Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

sah ich auch noch ein Mustervorwerk des Großherzogs,
wo colossales Schweizervieh wenig Milch gibt -- denn
diese Verpflanzungen des Fremden taugen gewöhnlich
nicht viel; ferner die anmuthige Fasanerie, die reich
an Gold- und Silbersasanen und weißen Rehen ist.
Einen seltsamen Anblick gewährte der große Truten-
baum, auf welchen 70 bis 80 dieser schwerfälligen
Vögel vom Fasanenjäger gewöhnt sind, gemeinschaft-
lich hinaufzuklettern, wo dann die alte Linde, über
und über mit solchen Früchten behangen, ein wun-
derbar exotisches Ansehen gewinnt.

Da man sehr zeitig bei Hofe speist, hatte ich kaum
Zeit mich en costume zu werfen, und fand, etwas
spät kommend, schon eine große Gesellschaft versam-
melt, unter der ich mehrere Engländer bemerkte, die
jetzt sehr vernünftigerweise hier deutsch studiren,
statt früher mit vieler Mühe den Dresdner ungra-
zieusen Dialekt zu erlernen, und äußerst gastfrei auf-
genommen werden. Die Unterhaltung bei Tafel wurde
bald sehr animirt. Du kennst die Jovialität des
Großherzogs, der hierin ganz seinem Freunde, dem
unvergeßlichen Könige von Bayern, gleicht. Man
rekapitulirte mehrere scherzhafte Geschichten aus der
Zeit, wo ich noch sein Adjudant zu seyn die Ehre
hatte, und nachher mußte ich mein großes cheval de
bataille
reiten -- die Lustballon-Fahrt. Interessanter
waren Herzog Bernhards Erzählungen von seiner
Reise in Nord- und Süd-Amerika, die wir, wie ich
höre, bald mit Anmerkungen von Göthe ver-
sehen, gedruckt lesen werden. Dieser Prinz, den

ſah ich auch noch ein Muſtervorwerk des Großherzogs,
wo coloſſales Schweizervieh wenig Milch gibt — denn
dieſe Verpflanzungen des Fremden taugen gewöhnlich
nicht viel; ferner die anmuthige Faſanerie, die reich
an Gold- und Silberſaſanen und weißen Rehen iſt.
Einen ſeltſamen Anblick gewährte der große Truten-
baum, auf welchen 70 bis 80 dieſer ſchwerfälligen
Vögel vom Faſanenjäger gewöhnt ſind, gemeinſchaft-
lich hinaufzuklettern, wo dann die alte Linde, über
und über mit ſolchen Früchten behangen, ein wun-
derbar exotiſches Anſehen gewinnt.

Da man ſehr zeitig bei Hofe ſpeiſt, hatte ich kaum
Zeit mich en costume zu werfen, und fand, etwas
ſpät kommend, ſchon eine große Geſellſchaft verſam-
melt, unter der ich mehrere Engländer bemerkte, die
jetzt ſehr vernünftigerweiſe hier deutſch ſtudiren,
ſtatt früher mit vieler Mühe den Dresdner ungra-
zieuſen Dialekt zu erlernen, und äußerſt gaſtfrei auf-
genommen werden. Die Unterhaltung bei Tafel wurde
bald ſehr animirt. Du kennſt die Jovialität des
Großherzogs, der hierin ganz ſeinem Freunde, dem
unvergeßlichen Könige von Bayern, gleicht. Man
rekapitulirte mehrere ſcherzhafte Geſchichten aus der
Zeit, wo ich noch ſein Adjudant zu ſeyn die Ehre
hatte, und nachher mußte ich mein großes cheval de
bataille
reiten — die Luſtballon-Fahrt. Intereſſanter
waren Herzog Bernhards Erzählungen von ſeiner
Reiſe in Nord- und Süd-Amerika, die wir, wie ich
höre, bald mit Anmerkungen von Göthe ver-
ſehen, gedruckt leſen werden. Dieſer Prinz, den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0050" n="10"/>
&#x017F;ah ich auch noch ein Mu&#x017F;tervorwerk des Großherzogs,<lb/>
wo colo&#x017F;&#x017F;ales Schweizervieh wenig Milch gibt &#x2014; denn<lb/>
die&#x017F;e Verpflanzungen des Fremden taugen gewöhnlich<lb/>
nicht viel; ferner die anmuthige Fa&#x017F;anerie, die reich<lb/>
an Gold- und Silber&#x017F;a&#x017F;anen und weißen Rehen i&#x017F;t.<lb/>
Einen &#x017F;elt&#x017F;amen Anblick gewährte der große Truten-<lb/>
baum, auf welchen 70 bis 80 die&#x017F;er &#x017F;chwerfälligen<lb/>
Vögel vom Fa&#x017F;anenjäger gewöhnt &#x017F;ind, gemein&#x017F;chaft-<lb/>
lich hinaufzuklettern, wo dann die alte Linde, über<lb/>
und über mit &#x017F;olchen Früchten behangen, ein wun-<lb/>
derbar exoti&#x017F;ches An&#x017F;ehen gewinnt.</p><lb/>
          <p>Da man &#x017F;ehr zeitig bei Hofe &#x017F;pei&#x017F;t, hatte ich kaum<lb/>
Zeit mich <hi rendition="#aq">en costume</hi> zu werfen, und fand, etwas<lb/>
&#x017F;pät kommend, &#x017F;chon eine große Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ver&#x017F;am-<lb/>
melt, unter der ich mehrere Engländer bemerkte, die<lb/>
jetzt &#x017F;ehr vernünftigerwei&#x017F;e <hi rendition="#g">hier</hi> deut&#x017F;ch &#x017F;tudiren,<lb/>
&#x017F;tatt früher mit vieler Mühe den Dresdner ungra-<lb/>
zieu&#x017F;en Dialekt zu erlernen, und äußer&#x017F;t ga&#x017F;tfrei auf-<lb/>
genommen werden. Die Unterhaltung bei Tafel wurde<lb/>
bald &#x017F;ehr animirt. Du kenn&#x017F;t die Jovialität des<lb/>
Großherzogs, der hierin ganz &#x017F;einem Freunde, dem<lb/>
unvergeßlichen Könige von Bayern, gleicht. Man<lb/>
rekapitulirte mehrere &#x017F;cherzhafte Ge&#x017F;chichten aus der<lb/>
Zeit, wo ich noch &#x017F;ein Adjudant zu &#x017F;eyn die Ehre<lb/>
hatte, und nachher mußte ich mein großes <hi rendition="#aq">cheval de<lb/>
bataille</hi> reiten &#x2014; die Lu&#x017F;tballon-Fahrt. Intere&#x017F;&#x017F;anter<lb/>
waren Herzog Bernhards Erzählungen von &#x017F;einer<lb/>
Rei&#x017F;e in Nord- und Süd-Amerika, die wir, wie ich<lb/>
höre, bald mit Anmerkungen von Göthe ver-<lb/>
&#x017F;ehen, gedruckt le&#x017F;en werden. Die&#x017F;er Prinz, den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0050] ſah ich auch noch ein Muſtervorwerk des Großherzogs, wo coloſſales Schweizervieh wenig Milch gibt — denn dieſe Verpflanzungen des Fremden taugen gewöhnlich nicht viel; ferner die anmuthige Faſanerie, die reich an Gold- und Silberſaſanen und weißen Rehen iſt. Einen ſeltſamen Anblick gewährte der große Truten- baum, auf welchen 70 bis 80 dieſer ſchwerfälligen Vögel vom Faſanenjäger gewöhnt ſind, gemeinſchaft- lich hinaufzuklettern, wo dann die alte Linde, über und über mit ſolchen Früchten behangen, ein wun- derbar exotiſches Anſehen gewinnt. Da man ſehr zeitig bei Hofe ſpeiſt, hatte ich kaum Zeit mich en costume zu werfen, und fand, etwas ſpät kommend, ſchon eine große Geſellſchaft verſam- melt, unter der ich mehrere Engländer bemerkte, die jetzt ſehr vernünftigerweiſe hier deutſch ſtudiren, ſtatt früher mit vieler Mühe den Dresdner ungra- zieuſen Dialekt zu erlernen, und äußerſt gaſtfrei auf- genommen werden. Die Unterhaltung bei Tafel wurde bald ſehr animirt. Du kennſt die Jovialität des Großherzogs, der hierin ganz ſeinem Freunde, dem unvergeßlichen Könige von Bayern, gleicht. Man rekapitulirte mehrere ſcherzhafte Geſchichten aus der Zeit, wo ich noch ſein Adjudant zu ſeyn die Ehre hatte, und nachher mußte ich mein großes cheval de bataille reiten — die Luſtballon-Fahrt. Intereſſanter waren Herzog Bernhards Erzählungen von ſeiner Reiſe in Nord- und Süd-Amerika, die wir, wie ich höre, bald mit Anmerkungen von Göthe ver- ſehen, gedruckt leſen werden. Dieſer Prinz, den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/50
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/50>, abgerufen am 23.04.2024.