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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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lich auf, ebenfalls erst gekauften, Füllen, ohne Zü-
gel, und da Menschen und Vieh sich einander noch
fremd waren, so konnten sie ihre Thiere nur schlecht
regieren. Wir wurden dadurch mehreremal gezwun-
gen, still zu halten. Dies langweilte mich endlich,
und bei der dritten oder vierten rencontre dieser Art,
rief ich den Leuten barsch zu: ich hätte nicht Zeit,
ihrer Ungeschicklichkeit wegen, den halben Tag auf
der Straße zuzubringen, und befahl, etwas übereilt,
dem Kutscher nur drauflos zu fahren. Sogleich
machten zwei Füllen mit ihren Reutern links um,
vor dem Wagen hergallopirend, und die ganze Heerde
zertheilte sich scheu in die Berge. Meine Raschheit
that mir jetzt leid, und ich ließ sogleich wieder an-
halten. Es waren im Ganzen vier bis fünf Trei-
ber, die ich so deroutirt hatte, alles rüstige junge
Kerle, und der Streich, den ich ihnen gespielt, ge-
wiß einer der unangenehmsten, da voraus zu sehen
war, daß sie wenigstens eine halbe Stunde brauchen
würden, um ihr zersprengtes Vieh wieder zu sam-
meln. Deutsche, Engländer oder Franzosen würden
einem Reisenden, der mit einem zerlumpten Kutscher,
in einem elenden Einspänner fuhr, und ihnen unbe-
sonnen dieß bot, gewiß mit gehöriger Grobheit zu-
gesetzt, und vielleicht gar ihn festzunehmen versucht
haben, um den etwaigen Schaden zu ersetzen. Ganz
anders war das Betragen dieser guten Leute, witzig
und respectvoll zugleich. O murther, murther!
schrie der Eine, während das widerspenstige Füllen
noch einen Versuch machte, den Berg hinan zu sprin-

lich auf, ebenfalls erſt gekauften, Füllen, ohne Zü-
gel, und da Menſchen und Vieh ſich einander noch
fremd waren, ſo konnten ſie ihre Thiere nur ſchlecht
regieren. Wir wurden dadurch mehreremal gezwun-
gen, ſtill zu halten. Dies langweilte mich endlich,
und bei der dritten oder vierten rencontre dieſer Art,
rief ich den Leuten barſch zu: ich hätte nicht Zeit,
ihrer Ungeſchicklichkeit wegen, den halben Tag auf
der Straße zuzubringen, und befahl, etwas übereilt,
dem Kutſcher nur drauflos zu fahren. Sogleich
machten zwei Füllen mit ihren Reutern links um,
vor dem Wagen hergallopirend, und die ganze Heerde
zertheilte ſich ſcheu in die Berge. Meine Raſchheit
that mir jetzt leid, und ich ließ ſogleich wieder an-
halten. Es waren im Ganzen vier bis fünf Trei-
ber, die ich ſo deroutirt hatte, alles rüſtige junge
Kerle, und der Streich, den ich ihnen geſpielt, ge-
wiß einer der unangenehmſten, da voraus zu ſehen
war, daß ſie wenigſtens eine halbe Stunde brauchen
würden, um ihr zerſprengtes Vieh wieder zu ſam-
meln. Deutſche, Engländer oder Franzoſen würden
einem Reiſenden, der mit einem zerlumpten Kutſcher,
in einem elenden Einſpänner fuhr, und ihnen unbe-
ſonnen dieß bot, gewiß mit gehöriger Grobheit zu-
geſetzt, und vielleicht gar ihn feſtzunehmen verſucht
haben, um den etwaigen Schaden zu erſetzen. Ganz
anders war das Betragen dieſer guten Leute, witzig
und reſpectvoll zugleich. O murther, murther!
ſchrie der Eine, während das widerſpenſtige Füllen
noch einen Verſuch machte, den Berg hinan zu ſprin-

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[25/0047] lich auf, ebenfalls erſt gekauften, Füllen, ohne Zü- gel, und da Menſchen und Vieh ſich einander noch fremd waren, ſo konnten ſie ihre Thiere nur ſchlecht regieren. Wir wurden dadurch mehreremal gezwun- gen, ſtill zu halten. Dies langweilte mich endlich, und bei der dritten oder vierten rencontre dieſer Art, rief ich den Leuten barſch zu: ich hätte nicht Zeit, ihrer Ungeſchicklichkeit wegen, den halben Tag auf der Straße zuzubringen, und befahl, etwas übereilt, dem Kutſcher nur drauflos zu fahren. Sogleich machten zwei Füllen mit ihren Reutern links um, vor dem Wagen hergallopirend, und die ganze Heerde zertheilte ſich ſcheu in die Berge. Meine Raſchheit that mir jetzt leid, und ich ließ ſogleich wieder an- halten. Es waren im Ganzen vier bis fünf Trei- ber, die ich ſo deroutirt hatte, alles rüſtige junge Kerle, und der Streich, den ich ihnen geſpielt, ge- wiß einer der unangenehmſten, da voraus zu ſehen war, daß ſie wenigſtens eine halbe Stunde brauchen würden, um ihr zerſprengtes Vieh wieder zu ſam- meln. Deutſche, Engländer oder Franzoſen würden einem Reiſenden, der mit einem zerlumpten Kutſcher, in einem elenden Einſpänner fuhr, und ihnen unbe- ſonnen dieß bot, gewiß mit gehöriger Grobheit zu- geſetzt, und vielleicht gar ihn feſtzunehmen verſucht haben, um den etwaigen Schaden zu erſetzen. Ganz anders war das Betragen dieſer guten Leute, witzig und reſpectvoll zugleich. O murther, murther! ſchrie der Eine, während das widerſpenſtige Füllen noch einen Verſuch machte, den Berg hinan zu ſprin-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/47>, abgerufen am 25.04.2024.