Sie auch, Herr Krumhardt, und nehmen Sie mir meine Frage nicht übel: ich komme nämlich von Jena, mein Mann iſt da begraben und ich bin dort jung geweſen, da erkundige ich mich denn bei den jetzigen jungen Herren gern ſo nach dort und der alten Zeit, eben hier von Berlin aus, wo Keiner von uns eigentlich ſo recht weiß, ob er dahin gehört.“ Da ſaß ſie, ein weißhaarig Mütterchen, mit ſcharfem, hübſchem Altfrauengeſichtchen und Augen, die auf jeder Menſur dem Gegner imponiren mußten, und das „Keiner von uns“ kam ſo ſelbſtverſtändlich, natürlich, ſachgemäß heraus, mit einem Anklang von Fechtboden und Kneipe, daß — es gar nicht anders möglich geweſen war: ſie und Velten Andres mußten ſich im Leben treffen. Der Wohnungsnachweis: Frau Fechtmeiſterin Feucht war vom Schickſal nur für meinen Freund Velten berechnet geweſen, im Treppen¬ hauſe der Friedrich-Wilhelms-Univerſität zu Berlin. — „So ſetze Dich doch, Menſch,“ ſagte der junge Weiſe aus dem Vogelſang, der bereits die andere

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/122>, abgerufen am 24.04.2024.