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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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wand, bahnt der Fluß sich seinen schwierigen Weg,
von Abgrund zu Abgrund herabstürzend. Vor uns
lag eine perspectivische Ansicht über einander wogen-
der Berge, die endlos schien. Ich war so entzückt,
daß ich mir durch lauten Ausruf Luft machen mußte.
Und dabei kann man die berrliche Straße nimmer
genug loben, welche, nie jähling steigend oder sinkend,
alle die belles horreurs dieser Bergwelt so gemäch-
lich betrachten läßt. Sie ist, wo sie nicht von Felsen
geschützt wird, durchgängig mit niedrigen Mauern
eingeschlossen, und in gleichen Distanzen sind eben-
falls zierlich gemauerte Nischen angebracht, in denen
die Steine zur Ausbesserung aufgeschichtet sind, was
weit geordneter aussieht, als die freiliegenden Stein-
haufen an unsern Landstraßen.

Das Gebirge von Wales hat einen sehr eigenthüm-
lichen Charakter, der schwer mit andern zu verglei-
chen ist. Seine Höhe ist ohngefähr der des Riesen-
gebirges gleich, es erscheint aber unendlich grandioser
in Form, ist weit reicher an Bergspitzen, und diese
besser gruppirt. Auch die Vegetation ist mannichfal-
tiger an Pflanzenarten, obgleich nicht so zahlreich an
Bäumen überhaupt, und es hat Flüsse und Seen, die
dem Riesengebirge ganz abgehen. Es fehlen ihm also
die majestätischen, geschlossenen Wälder der Heimath
Rübezahls und an einigen Stellen desselben hat auch
der Anbau des Menschen die Mittelstraße bereits
überschritten, die meiner Ansicht nach, zu einer voll-
endet schönen Landschaft gehört; dagegen ist die bö-
here Region, von Capel Cerrig bis einige Meilen

wand, bahnt der Fluß ſich ſeinen ſchwierigen Weg,
von Abgrund zu Abgrund herabſtürzend. Vor uns
lag eine perſpectiviſche Anſicht über einander wogen-
der Berge, die endlos ſchien. Ich war ſo entzückt,
daß ich mir durch lauten Ausruf Luft machen mußte.
Und dabei kann man die berrliche Straße nimmer
genug loben, welche, nie jähling ſteigend oder ſinkend,
alle die belles horreurs dieſer Bergwelt ſo gemäch-
lich betrachten läßt. Sie iſt, wo ſie nicht von Felſen
geſchützt wird, durchgängig mit niedrigen Mauern
eingeſchloſſen, und in gleichen Diſtanzen ſind eben-
falls zierlich gemauerte Niſchen angebracht, in denen
die Steine zur Ausbeſſerung aufgeſchichtet ſind, was
weit geordneter ausſieht, als die freiliegenden Stein-
haufen an unſern Landſtraßen.

Das Gebirge von Wales hat einen ſehr eigenthüm-
lichen Charakter, der ſchwer mit andern zu verglei-
chen iſt. Seine Höhe iſt ohngefähr der des Rieſen-
gebirges gleich, es erſcheint aber unendlich grandioſer
in Form, iſt weit reicher an Bergſpitzen, und dieſe
beſſer gruppirt. Auch die Vegetation iſt mannichfal-
tiger an Pflanzenarten, obgleich nicht ſo zahlreich an
Bäumen überhaupt, und es hat Flüſſe und Seen, die
dem Rieſengebirge ganz abgehen. Es fehlen ihm alſo
die majeſtätiſchen, geſchloſſenen Wälder der Heimath
Rübezahls und an einigen Stellen deſſelben hat auch
der Anbau des Menſchen die Mittelſtraße bereits
überſchritten, die meiner Anſicht nach, zu einer voll-
endet ſchönen Landſchaft gehört; dagegen iſt die bö-
here Region, von Capel Cerrig bis einige Meilen

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[25/0049] wand, bahnt der Fluß ſich ſeinen ſchwierigen Weg, von Abgrund zu Abgrund herabſtürzend. Vor uns lag eine perſpectiviſche Anſicht über einander wogen- der Berge, die endlos ſchien. Ich war ſo entzückt, daß ich mir durch lauten Ausruf Luft machen mußte. Und dabei kann man die berrliche Straße nimmer genug loben, welche, nie jähling ſteigend oder ſinkend, alle die belles horreurs dieſer Bergwelt ſo gemäch- lich betrachten läßt. Sie iſt, wo ſie nicht von Felſen geſchützt wird, durchgängig mit niedrigen Mauern eingeſchloſſen, und in gleichen Diſtanzen ſind eben- falls zierlich gemauerte Niſchen angebracht, in denen die Steine zur Ausbeſſerung aufgeſchichtet ſind, was weit geordneter ausſieht, als die freiliegenden Stein- haufen an unſern Landſtraßen. Das Gebirge von Wales hat einen ſehr eigenthüm- lichen Charakter, der ſchwer mit andern zu verglei- chen iſt. Seine Höhe iſt ohngefähr der des Rieſen- gebirges gleich, es erſcheint aber unendlich grandioſer in Form, iſt weit reicher an Bergſpitzen, und dieſe beſſer gruppirt. Auch die Vegetation iſt mannichfal- tiger an Pflanzenarten, obgleich nicht ſo zahlreich an Bäumen überhaupt, und es hat Flüſſe und Seen, die dem Rieſengebirge ganz abgehen. Es fehlen ihm alſo die majeſtätiſchen, geſchloſſenen Wälder der Heimath Rübezahls und an einigen Stellen deſſelben hat auch der Anbau des Menſchen die Mittelſtraße bereits überſchritten, die meiner Anſicht nach, zu einer voll- endet ſchönen Landſchaft gehört; dagegen iſt die bö- here Region, von Capel Cerrig bis einige Meilen

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/49>, abgerufen am 20.04.2024.