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Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886.

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leben; von Hause war er ohne Mittel; jede Aussicht auf Anstellung war ihm benommen. In dieser verzweifelten Lage ward auch er von einer Bewegung ergriffen, die, damals beginnend, einige Jahre hindurch in Europa und besonders in Deutschland gleich einem ansteckenden Fieber grassirte. Die Todtenstille, in welche die Politik Metternich's und der heiligen Alliance Europa versenkte, ward plötzlich unterbrochen von lautem Kriegsruf aus Südosten, und dieser Kriegsruf erschallte im Namen der Freiheit. Griechenland erhob sich gegen die türkische Herrschaft. Alle Gemüther, denen die stagnirende Ruhe verhaßt war, die begeistert wurden von dem so lange nicht vernommenen Klange des süßen Wortes Freiheit, wandten sich mit fieberhaft erregtem Interesse dem beginnenden Kampfe zu. Und das Volk, das sich für die Freiheit erhob, trug ja den hochheiligen Namen der Griechen, mit dem besonders für die klassisch gebildeten Deutschen alles schöne, edle und hohe untrennbar verschwistert war: und es galt auch einer Erneuerung des alten Kampfes des Christenthums gegen den Islam; die Griechen trugen die Fahne des Kreuzes gegen den Halbmond; wie vor uralten Zeiten stand Europa wider Asien. Das Andenken der Perserkriege und der Kreuzzüge erwachte zugleich; man gedachte des Leonidas und Miltiades und der deutschen Kreuzritter Barbarossa's. So schauten denn die edelsten, hochgesinntesten Männer Deutschlands, Europa's gen Südosten, "das Land der Griechen mit der Seele suchend".

Die nüchterne Betrachtung der Wirklichkeit verstummte vor dieser allgemeinen Begeisterung; man sah nicht, welch' wunderliche Freiheitshelden das waren, die sich auf Hellas' klassischem Boden erhoben; man bedachte nicht, daß diese verkommenen Slaven mit den Landsleuten des Miltiades und Leonidas gar nichts als den Namen gemein hatten, und daß ihr Christenthum

leben; von Hause war er ohne Mittel; jede Aussicht auf Anstellung war ihm benommen. In dieser verzweifelten Lage ward auch er von einer Bewegung ergriffen, die, damals beginnend, einige Jahre hindurch in Europa und besonders in Deutschland gleich einem ansteckenden Fieber grassirte. Die Todtenstille, in welche die Politik Metternich’s und der heiligen Alliance Europa versenkte, ward plötzlich unterbrochen von lautem Kriegsruf aus Südosten, und dieser Kriegsruf erschallte im Namen der Freiheit. Griechenland erhob sich gegen die türkische Herrschaft. Alle Gemüther, denen die stagnirende Ruhe verhaßt war, die begeistert wurden von dem so lange nicht vernommenen Klange des süßen Wortes Freiheit, wandten sich mit fieberhaft erregtem Interesse dem beginnenden Kampfe zu. Und das Volk, das sich für die Freiheit erhob, trug ja den hochheiligen Namen der Griechen, mit dem besonders für die klassisch gebildeten Deutschen alles schöne, edle und hohe untrennbar verschwistert war: und es galt auch einer Erneuerung des alten Kampfes des Christenthums gegen den Islam; die Griechen trugen die Fahne des Kreuzes gegen den Halbmond; wie vor uralten Zeiten stand Europa wider Asien. Das Andenken der Perserkriege und der Kreuzzüge erwachte zugleich; man gedachte des Leonidas und Miltiades und der deutschen Kreuzritter Barbarossa’s. So schauten denn die edelsten, hochgesinntesten Männer Deutschlands, Europa’s gen Südosten, „das Land der Griechen mit der Seele suchend“.

Die nüchterne Betrachtung der Wirklichkeit verstummte vor dieser allgemeinen Begeisterung; man sah nicht, welch’ wunderliche Freiheitshelden das waren, die sich auf Hellas’ klassischem Boden erhoben; man bedachte nicht, daß diese verkommenen Slaven mit den Landsleuten des Miltiades und Leonidas gar nichts als den Namen gemein hatten, und daß ihr Christenthum

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[15/0015] leben; von Hause war er ohne Mittel; jede Aussicht auf Anstellung war ihm benommen. In dieser verzweifelten Lage ward auch er von einer Bewegung ergriffen, die, damals beginnend, einige Jahre hindurch in Europa und besonders in Deutschland gleich einem ansteckenden Fieber grassirte. Die Todtenstille, in welche die Politik Metternich’s und der heiligen Alliance Europa versenkte, ward plötzlich unterbrochen von lautem Kriegsruf aus Südosten, und dieser Kriegsruf erschallte im Namen der Freiheit. Griechenland erhob sich gegen die türkische Herrschaft. Alle Gemüther, denen die stagnirende Ruhe verhaßt war, die begeistert wurden von dem so lange nicht vernommenen Klange des süßen Wortes Freiheit, wandten sich mit fieberhaft erregtem Interesse dem beginnenden Kampfe zu. Und das Volk, das sich für die Freiheit erhob, trug ja den hochheiligen Namen der Griechen, mit dem besonders für die klassisch gebildeten Deutschen alles schöne, edle und hohe untrennbar verschwistert war: und es galt auch einer Erneuerung des alten Kampfes des Christenthums gegen den Islam; die Griechen trugen die Fahne des Kreuzes gegen den Halbmond; wie vor uralten Zeiten stand Europa wider Asien. Das Andenken der Perserkriege und der Kreuzzüge erwachte zugleich; man gedachte des Leonidas und Miltiades und der deutschen Kreuzritter Barbarossa’s. So schauten denn die edelsten, hochgesinntesten Männer Deutschlands, Europa’s gen Südosten, „das Land der Griechen mit der Seele suchend“. Die nüchterne Betrachtung der Wirklichkeit verstummte vor dieser allgemeinen Begeisterung; man sah nicht, welch’ wunderliche Freiheitshelden das waren, die sich auf Hellas’ klassischem Boden erhoben; man bedachte nicht, daß diese verkommenen Slaven mit den Landsleuten des Miltiades und Leonidas gar nichts als den Namen gemein hatten, und daß ihr Christenthum

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Zitationshilfe: Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuss_franz_1886/15>, abgerufen am 28.03.2024.