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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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die, mit Pflanzenbuch und Gebürgshammer bewaff-
net, schon seit Wochen hier hausten, und eben so ord-
nungsmäßig, als in einem Londner Coffeehause, ihr
reines Tischtuch von dem schmutzigen Tische zum De-
sert abnehmen ließen, und eine Stunde bei diesem
sitzen blieben, obgleich sie dazu, statt Claret, nur elen-
den Krätzer, und statt reifer Früchte, nichts als ge-
bratne Aepfel bekommen konnten.

Um 7 Uhr stieg ich wieder zu Pferde, und gallo-
pirte 10 Meilen auf der großen Heerstraße fort, bis
ich noch vor Sonnenuntergang das wunderherrliche
Avondale (Thal des Avon) erreichte. In diesem Pa-
radiese ist wirklich alles Reizende vereinigt. -- Ein
endlos scheinender Wald, zwei prächtige Flüsse, viel-
formige pittoreske Felsen, die frischesten Wiesen, alle
Arten von Laub- und Nadelhölzern, in höchster Uep-
pigkeit; fortwährend eine mit jedem Schritt abwech-
selnde, aber nie geringer erscheinende Natur. Ich
hätte, da ich den letzten Theil des Thales bei Mon-
denschein durchzog, meinen Weg schwer aufgefunden,
wenn nicht ein junger Herr, der von der Jagd zu-
rückkam, mit ächt irländischer Gefälligkeit, mich wohl
3 Meilen weit über die difficilsten Stellen zu Fuß
begleitet hätte. Die Nacht war äußerst klar und
milde, der Himmel so blau wie am Tage, und der
Mond glänzend wie Edelstein. Obgleich ich an den
Fernaussichten verlor, gewann ich auf der andern
Seite vielleicht mehr, durch den magischen Schein der
die Luft durchdrang, durch die dunkler, aber auch
phantastischer hervortretenden Contoure der Felsen,

die, mit Pflanzenbuch und Gebürgshammer bewaff-
net, ſchon ſeit Wochen hier hausten, und eben ſo ord-
nungsmäßig, als in einem Londner Coffeehauſe, ihr
reines Tiſchtuch von dem ſchmutzigen Tiſche zum De-
ſert abnehmen ließen, und eine Stunde bei dieſem
ſitzen blieben, obgleich ſie dazu, ſtatt Claret, nur elen-
den Krätzer, und ſtatt reifer Früchte, nichts als ge-
bratne Aepfel bekommen konnten.

Um 7 Uhr ſtieg ich wieder zu Pferde, und gallo-
pirte 10 Meilen auf der großen Heerſtraße fort, bis
ich noch vor Sonnenuntergang das wunderherrliche
Avondale (Thal des Avon) erreichte. In dieſem Pa-
radieſe iſt wirklich alles Reizende vereinigt. — Ein
endlos ſcheinender Wald, zwei prächtige Flüſſe, viel-
formige pittoreske Felſen, die friſcheſten Wieſen, alle
Arten von Laub- und Nadelhölzern, in höchſter Uep-
pigkeit; fortwährend eine mit jedem Schritt abwech-
ſelnde, aber nie geringer erſcheinende Natur. Ich
hätte, da ich den letzten Theil des Thales bei Mon-
denſchein durchzog, meinen Weg ſchwer aufgefunden,
wenn nicht ein junger Herr, der von der Jagd zu-
rückkam, mit ächt irländiſcher Gefälligkeit, mich wohl
3 Meilen weit über die difficilſten Stellen zu Fuß
begleitet hätte. Die Nacht war äußerſt klar und
milde, der Himmel ſo blau wie am Tage, und der
Mond glänzend wie Edelſtein. Obgleich ich an den
Fernausſichten verlor, gewann ich auf der andern
Seite vielleicht mehr, durch den magiſchen Schein der
die Luft durchdrang, durch die dunkler, aber auch
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[181/0205] die, mit Pflanzenbuch und Gebürgshammer bewaff- net, ſchon ſeit Wochen hier hausten, und eben ſo ord- nungsmäßig, als in einem Londner Coffeehauſe, ihr reines Tiſchtuch von dem ſchmutzigen Tiſche zum De- ſert abnehmen ließen, und eine Stunde bei dieſem ſitzen blieben, obgleich ſie dazu, ſtatt Claret, nur elen- den Krätzer, und ſtatt reifer Früchte, nichts als ge- bratne Aepfel bekommen konnten. Um 7 Uhr ſtieg ich wieder zu Pferde, und gallo- pirte 10 Meilen auf der großen Heerſtraße fort, bis ich noch vor Sonnenuntergang das wunderherrliche Avondale (Thal des Avon) erreichte. In dieſem Pa- radieſe iſt wirklich alles Reizende vereinigt. — Ein endlos ſcheinender Wald, zwei prächtige Flüſſe, viel- formige pittoreske Felſen, die friſcheſten Wieſen, alle Arten von Laub- und Nadelhölzern, in höchſter Uep- pigkeit; fortwährend eine mit jedem Schritt abwech- ſelnde, aber nie geringer erſcheinende Natur. Ich hätte, da ich den letzten Theil des Thales bei Mon- denſchein durchzog, meinen Weg ſchwer aufgefunden, wenn nicht ein junger Herr, der von der Jagd zu- rückkam, mit ächt irländiſcher Gefälligkeit, mich wohl 3 Meilen weit über die difficilſten Stellen zu Fuß begleitet hätte. Die Nacht war äußerſt klar und milde, der Himmel ſo blau wie am Tage, und der Mond glänzend wie Edelſtein. Obgleich ich an den Fernausſichten verlor, gewann ich auf der andern Seite vielleicht mehr, durch den magiſchen Schein der die Luft durchdrang, durch die dunkler, aber auch phantaſtiſcher hervortretenden Contoure der Felſen,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/205>, abgerufen am 29.03.2024.