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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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ches, in Irland aber Seltnes, was daher auch keinen
vortheilhaften Schluß auf die Humanität des Besi-
tzers machen läßt. Mein Begleiter, der ein Anhän-
ger der grace efficace ist, d. h. fest überzeugt: daß
Gott im Voraus seine Lieblinge für den Himmel,
Andere, die ihm weniger gefallen, aber für die Hölle
bestimme -- zweifelte in seinem Zorne nicht, daß der
Besitzer von Kilruddery zu den letztern gehören müsse.
"Es ist eine Schande für einen Irländer!" rief er
entrüstet, und ich hatte Mühe, ihm die Pflicht der
Toleranz begreiflich zu machen. Ein zweiter Park,
Bellevaue, einem würdigen alten Gentleman gehörig,
öffnete uns bereitwilliger seine Thore. Hier ist über
dem glen of the downs, einem tiefen Abgrund, hin-
ter welchen zwei ausgebrannte Vulkane wie spitze Ke-
gel sich erheben, ein Ruhesitz erbaut, der in der Luft
zu hängen scheint. Man hatte diesen Pavillon sehr
artig mit rothblühender Haide gedeckt. Weniger gut
ausgedacht war ein im Vorzimmer, wie lebendig da-
liegender, ausgestopfter Tiger.

Hier verließ mich mein Reisekaplan, und ich ritt
allein weiter nach dem Thal von Dunvan, wo in ei-
nem engen romantischen Passe ein Felsen von 80 bis
100 Fuß Höhe steht, der die groben Umrisse eines
Menschen darstellt, und daher von den Landleuten,
die manche Mährchen von ihm erzählen, der Riese ge-
nannt wird. Nicht weit davon findet man die Rui-
nen eines so ganz mit Epheustämmen überwachsenen
Schlosses, daß man nahe davor stehen muß, um es
von den umgebenden Bäumen unterscheiden zu kön-

ches, in Irland aber Seltnes, was daher auch keinen
vortheilhaften Schluß auf die Humanität des Beſi-
tzers machen läßt. Mein Begleiter, der ein Anhän-
ger der grace efficace iſt, d. h. feſt überzeugt: daß
Gott im Voraus ſeine Lieblinge für den Himmel,
Andere, die ihm weniger gefallen, aber für die Hölle
beſtimme — zweifelte in ſeinem Zorne nicht, daß der
Beſitzer von Kilruddery zu den letztern gehören müſſe.
„Es iſt eine Schande für einen Irländer!“ rief er
entrüſtet, und ich hatte Mühe, ihm die Pflicht der
Toleranz begreiflich zu machen. Ein zweiter Park,
Bellevûe, einem würdigen alten Gentleman gehörig,
öffnete uns bereitwilliger ſeine Thore. Hier iſt über
dem glen of the downs, einem tiefen Abgrund, hin-
ter welchen zwei ausgebrannte Vulkane wie ſpitze Ke-
gel ſich erheben, ein Ruheſitz erbaut, der in der Luft
zu hängen ſcheint. Man hatte dieſen Pavillon ſehr
artig mit rothblühender Haide gedeckt. Weniger gut
ausgedacht war ein im Vorzimmer, wie lebendig da-
liegender, ausgeſtopfter Tiger.

Hier verließ mich mein Reiſekaplan, und ich ritt
allein weiter nach dem Thal von Dunvan, wo in ei-
nem engen romantiſchen Paſſe ein Felſen von 80 bis
100 Fuß Höhe ſteht, der die groben Umriſſe eines
Menſchen darſtellt, und daher von den Landleuten,
die manche Mährchen von ihm erzählen, der Rieſe ge-
nannt wird. Nicht weit davon findet man die Rui-
nen eines ſo ganz mit Epheuſtämmen überwachſenen
Schloſſes, daß man nahe davor ſtehen muß, um es
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[179/0203] ches, in Irland aber Seltnes, was daher auch keinen vortheilhaften Schluß auf die Humanität des Beſi- tzers machen läßt. Mein Begleiter, der ein Anhän- ger der grace efficace iſt, d. h. feſt überzeugt: daß Gott im Voraus ſeine Lieblinge für den Himmel, Andere, die ihm weniger gefallen, aber für die Hölle beſtimme — zweifelte in ſeinem Zorne nicht, daß der Beſitzer von Kilruddery zu den letztern gehören müſſe. „Es iſt eine Schande für einen Irländer!“ rief er entrüſtet, und ich hatte Mühe, ihm die Pflicht der Toleranz begreiflich zu machen. Ein zweiter Park, Bellevûe, einem würdigen alten Gentleman gehörig, öffnete uns bereitwilliger ſeine Thore. Hier iſt über dem glen of the downs, einem tiefen Abgrund, hin- ter welchen zwei ausgebrannte Vulkane wie ſpitze Ke- gel ſich erheben, ein Ruheſitz erbaut, der in der Luft zu hängen ſcheint. Man hatte dieſen Pavillon ſehr artig mit rothblühender Haide gedeckt. Weniger gut ausgedacht war ein im Vorzimmer, wie lebendig da- liegender, ausgeſtopfter Tiger. Hier verließ mich mein Reiſekaplan, und ich ritt allein weiter nach dem Thal von Dunvan, wo in ei- nem engen romantiſchen Paſſe ein Felſen von 80 bis 100 Fuß Höhe ſteht, der die groben Umriſſe eines Menſchen darſtellt, und daher von den Landleuten, die manche Mährchen von ihm erzählen, der Rieſe ge- nannt wird. Nicht weit davon findet man die Rui- nen eines ſo ganz mit Epheuſtämmen überwachſenen Schloſſes, daß man nahe davor ſtehen muß, um es von den umgebenden Bäumen unterſcheiden zu kön-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/203>, abgerufen am 25.04.2024.