Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

dem felsigen Seeufer stand, und freundliche goldne
Lichter durch die Nacht strahlte. Es schlug auf dem
Thurm grade 11 Uhr, und ich gestehe es, mir ward
schon bange für mein dine, als ich nichts Lebendes,
außer am obern Fenster einen Mann im Schlafrocke,
erblickte. Bald indeß wurde es geräuschvoller im
Haus, ein eleganter Bedienter erschien mit silbernen
Leuchtern, und öffnete mir seitwärts eine Thüre, wo
ich mit Verwunderung eine Gesellschaft von fünfzehn
bis zwanzig Personen an einer langen Tafel, beim
Wein und Dessert sitzen sah. Ein schöner, großer
Mann, von freundlichem Ansehn, kam mir entgegen,
entschuldigte sich, daß er so spät mich nicht mehr er-
wartet hätte, bedauerte meine Reise in so furchtba-
rem Wetter, präsentirte mich vorläufig seiner Fami-
lie, die mehr als die Hälfte der Gesellschaft aus-
machte, und führte mich dann in mein Schlafzimmer.
Dies war der große O'Connel. -- Eine kurze Toilette
restaurirte mich schnell, während man unten für
meine, allerdings nach solcher Tour nicht zu verschmä-
hende, Beköstigung sorgte.

Als ich wieder in den Saal trat, fand ich noch den
größten Theil der Gesellschaft versammelt. Man be-
wirthete mich sehr gut, und es wäre undankbar, nicht
Herrn O'Connels alten Wein zu loben, der in Wahr-
heit vortrefflich war. Nachdem die Damen uns ver-
lassen hatten, setzte er sich zu mir, und es konnte
nicht fehlen, daß Irland der Gegenstand des Ge-
sprächs werden mußte. Sahen Sie schon viele seiner

dem felſigen Seeufer ſtand, und freundliche goldne
Lichter durch die Nacht ſtrahlte. Es ſchlug auf dem
Thurm grade 11 Uhr, und ich geſtehe es, mir ward
ſchon bange für mein diné, als ich nichts Lebendes,
außer am obern Fenſter einen Mann im Schlafrocke,
erblickte. Bald indeß wurde es geräuſchvoller im
Haus, ein eleganter Bedienter erſchien mit ſilbernen
Leuchtern, und öffnete mir ſeitwärts eine Thüre, wo
ich mit Verwunderung eine Geſellſchaft von fünfzehn
bis zwanzig Perſonen an einer langen Tafel, beim
Wein und Deſſert ſitzen ſah. Ein ſchöner, großer
Mann, von freundlichem Anſehn, kam mir entgegen,
entſchuldigte ſich, daß er ſo ſpät mich nicht mehr er-
wartet hätte, bedauerte meine Reiſe in ſo furchtba-
rem Wetter, präſentirte mich vorläufig ſeiner Fami-
lie, die mehr als die Hälfte der Geſellſchaft aus-
machte, und führte mich dann in mein Schlafzimmer.
Dies war der große O’Connel. — Eine kurze Toilette
reſtaurirte mich ſchnell, während man unten für
meine, allerdings nach ſolcher Tour nicht zu verſchmä-
hende, Beköſtigung ſorgte.

Als ich wieder in den Saal trat, fand ich noch den
größten Theil der Geſellſchaft verſammelt. Man be-
wirthete mich ſehr gut, und es wäre undankbar, nicht
Herrn O’Connels alten Wein zu loben, der in Wahr-
heit vortrefflich war. Nachdem die Damen uns ver-
laſſen hatten, ſetzte er ſich zu mir, und es konnte
nicht fehlen, daß Irland der Gegenſtand des Ge-
ſprächs werden mußte. Sahen Sie ſchon viele ſeiner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0035" n="13"/>
dem fel&#x017F;igen Seeufer &#x017F;tand, und freundliche goldne<lb/>
Lichter durch die Nacht &#x017F;trahlte. Es &#x017F;chlug auf dem<lb/>
Thurm grade 11 Uhr, und ich ge&#x017F;tehe es, mir ward<lb/>
&#x017F;chon bange für mein <hi rendition="#aq">diné,</hi> als ich nichts Lebendes,<lb/>
außer am obern Fen&#x017F;ter einen Mann im Schlafrocke,<lb/>
erblickte. Bald indeß wurde es geräu&#x017F;chvoller im<lb/>
Haus, ein eleganter Bedienter er&#x017F;chien mit &#x017F;ilbernen<lb/>
Leuchtern, und öffnete mir &#x017F;eitwärts eine Thüre, wo<lb/>
ich mit Verwunderung eine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft von fünfzehn<lb/>
bis zwanzig Per&#x017F;onen an einer langen Tafel, beim<lb/>
Wein und De&#x017F;&#x017F;ert &#x017F;itzen &#x017F;ah. Ein &#x017F;chöner, großer<lb/>
Mann, von freundlichem An&#x017F;ehn, kam mir entgegen,<lb/>
ent&#x017F;chuldigte &#x017F;ich, daß er &#x017F;o &#x017F;pät mich nicht mehr er-<lb/>
wartet hätte, bedauerte meine Rei&#x017F;e in &#x017F;o furchtba-<lb/>
rem Wetter, prä&#x017F;entirte mich vorläufig &#x017F;einer Fami-<lb/>
lie, die mehr als die <choice><sic>Ha&#x0307;lfte</sic><corr>Hälfte</corr></choice> der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft aus-<lb/>
machte, und führte mich dann in mein Schlafzimmer.<lb/>
Dies war der große O&#x2019;Connel. &#x2014; Eine kurze Toilette<lb/>
re&#x017F;taurirte mich &#x017F;chnell, während man unten für<lb/>
meine, allerdings nach &#x017F;olcher Tour nicht zu ver&#x017F;chmä-<lb/>
hende, Bekö&#x017F;tigung &#x017F;orgte.</p><lb/>
          <p>Als ich wieder in den Saal trat, fand ich noch den<lb/>
größten Theil der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ver&#x017F;ammelt. Man be-<lb/>
wirthete mich &#x017F;ehr gut, und es wäre undankbar, nicht<lb/>
Herrn O&#x2019;Connels alten Wein zu loben, der in Wahr-<lb/>
heit vortrefflich war. Nachdem die Damen uns ver-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en hatten, &#x017F;etzte er &#x017F;ich zu mir, und es konnte<lb/>
nicht fehlen, daß Irland der Gegen&#x017F;tand des Ge-<lb/>
&#x017F;prächs werden mußte. Sahen Sie &#x017F;chon viele &#x017F;einer<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0035] dem felſigen Seeufer ſtand, und freundliche goldne Lichter durch die Nacht ſtrahlte. Es ſchlug auf dem Thurm grade 11 Uhr, und ich geſtehe es, mir ward ſchon bange für mein diné, als ich nichts Lebendes, außer am obern Fenſter einen Mann im Schlafrocke, erblickte. Bald indeß wurde es geräuſchvoller im Haus, ein eleganter Bedienter erſchien mit ſilbernen Leuchtern, und öffnete mir ſeitwärts eine Thüre, wo ich mit Verwunderung eine Geſellſchaft von fünfzehn bis zwanzig Perſonen an einer langen Tafel, beim Wein und Deſſert ſitzen ſah. Ein ſchöner, großer Mann, von freundlichem Anſehn, kam mir entgegen, entſchuldigte ſich, daß er ſo ſpät mich nicht mehr er- wartet hätte, bedauerte meine Reiſe in ſo furchtba- rem Wetter, präſentirte mich vorläufig ſeiner Fami- lie, die mehr als die Hälfte der Geſellſchaft aus- machte, und führte mich dann in mein Schlafzimmer. Dies war der große O’Connel. — Eine kurze Toilette reſtaurirte mich ſchnell, während man unten für meine, allerdings nach ſolcher Tour nicht zu verſchmä- hende, Beköſtigung ſorgte. Als ich wieder in den Saal trat, fand ich noch den größten Theil der Geſellſchaft verſammelt. Man be- wirthete mich ſehr gut, und es wäre undankbar, nicht Herrn O’Connels alten Wein zu loben, der in Wahr- heit vortrefflich war. Nachdem die Damen uns ver- laſſen hatten, ſetzte er ſich zu mir, und es konnte nicht fehlen, daß Irland der Gegenſtand des Ge- ſprächs werden mußte. Sahen Sie ſchon viele ſeiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/35
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/35>, abgerufen am 28.03.2024.