Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Jeder geht gern zwischen zwei Reihen Gäulen durch,
die ihm alle die Hintertheile zuwenden und nicht alle
ganz gutwillig ihr Schuhwerk in Behandlung geben.
Schmiedegesellen, Reitknechte, Stallknechte, Kutscher in
Livree und ohne solche walteten ihres Amtes zwischen
ihren Schutzbefohlenen, je nach dem Temperamente
derselben und dem eigenen mehr oder weniger lärm¬
haft. Aus der Halle des Seitengebäudes leuchteten
die Schmiedefeuer und klangen die Hämmer in das
Gewieher, die Flüche, Begütigungen und die sonst
übliche Unterhaltung zwischen Mensch und Mensch,
Mensch und Vieh, Thier und Mensch hinein. Man
hatte wirklich zu schreien, wenn man sich hier nach
der Frau Fechtmeisterin Feucht erkundigte.

Aber da war das Hintergebäude und wer mit
uneingeschlagenem Schädel oder Brustkasten zu ihm
gelangte, der fand auch wohl ohne zu fragen die
Pforte, von der aus die Treppe in den dritten Stock
emporging.

Ich hatte damals das Glück, gelangte in das
dritte Stockwerk und zog auf dem dämmrigen Vor¬
platze die Glocke.

"Frau Fechtmeisterin Feucht?"

"Bin ich," sagte eine kleine, zierliche alte Dame
zwischen fünfzig und sechzig Jahren.

"Studiosus Andres?"

Jeder geht gern zwiſchen zwei Reihen Gäulen durch,
die ihm alle die Hintertheile zuwenden und nicht alle
ganz gutwillig ihr Schuhwerk in Behandlung geben.
Schmiedegeſellen, Reitknechte, Stallknechte, Kutſcher in
Livree und ohne ſolche walteten ihres Amtes zwiſchen
ihren Schutzbefohlenen, je nach dem Temperamente
derſelben und dem eigenen mehr oder weniger lärm¬
haft. Aus der Halle des Seitengebäudes leuchteten
die Schmiedefeuer und klangen die Hämmer in das
Gewieher, die Flüche, Begütigungen und die ſonſt
übliche Unterhaltung zwiſchen Menſch und Menſch,
Menſch und Vieh, Thier und Menſch hinein. Man
hatte wirklich zu ſchreien, wenn man ſich hier nach
der Frau Fechtmeiſterin Feucht erkundigte.

Aber da war das Hintergebäude und wer mit
uneingeſchlagenem Schädel oder Bruſtkaſten zu ihm
gelangte, der fand auch wohl ohne zu fragen die
Pforte, von der aus die Treppe in den dritten Stock
emporging.

Ich hatte damals das Glück, gelangte in das
dritte Stockwerk und zog auf dem dämmrigen Vor¬
platze die Glocke.

„Frau Fechtmeiſterin Feucht?“

„Bin ich,“ ſagte eine kleine, zierliche alte Dame
zwiſchen fünfzig und ſechzig Jahren.

„Studioſus Andres?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0106" n="96"/>
Jeder geht gern zwi&#x017F;chen zwei Reihen Gäulen durch,<lb/>
die ihm alle die Hintertheile zuwenden und nicht alle<lb/>
ganz gutwillig ihr Schuhwerk in Behandlung geben.<lb/>
Schmiedege&#x017F;ellen, Reitknechte, Stallknechte, Kut&#x017F;cher in<lb/>
Livree und ohne &#x017F;olche walteten ihres Amtes zwi&#x017F;chen<lb/>
ihren Schutzbefohlenen, je nach dem Temperamente<lb/>
der&#x017F;elben und dem eigenen mehr oder weniger lärm¬<lb/>
haft. Aus der Halle des Seitengebäudes leuchteten<lb/>
die Schmiedefeuer und klangen die Hämmer in das<lb/>
Gewieher, die Flüche, Begütigungen und die &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
übliche Unterhaltung zwi&#x017F;chen Men&#x017F;ch und Men&#x017F;ch,<lb/>
Men&#x017F;ch und Vieh, Thier und Men&#x017F;ch hinein. Man<lb/>
hatte wirklich zu &#x017F;chreien, wenn man &#x017F;ich hier nach<lb/>
der Frau Fechtmei&#x017F;terin Feucht erkundigte.</p><lb/>
      <p>Aber da war das Hintergebäude und wer mit<lb/>
uneinge&#x017F;chlagenem Schädel oder Bru&#x017F;tka&#x017F;ten zu ihm<lb/>
gelangte, der fand auch wohl ohne zu fragen die<lb/>
Pforte, von der aus die Treppe in den dritten Stock<lb/>
emporging.</p><lb/>
      <p>Ich hatte damals das Glück, gelangte in das<lb/>
dritte Stockwerk und zog auf dem dämmrigen Vor¬<lb/>
platze die Glocke.</p><lb/>
      <p>&#x201E;Frau Fechtmei&#x017F;terin Feucht?&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Bin ich,&#x201C; &#x017F;agte eine kleine, zierliche alte Dame<lb/>
zwi&#x017F;chen fünfzig und &#x017F;echzig Jahren.</p><lb/>
      <p>&#x201E;Studio&#x017F;us Andres?&#x201C;<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0106] Jeder geht gern zwiſchen zwei Reihen Gäulen durch, die ihm alle die Hintertheile zuwenden und nicht alle ganz gutwillig ihr Schuhwerk in Behandlung geben. Schmiedegeſellen, Reitknechte, Stallknechte, Kutſcher in Livree und ohne ſolche walteten ihres Amtes zwiſchen ihren Schutzbefohlenen, je nach dem Temperamente derſelben und dem eigenen mehr oder weniger lärm¬ haft. Aus der Halle des Seitengebäudes leuchteten die Schmiedefeuer und klangen die Hämmer in das Gewieher, die Flüche, Begütigungen und die ſonſt übliche Unterhaltung zwiſchen Menſch und Menſch, Menſch und Vieh, Thier und Menſch hinein. Man hatte wirklich zu ſchreien, wenn man ſich hier nach der Frau Fechtmeiſterin Feucht erkundigte. Aber da war das Hintergebäude und wer mit uneingeſchlagenem Schädel oder Bruſtkaſten zu ihm gelangte, der fand auch wohl ohne zu fragen die Pforte, von der aus die Treppe in den dritten Stock emporging. Ich hatte damals das Glück, gelangte in das dritte Stockwerk und zog auf dem dämmrigen Vor¬ platze die Glocke. „Frau Fechtmeiſterin Feucht?“ „Bin ich,“ ſagte eine kleine, zierliche alte Dame zwiſchen fünfzig und ſechzig Jahren. „Studioſus Andres?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/106
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/106>, abgerufen am 24.04.2024.