Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

mich, sie nicht arrosirt zu finden, was die Land-
straßen in der Nähe von London so angenehm
macht. Wahrscheinlich geschieht es nur, wenn der
Vicekönig hier ist. Heute war der Staub in dem
Gewühl und Gedränge fast unerträglich, und alle
Bäume wie mit Kalk überzogen.

Als ich in Dublin ankam, war grade Sitzung der
katholischen Association, und ich stieg daher vor dem
Hause ab. Leider war aber weder Shiel noch Ocon-
nel gegenwärtig, so daß die Versammlung gar nichts
Anziehendes darbot. Hitze und übler Geruch (car
l'humanite catholique pue autant qu une autre
) ver-
trieben mich daher schon nach wenigen Minuten.

Abends amüsirte ich mich besser in den Vorstellun-
gen andrer Charlatans, nämlich einer Gesellschaft so-
genannter englischer Reiter, die hier zu Hause sind.
Herr Adam, in seiner Art wirklich: le premier des
hommes,
dirigirte die "Akademie," welche diesen
Namen besser wie manche andere verdiente. Man
sah mit Vergnügen gegen zwanzig elegant gekleidete
junge Leute, fast Alle mit gleicher Geschicklichkeit agi-
ren, und durch die künstliche Verwirrung, Mannich-
faltigkeit, Schwierigkeit und reissende Schnelle ihrer
Bewegungen das Auge oft, gleich einem Chaos, mit
Dissonanzen betäuben, die sich im Augenblick darauf
in die anmuthigste Harmonie auflösen. Noch ergötz-
licher waren zwei unnachahmliche Clowns (Bajazzi),
deren Glieder keinen Dienst einer Marionette ver-
sagten.

mich, ſie nicht arroſirt zu finden, was die Land-
ſtraßen in der Nähe von London ſo angenehm
macht. Wahrſcheinlich geſchieht es nur, wenn der
Vicekönig hier iſt. Heute war der Staub in dem
Gewühl und Gedränge faſt unerträglich, und alle
Bäume wie mit Kalk überzogen.

Als ich in Dublin ankam, war grade Sitzung der
katholiſchen Aſſociation, und ich ſtieg daher vor dem
Hauſe ab. Leider war aber weder Shiel noch Ocon-
nel gegenwärtig, ſo daß die Verſammlung gar nichts
Anziehendes darbot. Hitze und übler Geruch (car
l’humanité catholique puê autant qú une autre
) ver-
trieben mich daher ſchon nach wenigen Minuten.

Abends amüſirte ich mich beſſer in den Vorſtellun-
gen andrer Charlatans, nämlich einer Geſellſchaft ſo-
genannter engliſcher Reiter, die hier zu Hauſe ſind.
Herr Adam, in ſeiner Art wirklich: le premier des
hommes,
dirigirte die „Akademie,“ welche dieſen
Namen beſſer wie manche andere verdiente. Man
ſah mit Vergnügen gegen zwanzig elegant gekleidete
junge Leute, faſt Alle mit gleicher Geſchicklichkeit agi-
ren, und durch die künſtliche Verwirrung, Mannich-
faltigkeit, Schwierigkeit und reiſſende Schnelle ihrer
Bewegungen das Auge oft, gleich einem Chaos, mit
Diſſonanzen betäuben, die ſich im Augenblick darauf
in die anmuthigſte Harmonie auflöſen. Noch ergötz-
licher waren zwei unnachahmliche Clowns (Bajazzi),
deren Glieder keinen Dienſt einer Marionette ver-
ſagten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0238" n="214"/>
mich, &#x017F;ie nicht arro&#x017F;irt zu finden, was die Land-<lb/>
&#x017F;traßen in der <choice><sic>Na&#x0307;he</sic><corr>Nähe</corr></choice> von London &#x017F;o angenehm<lb/>
macht. Wahr&#x017F;cheinlich ge&#x017F;chieht es nur, wenn der<lb/>
Vicekönig hier i&#x017F;t. Heute war der Staub in dem<lb/>
Gewühl und Gedränge fa&#x017F;t unerträglich, und alle<lb/>
Bäume wie mit Kalk überzogen.</p><lb/>
          <p>Als ich in Dublin ankam, war grade Sitzung der<lb/>
katholi&#x017F;chen A&#x017F;&#x017F;ociation, und ich &#x017F;tieg daher vor dem<lb/>
Hau&#x017F;e ab. Leider war aber weder Shiel noch Ocon-<lb/>
nel gegenwärtig, &#x017F;o daß die Ver&#x017F;ammlung gar nichts<lb/>
Anziehendes darbot. Hitze und übler Geruch (<hi rendition="#aq">car<lb/>
l&#x2019;humanité catholique puê autant qú une autre</hi>) ver-<lb/>
trieben mich daher &#x017F;chon nach wenigen Minuten.</p><lb/>
          <p>Abends amü&#x017F;irte ich mich be&#x017F;&#x017F;er in den Vor&#x017F;tellun-<lb/>
gen andrer Charlatans, nämlich einer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;o-<lb/>
genannter engli&#x017F;cher Reiter, die hier zu Hau&#x017F;e &#x017F;ind.<lb/>
Herr Adam, in &#x017F;einer Art wirklich: <hi rendition="#aq">le premier des<lb/>
hommes,</hi> dirigirte die &#x201E;Akademie,&#x201C; welche die&#x017F;en<lb/>
Namen be&#x017F;&#x017F;er wie manche andere verdiente. Man<lb/>
&#x017F;ah mit Vergnügen gegen zwanzig elegant gekleidete<lb/>
junge Leute, fa&#x017F;t Alle mit gleicher Ge&#x017F;chicklichkeit agi-<lb/>
ren, und durch die kün&#x017F;tliche Verwirrung, Mannich-<lb/>
faltigkeit, Schwierigkeit und rei&#x017F;&#x017F;ende Schnelle ihrer<lb/>
Bewegungen das Auge oft, gleich einem Chaos, mit<lb/>
Di&#x017F;&#x017F;onanzen betäuben, die &#x017F;ich im Augenblick darauf<lb/>
in die anmuthig&#x017F;te Harmonie auflö&#x017F;en. Noch ergötz-<lb/>
licher waren zwei unnachahmliche Clowns (Bajazzi),<lb/>
deren Glieder keinen Dien&#x017F;t einer Marionette ver-<lb/>
&#x017F;agten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0238] mich, ſie nicht arroſirt zu finden, was die Land- ſtraßen in der Nähe von London ſo angenehm macht. Wahrſcheinlich geſchieht es nur, wenn der Vicekönig hier iſt. Heute war der Staub in dem Gewühl und Gedränge faſt unerträglich, und alle Bäume wie mit Kalk überzogen. Als ich in Dublin ankam, war grade Sitzung der katholiſchen Aſſociation, und ich ſtieg daher vor dem Hauſe ab. Leider war aber weder Shiel noch Ocon- nel gegenwärtig, ſo daß die Verſammlung gar nichts Anziehendes darbot. Hitze und übler Geruch (car l’humanité catholique puê autant qú une autre) ver- trieben mich daher ſchon nach wenigen Minuten. Abends amüſirte ich mich beſſer in den Vorſtellun- gen andrer Charlatans, nämlich einer Geſellſchaft ſo- genannter engliſcher Reiter, die hier zu Hauſe ſind. Herr Adam, in ſeiner Art wirklich: le premier des hommes, dirigirte die „Akademie,“ welche dieſen Namen beſſer wie manche andere verdiente. Man ſah mit Vergnügen gegen zwanzig elegant gekleidete junge Leute, faſt Alle mit gleicher Geſchicklichkeit agi- ren, und durch die künſtliche Verwirrung, Mannich- faltigkeit, Schwierigkeit und reiſſende Schnelle ihrer Bewegungen das Auge oft, gleich einem Chaos, mit Diſſonanzen betäuben, die ſich im Augenblick darauf in die anmuthigſte Harmonie auflöſen. Noch ergötz- licher waren zwei unnachahmliche Clowns (Bajazzi), deren Glieder keinen Dienſt einer Marionette ver- ſagten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/238
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/238>, abgerufen am 20.04.2024.