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Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886.

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die kostbare Grundlage der altenglischen Freiheit, das Selfgovernment mit Allem, was zu ihm gehörte an Institutionen sowohl wie freiem Sinn, hinübergebracht, und dies Samenkorn politischer Freiheit in den jungfräulichen Boden gesenkt. Herrlich war es in Blüthe geschossen. Hier, im Kampfe um den neuen Continent, hatte sich die Ueberlegenheit des germanischen Geistes der Selbstbestimmung über romanische Gebundenheit siegreich bewährt. Einst war der ganze gewaltige Erdtheil von Romanen beherrscht; auf dem schmalen Küstenstrich Neu-Englands gründeten Geistesbrüder Cromwell's ihr kleines Gemeinwesen, im Norden, Süden und Westen von Franzosen und Spaniern umringt. Aber jene waren freie Männer, gewohnt und gewillt auf eignen Füßen zu stehen; sie kannten keinen absoluten König, der sie schützte, keinen unfehlbaren Klerus, der für sie betete; ein Jeder war sein eigner Schutzherr und sein eigner Priester. Eine kurze Spanne Zeit, und die französischen Staatenbildungen sanken dahin, zerstoben wie Spreu vor'm Winde. Die alten romanischen Niederlassungen vegetiren als armselige Staatswesen, die nicht leben, nicht sterben können; aus den kleinen Gemeinwesen Neu-England's ist eine Macht hervorgegangen, die stolz neben die ersten der Welt zu treten vermag.

Hier, unter diesem der Freiheit gewohnten, thatkräftigen Volke ward der Zug einer neuen Zeit, der mit dem letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts sich erhob, zuerst zur That; hier folgte auf siegreichen Freiheitskampf die Anerkennung der Menschenrechte. Für das alte Europa ward Frankreich der Uebermittler dieses Geistes, die französische Revolution war der europäische Widerhall des amerikanischen Befreiungskrieges. Aber diese französische Uebersetzung taugte nicht viel, denn dem romanischen Stamm sind die Grundlagen wahrer politischer Freiheit fremd; Frankreich selbst war so wenig frei unter

die kostbare Grundlage der altenglischen Freiheit, das Selfgovernment mit Allem, was zu ihm gehörte an Institutionen sowohl wie freiem Sinn, hinübergebracht, und dies Samenkorn politischer Freiheit in den jungfräulichen Boden gesenkt. Herrlich war es in Blüthe geschossen. Hier, im Kampfe um den neuen Continent, hatte sich die Ueberlegenheit des germanischen Geistes der Selbstbestimmung über romanische Gebundenheit siegreich bewährt. Einst war der ganze gewaltige Erdtheil von Romanen beherrscht; auf dem schmalen Küstenstrich Neu-Englands gründeten Geistesbrüder Cromwell’s ihr kleines Gemeinwesen, im Norden, Süden und Westen von Franzosen und Spaniern umringt. Aber jene waren freie Männer, gewohnt und gewillt auf eignen Füßen zu stehen; sie kannten keinen absoluten König, der sie schützte, keinen unfehlbaren Klerus, der für sie betete; ein Jeder war sein eigner Schutzherr und sein eigner Priester. Eine kurze Spanne Zeit, und die französischen Staatenbildungen sanken dahin, zerstoben wie Spreu vor’m Winde. Die alten romanischen Niederlassungen vegetiren als armselige Staatswesen, die nicht leben, nicht sterben können; aus den kleinen Gemeinwesen Neu-England’s ist eine Macht hervorgegangen, die stolz neben die ersten der Welt zu treten vermag.

Hier, unter diesem der Freiheit gewohnten, thatkräftigen Volke ward der Zug einer neuen Zeit, der mit dem letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts sich erhob, zuerst zur That; hier folgte auf siegreichen Freiheitskampf die Anerkennung der Menschenrechte. Für das alte Europa ward Frankreich der Uebermittler dieses Geistes, die französische Revolution war der europäische Widerhall des amerikanischen Befreiungskrieges. Aber diese französische Uebersetzung taugte nicht viel, denn dem romanischen Stamm sind die Grundlagen wahrer politischer Freiheit fremd; Frankreich selbst war so wenig frei unter

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[28/0028] die kostbare Grundlage der altenglischen Freiheit, das Selfgovernment mit Allem, was zu ihm gehörte an Institutionen sowohl wie freiem Sinn, hinübergebracht, und dies Samenkorn politischer Freiheit in den jungfräulichen Boden gesenkt. Herrlich war es in Blüthe geschossen. Hier, im Kampfe um den neuen Continent, hatte sich die Ueberlegenheit des germanischen Geistes der Selbstbestimmung über romanische Gebundenheit siegreich bewährt. Einst war der ganze gewaltige Erdtheil von Romanen beherrscht; auf dem schmalen Küstenstrich Neu-Englands gründeten Geistesbrüder Cromwell’s ihr kleines Gemeinwesen, im Norden, Süden und Westen von Franzosen und Spaniern umringt. Aber jene waren freie Männer, gewohnt und gewillt auf eignen Füßen zu stehen; sie kannten keinen absoluten König, der sie schützte, keinen unfehlbaren Klerus, der für sie betete; ein Jeder war sein eigner Schutzherr und sein eigner Priester. Eine kurze Spanne Zeit, und die französischen Staatenbildungen sanken dahin, zerstoben wie Spreu vor’m Winde. Die alten romanischen Niederlassungen vegetiren als armselige Staatswesen, die nicht leben, nicht sterben können; aus den kleinen Gemeinwesen Neu-England’s ist eine Macht hervorgegangen, die stolz neben die ersten der Welt zu treten vermag. Hier, unter diesem der Freiheit gewohnten, thatkräftigen Volke ward der Zug einer neuen Zeit, der mit dem letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts sich erhob, zuerst zur That; hier folgte auf siegreichen Freiheitskampf die Anerkennung der Menschenrechte. Für das alte Europa ward Frankreich der Uebermittler dieses Geistes, die französische Revolution war der europäische Widerhall des amerikanischen Befreiungskrieges. Aber diese französische Uebersetzung taugte nicht viel, denn dem romanischen Stamm sind die Grundlagen wahrer politischer Freiheit fremd; Frankreich selbst war so wenig frei unter

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Zitationshilfe: Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuss_franz_1886/28>, abgerufen am 18.04.2024.