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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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Eine vortrefflich unterhaltne Straße führt von hier
nach dem entire vale und dem Park von Bally Ar-
thur. Dieses Thal hat das Eigenthümliche, daß die
Berge, auf beiden Seiten, so undurchdringlich dicht
mit Buchen bewaldet sind, daß kein sichtlicher Zwi-
schenraum der Massen bleibt, und es wirklich scheint,
als könne man auf den Baumgipfeln herabsteigen.
Ich verließ hier die Straße, und folgte einem Fuß-
steig, im Dickicht, der mich zu einer sehr schönen Aus-
sicht führte, wo, am Ende der langen Schlucht, die
Thürme von Arcklow, wie in Rahm gefaßt, erschei-
nen. Eine halbe Stunde später endete er aber plötz-
lich und brachte mich an ein Aha, welches mein Pferd
durchaus nicht überspringen wollte. Da sich die her-
abgehende Mauer diesseits befand, und der Rasen
darunter weich war, so ergriff ich, in der Noth, ein
neues Mittel, nämlich, ich verband dem widerspensti-
gen Thier die Augen, und stieß es rückwärts von der
Mauer herab. Der Fall erschreckte das geblendete
Pferd wenig, that ihm aber, wie ich vorausgesehen,
nicht den geringsten Schaden, und ruhig mit der
Blindekuhbinde grasend, erwartete es nachher meine
Ankunft. Dies Manoeuvre ersparte mir wenigstens
5 Meilen Weg. Der neue Park in dem ich mich
nun befand -- denn dieser ganze Theil der Grafschaft
ist fast eine fortlaufende Anlage, durch Kunst verschö-
nerter Natur -- gehörte zu Shelton Abbey, auch
eine moderne "Gothischerey," die ein altes Kloster
vorstellen sollte. Die Herrschaft war schon Jahrelang
abwesend, und ein Neger, der im Garten arbeitete,

Eine vortrefflich unterhaltne Straße führt von hier
nach dem entire vale und dem Park von Bally Ar-
thur. Dieſes Thal hat das Eigenthümliche, daß die
Berge, auf beiden Seiten, ſo undurchdringlich dicht
mit Buchen bewaldet ſind, daß kein ſichtlicher Zwi-
ſchenraum der Maſſen bleibt, und es wirklich ſcheint,
als könne man auf den Baumgipfeln herabſteigen.
Ich verließ hier die Straße, und folgte einem Fuß-
ſteig, im Dickicht, der mich zu einer ſehr ſchönen Aus-
ſicht führte, wo, am Ende der langen Schlucht, die
Thürme von Arcklow, wie in Rahm gefaßt, erſchei-
nen. Eine halbe Stunde ſpäter endete er aber plötz-
lich und brachte mich an ein Aha, welches mein Pferd
durchaus nicht überſpringen wollte. Da ſich die her-
abgehende Mauer dieſſeits befand, und der Raſen
darunter weich war, ſo ergriff ich, in der Noth, ein
neues Mittel, nämlich, ich verband dem widerſpenſti-
gen Thier die Augen, und ſtieß es rückwärts von der
Mauer herab. Der Fall erſchreckte das geblendete
Pferd wenig, that ihm aber, wie ich vorausgeſehen,
nicht den geringſten Schaden, und ruhig mit der
Blindekuhbinde graſend, erwartete es nachher meine
Ankunft. Dies Manoeuvre erſparte mir wenigſtens
5 Meilen Weg. Der neue Park in dem ich mich
nun befand — denn dieſer ganze Theil der Grafſchaft
iſt faſt eine fortlaufende Anlage, durch Kunſt verſchö-
nerter Natur — gehörte zu Shelton Abbey, auch
eine moderne „Gothiſcherey,“ die ein altes Kloſter
vorſtellen ſollte. Die Herrſchaft war ſchon Jahrelang
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[184/0208] Eine vortrefflich unterhaltne Straße führt von hier nach dem entire vale und dem Park von Bally Ar- thur. Dieſes Thal hat das Eigenthümliche, daß die Berge, auf beiden Seiten, ſo undurchdringlich dicht mit Buchen bewaldet ſind, daß kein ſichtlicher Zwi- ſchenraum der Maſſen bleibt, und es wirklich ſcheint, als könne man auf den Baumgipfeln herabſteigen. Ich verließ hier die Straße, und folgte einem Fuß- ſteig, im Dickicht, der mich zu einer ſehr ſchönen Aus- ſicht führte, wo, am Ende der langen Schlucht, die Thürme von Arcklow, wie in Rahm gefaßt, erſchei- nen. Eine halbe Stunde ſpäter endete er aber plötz- lich und brachte mich an ein Aha, welches mein Pferd durchaus nicht überſpringen wollte. Da ſich die her- abgehende Mauer dieſſeits befand, und der Raſen darunter weich war, ſo ergriff ich, in der Noth, ein neues Mittel, nämlich, ich verband dem widerſpenſti- gen Thier die Augen, und ſtieß es rückwärts von der Mauer herab. Der Fall erſchreckte das geblendete Pferd wenig, that ihm aber, wie ich vorausgeſehen, nicht den geringſten Schaden, und ruhig mit der Blindekuhbinde graſend, erwartete es nachher meine Ankunft. Dies Manoeuvre erſparte mir wenigſtens 5 Meilen Weg. Der neue Park in dem ich mich nun befand — denn dieſer ganze Theil der Grafſchaft iſt faſt eine fortlaufende Anlage, durch Kunſt verſchö- nerter Natur — gehörte zu Shelton Abbey, auch eine moderne „Gothiſcherey,“ die ein altes Kloſter vorſtellen ſollte. Die Herrſchaft war ſchon Jahrelang abweſend, und ein Neger, der im Garten arbeitete,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/208>, abgerufen am 28.03.2024.