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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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führt der Weg, 5 Meilen lang, durch stets wechselnde
Ansichten, die mehr dem freien Lande als einem
Parke gleichen. Endlich erreicht man einen Wald,
und hört schon von weitem das Rauschen der Falles,
ehe man ihn noch sieht. Er ist nur nach vorherge-
gangenem Regenwetter bedeutend, aber dann auch
herrlich. Die hohen Felsenwände sind an beiden Sei-
ten dicht mit Gebüsch bewachsen, durch deren buntes
Laub er sich hervorstürzt, und sein Becken umgiebt
eine duftende Wiese. An diese schließen sich alte ehr-
würdige Eichen an, unter deren Schatten man ein
dem Charakter der Gegend angemessenes, Haus auf-
geführt hat, wo man Erfrischungen erhält, daher es
auch zum gewöhnlichen Ziel der hierher gemachten
Landparthieen dient. Grüne Fußsteige führen nun
von hier noch weiter in die Wildniß des Gebürges,
da es aber schon dunkel war, mußte ich auf den
Rückweg denken. Herwärts hatte ich die weite Strecke
größtentheils im Gallop zurückgelegt, und um mich
nicht unnütz aufzuhalten, den zwölfjährigen zerlumpten
Knaben, der mich führte, hinter mir aufs Pferd ge-
nommen, unbekümmert um die Verwunderung der
Vorübergehenden, die nicht wußten, was sie aus die-
ser seltsamen Cavalkade machen sollten. In der Nacht
konnte ich dagegen nur langsam auf dem steinigen
Wege reiten, bis der Mond orangenfarben über den
Bergen heraufstieg, und sich in den Nachtnebeln, wie
eine große Papierlaterne, zu schaukeln schien. Um 11
Uhr erst gelangte ich, ermüdet und hungrig, im gast-
lichen Hause zu Bray wieder an.


führt der Weg, 5 Meilen lang, durch ſtets wechſelnde
Anſichten, die mehr dem freien Lande als einem
Parke gleichen. Endlich erreicht man einen Wald,
und hört ſchon von weitem das Rauſchen der Falles,
ehe man ihn noch ſieht. Er iſt nur nach vorherge-
gangenem Regenwetter bedeutend, aber dann auch
herrlich. Die hohen Felſenwände ſind an beiden Sei-
ten dicht mit Gebüſch bewachſen, durch deren buntes
Laub er ſich hervorſtürzt, und ſein Becken umgiebt
eine duftende Wieſe. An dieſe ſchließen ſich alte ehr-
würdige Eichen an, unter deren Schatten man ein
dem Charakter der Gegend angemeſſenes, Haus auf-
geführt hat, wo man Erfriſchungen erhält, daher es
auch zum gewöhnlichen Ziel der hierher gemachten
Landparthieen dient. Grüne Fußſteige führen nun
von hier noch weiter in die Wildniß des Gebürges,
da es aber ſchon dunkel war, mußte ich auf den
Rückweg denken. Herwärts hatte ich die weite Strecke
größtentheils im Gallop zurückgelegt, und um mich
nicht unnütz aufzuhalten, den zwölfjährigen zerlumpten
Knaben, der mich führte, hinter mir aufs Pferd ge-
nommen, unbekümmert um die Verwunderung der
Vorübergehenden, die nicht wußten, was ſie aus die-
ſer ſeltſamen Cavalkade machen ſollten. In der Nacht
konnte ich dagegen nur langſam auf dem ſteinigen
Wege reiten, bis der Mond orangenfarben über den
Bergen heraufſtieg, und ſich in den Nachtnebeln, wie
eine große Papierlaterne, zu ſchaukeln ſchien. Um 11
Uhr erſt gelangte ich, ermüdet und hungrig, im gaſt-
lichen Hauſe zu Bray wieder an.


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[204/0228] führt der Weg, 5 Meilen lang, durch ſtets wechſelnde Anſichten, die mehr dem freien Lande als einem Parke gleichen. Endlich erreicht man einen Wald, und hört ſchon von weitem das Rauſchen der Falles, ehe man ihn noch ſieht. Er iſt nur nach vorherge- gangenem Regenwetter bedeutend, aber dann auch herrlich. Die hohen Felſenwände ſind an beiden Sei- ten dicht mit Gebüſch bewachſen, durch deren buntes Laub er ſich hervorſtürzt, und ſein Becken umgiebt eine duftende Wieſe. An dieſe ſchließen ſich alte ehr- würdige Eichen an, unter deren Schatten man ein dem Charakter der Gegend angemeſſenes, Haus auf- geführt hat, wo man Erfriſchungen erhält, daher es auch zum gewöhnlichen Ziel der hierher gemachten Landparthieen dient. Grüne Fußſteige führen nun von hier noch weiter in die Wildniß des Gebürges, da es aber ſchon dunkel war, mußte ich auf den Rückweg denken. Herwärts hatte ich die weite Strecke größtentheils im Gallop zurückgelegt, und um mich nicht unnütz aufzuhalten, den zwölfjährigen zerlumpten Knaben, der mich führte, hinter mir aufs Pferd ge- nommen, unbekümmert um die Verwunderung der Vorübergehenden, die nicht wußten, was ſie aus die- ſer ſeltſamen Cavalkade machen ſollten. In der Nacht konnte ich dagegen nur langſam auf dem ſteinigen Wege reiten, bis der Mond orangenfarben über den Bergen heraufſtieg, und ſich in den Nachtnebeln, wie eine große Papierlaterne, zu ſchaukeln ſchien. Um 11 Uhr erſt gelangte ich, ermüdet und hungrig, im gaſt- lichen Hauſe zu Bray wieder an.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/228>, abgerufen am 28.03.2024.