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Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886.

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Robespierre wie unter Ludwig XIV., unter den Napoleon's so wenig wie unter der dritten Republik.

In den Vereinigten Staaten von Amerika aber hat, wie der große deutsche Staatsgelehrte, Robert v. Mohl, es ausdrückt: "Die Verbindung des englischen Rechts im Einzelnen mit der demokratischen Einrichtung des Staates eine Summe von Freiheit zu Wege gebracht, wie sie in diesem Maaße die Welt noch niemals gesehen hat." Zwei gewaltige staatliche Aufgaben, deren Lösbarkeit von ernsten Denkern der alten Welt geradezu verneint worden, hat dies jugendkräftige Volk gleichsam spielend gelöst. Indem es die neue Form der repräsentativen Demokratie schuf, bewies es die Möglichkeit der republikanischen Staatsverfassung für einen modernen Großstaat, und indem es die neue Form des Bundesstaats schuf, bewies es die Möglichkeit einer mächtigen staatlichen Einheit unter weitgehendster Berücksichtigung der partikularen Interessen, die Möglichkeit einer Verbindung kräftigster Centralisation mit freiester, bis zu staatlicher Selbstständigkeit gehender Decentralisation. Eine so schöpferische Kraft bewies das Prinzip der Ungebundenheit und Freiheit, welches hier zur Herrschaft erhoben war. Selten oder nie hat die Verfassung eines Staates die ganze Menschheit so bereichert, als jene Urkunde, die mit den stolzen Worten beginnt: "We, the people of the United States!"

Aber - wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten. Die Freiheit des Individuums, welche all' dies Herrliche geschaffen, artete gar leicht zu pflichtvergessener Selbstsucht aus, der schöpferische praktische Sinn zu ödem Banausierthum, welches keine andern Interessen als die höchst praktischen des eigenen Geldbeutels kennt.

Diese verderbliche Richtung äußerte sich im Süden der Union in der leidenschaftlichen Vertheidigung der Sklaverei,

Robespierre wie unter Ludwig XIV., unter den Napoléon’s so wenig wie unter der dritten Republik.

In den Vereinigten Staaten von Amerika aber hat, wie der große deutsche Staatsgelehrte, Robert v. Mohl, es ausdrückt: „Die Verbindung des englischen Rechts im Einzelnen mit der demokratischen Einrichtung des Staates eine Summe von Freiheit zu Wege gebracht, wie sie in diesem Maaße die Welt noch niemals gesehen hat.“ Zwei gewaltige staatliche Aufgaben, deren Lösbarkeit von ernsten Denkern der alten Welt geradezu verneint worden, hat dies jugendkräftige Volk gleichsam spielend gelöst. Indem es die neue Form der repräsentativen Demokratie schuf, bewies es die Möglichkeit der republikanischen Staatsverfassung für einen modernen Großstaat, und indem es die neue Form des Bundesstaats schuf, bewies es die Möglichkeit einer mächtigen staatlichen Einheit unter weitgehendster Berücksichtigung der partikularen Interessen, die Möglichkeit einer Verbindung kräftigster Centralisation mit freiester, bis zu staatlicher Selbstständigkeit gehender Decentralisation. Eine so schöpferische Kraft bewies das Prinzip der Ungebundenheit und Freiheit, welches hier zur Herrschaft erhoben war. Selten oder nie hat die Verfassung eines Staates die ganze Menschheit so bereichert, als jene Urkunde, die mit den stolzen Worten beginnt: „We, the people of the United States!

Aber – wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten. Die Freiheit des Individuums, welche all’ dies Herrliche geschaffen, artete gar leicht zu pflichtvergessener Selbstsucht aus, der schöpferische praktische Sinn zu ödem Banausierthum, welches keine andern Interessen als die höchst praktischen des eigenen Geldbeutels kennt.

Diese verderbliche Richtung äußerte sich im Süden der Union in der leidenschaftlichen Vertheidigung der Sklaverei,

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[29/0029] Robespierre wie unter Ludwig XIV., unter den Napoléon’s so wenig wie unter der dritten Republik. In den Vereinigten Staaten von Amerika aber hat, wie der große deutsche Staatsgelehrte, Robert v. Mohl, es ausdrückt: „Die Verbindung des englischen Rechts im Einzelnen mit der demokratischen Einrichtung des Staates eine Summe von Freiheit zu Wege gebracht, wie sie in diesem Maaße die Welt noch niemals gesehen hat.“ Zwei gewaltige staatliche Aufgaben, deren Lösbarkeit von ernsten Denkern der alten Welt geradezu verneint worden, hat dies jugendkräftige Volk gleichsam spielend gelöst. Indem es die neue Form der repräsentativen Demokratie schuf, bewies es die Möglichkeit der republikanischen Staatsverfassung für einen modernen Großstaat, und indem es die neue Form des Bundesstaats schuf, bewies es die Möglichkeit einer mächtigen staatlichen Einheit unter weitgehendster Berücksichtigung der partikularen Interessen, die Möglichkeit einer Verbindung kräftigster Centralisation mit freiester, bis zu staatlicher Selbstständigkeit gehender Decentralisation. Eine so schöpferische Kraft bewies das Prinzip der Ungebundenheit und Freiheit, welches hier zur Herrschaft erhoben war. Selten oder nie hat die Verfassung eines Staates die ganze Menschheit so bereichert, als jene Urkunde, die mit den stolzen Worten beginnt: „We, the people of the United States!“ Aber – wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten. Die Freiheit des Individuums, welche all’ dies Herrliche geschaffen, artete gar leicht zu pflichtvergessener Selbstsucht aus, der schöpferische praktische Sinn zu ödem Banausierthum, welches keine andern Interessen als die höchst praktischen des eigenen Geldbeutels kennt. Diese verderbliche Richtung äußerte sich im Süden der Union in der leidenschaftlichen Vertheidigung der Sklaverei,

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Zitationshilfe: Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuss_franz_1886/29>, abgerufen am 16.04.2024.