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Purtscheller, Ludwig: Zur Entwicklungsgeschichte des Alpinismus und der alpinen Technik in den Deutschen und Oesterreichischen Alpen. In: Zeitschrift des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins. Band XXV. Berlin, 1894, S. 95-176.

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L. Purtscheller.
[Abbildung] Uebung macht den Meister.
der sich zum ersten Male
den Alpen nähert, über
die Gewalt dieser Ur-
kraft, über die Offen-
barung einer solchen
Ideenfülle erstaunen!

Wir betrachten die
Touristik nicht als Sport,
sondern als eine Lebens-
erhellung, nicht als eine
Modesache, sondern als
eine Art Naturkultus,
als einen Ausdruck der
Gottesverehrung. Ist
einmal die Zeit des
"Sturms und Dranges"
vorüber, dann werden
die Vortheile dieses
Naturkultus, die jetzt
allzu oft durch Unglücks-
fälle und beklagens-
werthe Katastrophen ge-
trübt und verdunkelt
werden, klar und deut-

lich hervortreten. Denn nie wird der Mensch, allen Abstraktionen,
allem Geistesdrill. allen konventionellen Schranken zum Trotze,
seine innigen Beziehungen zur Aussenwelt, seine Abhängigkeit
von der Natur verleugnen können, immer wieder wird der
Körper, werden Gemüth und Herz ihre Rechte behaupten, und
daher ist die Touristik nicht eine Sache von Heute oder Morgen,
und wenn ihr in der Gegewart Viele huldigen, so gehört ihr die
Zukunft ganz und unbedingt, ist doch die Jugend auf unserer Seite.
Besonders eindrucksvoll, namentlich für den Uneingeweihten,
ist der Dekorationswechsel, der den Uebergang aus der Tiefe
zur Hochregion begleitet. Aus waldfrischen Voralpenthälern, aus
lichtdurchdrungenen Gärten, wo die Lüfte süss und sommerlich
wehen, steigen wir hinauf zu den letzten Wohnstätten der
Menschen, in die Region der Tannen, des Krummholzes und
der Alpenweiden, über die sich rauh und steil die nackten Fels-
riffe aufbauen. Weite, stille, blockerfüllte Kare begrenzen den
Blick, dann kommen jene Reihen tiefdunkler Seeen, die den

L. Purtscheller.
[Abbildung] Uebung macht den Meister.
der sich zum ersten Male
den Alpen nähert, über
die Gewalt dieser Ur-
kraft, über die Offen-
barung einer solchen
Ideenfülle erstaunen!

Wir betrachten die
Touristik nicht als Sport,
sondern als eine Lebens-
erhellung, nicht als eine
Modesache, sondern als
eine Art Naturkultus,
als einen Ausdruck der
Gottesverehrung. Ist
einmal die Zeit des
„Sturms und Dranges“
vorüber, dann werden
die Vortheile dieses
Naturkultus, die jetzt
allzu oft durch Unglücks-
fälle und beklagens-
werthe Katastrophen ge-
trübt und verdunkelt
werden, klar und deut-

lich hervortreten. Denn nie wird der Mensch, allen Abstraktionen,
allem Geistesdrill. allen konventionellen Schranken zum Trotze,
seine innigen Beziehungen zur Aussenwelt, seine Abhängigkeit
von der Natur verleugnen können, immer wieder wird der
Körper, werden Gemüth und Herz ihre Rechte behaupten, und
daher ist die Touristik nicht eine Sache von Heute oder Morgen,
und wenn ihr in der Gegewart Viele huldigen, so gehört ihr die
Zukunft ganz und unbedingt, ist doch die Jugend auf unserer Seite.
Besonders eindrucksvoll, namentlich für den Uneingeweihten,
ist der Dekorationswechsel, der den Uebergang aus der Tiefe
zur Hochregion begleitet. Aus waldfrischen Voralpenthälern, aus
lichtdurchdrungenen Gärten, wo die Lüfte süss und sommerlich
wehen, steigen wir hinauf zu den letzten Wohnstätten der
Menschen, in die Region der Tannen, des Krummholzes und
der Alpenweiden, über die sich rauh und steil die nackten Fels-
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[130/0036] L. Purtscheller. [Abbildung Uebung macht den Meister. ] der sich zum ersten Male den Alpen nähert, über die Gewalt dieser Ur- kraft, über die Offen- barung einer solchen Ideenfülle erstaunen! Wir betrachten die Touristik nicht als Sport, sondern als eine Lebens- erhellung, nicht als eine Modesache, sondern als eine Art Naturkultus, als einen Ausdruck der Gottesverehrung. Ist einmal die Zeit des „Sturms und Dranges“ vorüber, dann werden die Vortheile dieses Naturkultus, die jetzt allzu oft durch Unglücks- fälle und beklagens- werthe Katastrophen ge- trübt und verdunkelt werden, klar und deut- lich hervortreten. Denn nie wird der Mensch, allen Abstraktionen, allem Geistesdrill. allen konventionellen Schranken zum Trotze, seine innigen Beziehungen zur Aussenwelt, seine Abhängigkeit von der Natur verleugnen können, immer wieder wird der Körper, werden Gemüth und Herz ihre Rechte behaupten, und daher ist die Touristik nicht eine Sache von Heute oder Morgen, und wenn ihr in der Gegewart Viele huldigen, so gehört ihr die Zukunft ganz und unbedingt, ist doch die Jugend auf unserer Seite. Besonders eindrucksvoll, namentlich für den Uneingeweihten, ist der Dekorationswechsel, der den Uebergang aus der Tiefe zur Hochregion begleitet. Aus waldfrischen Voralpenthälern, aus lichtdurchdrungenen Gärten, wo die Lüfte süss und sommerlich wehen, steigen wir hinauf zu den letzten Wohnstätten der Menschen, in die Region der Tannen, des Krummholzes und der Alpenweiden, über die sich rauh und steil die nackten Fels- riffe aufbauen. Weite, stille, blockerfüllte Kare begrenzen den Blick, dann kommen jene Reihen tiefdunkler Seeen, die den

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Zitationshilfe: Purtscheller, Ludwig: Zur Entwicklungsgeschichte des Alpinismus und der alpinen Technik in den Deutschen und Oesterreichischen Alpen. In: Zeitschrift des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins. Band XXV. Berlin, 1894, S. 95-176, hier S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/purtscheller_alpinismus_1894/36>, abgerufen am 28.03.2024.