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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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In Berlin verfiel ich ihm sofort wieder.

Wie der Tag vor mir steht, an welchem ich
diesem "krassen Fuchs" in der vollen Hahnenhaftig¬
keit meines vornehmen Verbindungsbewußtseins meinen
ersten Besuch machte, nachdem ich mir herablassender¬
weise seine Adresse auf der Universitätsquästur hatte
geben lassen!

"Studiosus Philosophiae Valentin Andres,
Dorotheenstraße Numero 00, Hintergebäude 3 Treppen,
Frau Fechtmeisterin Feucht," lautete sie, und es war
ein Apriltag nach den Osterferien, als ich mit meiner
Berliner Matrikel in der Tasche meinen Weg dorthin
nahm. Wenn das Hinterhaus hielt, was das Vorder¬
haus versprach, so hatte der Neuling im Weltleben
es gut getroffen; gewöhnlich ist das aber freilich
nicht der Fall. Nicht ohne Grund bin ich hier etwas
ausführlich.

An einem ziemlich eleganten Schneiderladen
(Herrenmoden) vorbei, schritt man durch den ge¬
wölbten Hausflur, vorüber an der mit Teppichen
belegten, in den ersten Stock führenden Treppe auf
einen umfangreichen Hof, über den etwas nerven¬
schwache Gemüther sich nur mit einiger Bedenklichkeit
dem Hintergebäude zu wagen konnten. Der Eigen¬
thümer des Hauses, einer der ersten Hufschmiede der
Stadt, bediente daselbst seine Kunden, und nicht

In Berlin verfiel ich ihm ſofort wieder.

Wie der Tag vor mir ſteht, an welchem ich
dieſem „kraſſen Fuchs“ in der vollen Hahnenhaftig¬
keit meines vornehmen Verbindungsbewußtſeins meinen
erſten Beſuch machte, nachdem ich mir herablaſſender¬
weiſe ſeine Adreſſe auf der Univerſitätsquäſtur hatte
geben laſſen!

„Studioſus Philoſophiae Valentin Andres,
Dorotheenſtraße Numero 00, Hintergebäude 3 Treppen,
Frau Fechtmeiſterin Feucht,“ lautete ſie, und es war
ein Apriltag nach den Oſterferien, als ich mit meiner
Berliner Matrikel in der Taſche meinen Weg dorthin
nahm. Wenn das Hinterhaus hielt, was das Vorder¬
haus verſprach, ſo hatte der Neuling im Weltleben
es gut getroffen; gewöhnlich iſt das aber freilich
nicht der Fall. Nicht ohne Grund bin ich hier etwas
ausführlich.

An einem ziemlich eleganten Schneiderladen
(Herrenmoden) vorbei, ſchritt man durch den ge¬
wölbten Hausflur, vorüber an der mit Teppichen
belegten, in den erſten Stock führenden Treppe auf
einen umfangreichen Hof, über den etwas nerven¬
ſchwache Gemüther ſich nur mit einiger Bedenklichkeit
dem Hintergebäude zu wagen konnten. Der Eigen¬
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[95/0105] In Berlin verfiel ich ihm ſofort wieder. Wie der Tag vor mir ſteht, an welchem ich dieſem „kraſſen Fuchs“ in der vollen Hahnenhaftig¬ keit meines vornehmen Verbindungsbewußtſeins meinen erſten Beſuch machte, nachdem ich mir herablaſſender¬ weiſe ſeine Adreſſe auf der Univerſitätsquäſtur hatte geben laſſen! „Studioſus Philoſophiae Valentin Andres, Dorotheenſtraße Numero 00, Hintergebäude 3 Treppen, Frau Fechtmeiſterin Feucht,“ lautete ſie, und es war ein Apriltag nach den Oſterferien, als ich mit meiner Berliner Matrikel in der Taſche meinen Weg dorthin nahm. Wenn das Hinterhaus hielt, was das Vorder¬ haus verſprach, ſo hatte der Neuling im Weltleben es gut getroffen; gewöhnlich iſt das aber freilich nicht der Fall. Nicht ohne Grund bin ich hier etwas ausführlich. An einem ziemlich eleganten Schneiderladen (Herrenmoden) vorbei, ſchritt man durch den ge¬ wölbten Hausflur, vorüber an der mit Teppichen belegten, in den erſten Stock führenden Treppe auf einen umfangreichen Hof, über den etwas nerven¬ ſchwache Gemüther ſich nur mit einiger Bedenklichkeit dem Hintergebäude zu wagen konnten. Der Eigen¬ thümer des Hauſes, einer der erſten Hufſchmiede der Stadt, bediente daſelbſt ſeine Kunden, und nicht

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/105>, abgerufen am 20.04.2024.