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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776.

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geschicktesten Lehrer. *) Sie haben nicht die
Gewohnheit, ihre Kinder in öffentliche Schu-
len zu schicken, aus Furcht sie möchten verdor-
ben werden. -- **) Dieser Fleiß in Erziehung
der Kinder erstreckt sich aber nicht bloß auf die
Vornehmen, sondern auch der gemeine Mann

läßt
*) Bey den Europäern, und sonderlich bey uns
Deutschen, pflegt man mit der Wahl der Leh-
rer nicht so behutsam zu verfahren! Wir geben
unsern Kindern einen Hofmeister oder Lehrer,
weil es der hohe Fuß so will, ohne zu untersu-
chen, ob der Hofmeister mit Nutzen bey den
Kindern sey oder nicht! -- Die vorzüglichste
und nähere Aufsicht bittet sich gemeiniglich die
Mama aus, verzieht und verdirbt nicht selten
die lieben Kinder jämmerlich. -- -- Aber man
sollte hierinn den Persern folgen. Setzt den
Kindern, wie jene, einen tüchtigen, ehrlichen
und rechtschaffenen Hofmeister vor, haltet sie
in der Jugend mit Weisheit scharf -- überlaßt
ihm Alles, und ihr werdet dem Staate gute
Kinder, zu eurer eignen Beruhigung, geliefert
haben.
**) Im Ganzen genommen haben die Perser auch
hierinn Recht. -- Eine Schule, worinn so vie-
le Kinder von mancherley Gaben und Herzen
erzogen werden, mag auch immerhin so gut
seyn, wie sie will; so bleiben ihr doch noch vie-
le Mängel übrig, die für das Herz, für die gan-
ze Denkart eines jungen Menschen höchst ge-
fährlich sind. -- Manchem hochgelahrten
Herrn Rector dürfte diese Bemerkung sehr un-
lieb seyn. Er beliebe aber nur unpartheyisch
darüber nachzudenken: alsdann wird er die
Wahrheit dieses Satzes leicht erkennen.

geſchickteſten Lehrer. *) Sie haben nicht die
Gewohnheit, ihre Kinder in oͤffentliche Schu-
len zu ſchicken, aus Furcht ſie moͤchten verdor-
ben werden. — **) Dieſer Fleiß in Erziehung
der Kinder erſtreckt ſich aber nicht bloß auf die
Vornehmen, ſondern auch der gemeine Mann

laͤßt
*) Bey den Europaͤern, und ſonderlich bey uns
Deutſchen, pflegt man mit der Wahl der Leh-
rer nicht ſo behutſam zu verfahren! Wir geben
unſern Kindern einen Hofmeiſter oder Lehrer,
weil es der hohe Fuß ſo will, ohne zu unterſu-
chen, ob der Hofmeiſter mit Nutzen bey den
Kindern ſey oder nicht! — Die vorzuͤglichſte
und naͤhere Aufſicht bittet ſich gemeiniglich die
Mama aus, verzieht und verdirbt nicht ſelten
die lieben Kinder jaͤmmerlich. — — Aber man
ſollte hierinn den Perſern folgen. Setzt den
Kindern, wie jene, einen tuͤchtigen, ehrlichen
und rechtſchaffenen Hofmeiſter vor, haltet ſie
in der Jugend mit Weisheit ſcharf — uͤberlaßt
ihm Alles, und ihr werdet dem Staate gute
Kinder, zu eurer eignen Beruhigung, geliefert
haben.
**) Im Ganzen genommen haben die Perſer auch
hierinn Recht. — Eine Schule, worinn ſo vie-
le Kinder von mancherley Gaben und Herzen
erzogen werden, mag auch immerhin ſo gut
ſeyn, wie ſie will; ſo bleiben ihr doch noch vie-
le Maͤngel uͤbrig, die fuͤr das Herz, fuͤr die gan-
ze Denkart eines jungen Menſchen hoͤchſt ge-
faͤhrlich ſind. — Manchem hochgelahrten
Herrn Rector duͤrfte dieſe Bemerkung ſehr un-
lieb ſeyn. Er beliebe aber nur unpartheyiſch
daruͤber nachzudenken: alsdann wird er die
Wahrheit dieſes Satzes leicht erkennen.
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[18/0038] geſchickteſten Lehrer. *) Sie haben nicht die Gewohnheit, ihre Kinder in oͤffentliche Schu- len zu ſchicken, aus Furcht ſie moͤchten verdor- ben werden. — **) Dieſer Fleiß in Erziehung der Kinder erſtreckt ſich aber nicht bloß auf die Vornehmen, ſondern auch der gemeine Mann laͤßt *) Bey den Europaͤern, und ſonderlich bey uns Deutſchen, pflegt man mit der Wahl der Leh- rer nicht ſo behutſam zu verfahren! Wir geben unſern Kindern einen Hofmeiſter oder Lehrer, weil es der hohe Fuß ſo will, ohne zu unterſu- chen, ob der Hofmeiſter mit Nutzen bey den Kindern ſey oder nicht! — Die vorzuͤglichſte und naͤhere Aufſicht bittet ſich gemeiniglich die Mama aus, verzieht und verdirbt nicht ſelten die lieben Kinder jaͤmmerlich. — — Aber man ſollte hierinn den Perſern folgen. Setzt den Kindern, wie jene, einen tuͤchtigen, ehrlichen und rechtſchaffenen Hofmeiſter vor, haltet ſie in der Jugend mit Weisheit ſcharf — uͤberlaßt ihm Alles, und ihr werdet dem Staate gute Kinder, zu eurer eignen Beruhigung, geliefert haben. **) Im Ganzen genommen haben die Perſer auch hierinn Recht. — Eine Schule, worinn ſo vie- le Kinder von mancherley Gaben und Herzen erzogen werden, mag auch immerhin ſo gut ſeyn, wie ſie will; ſo bleiben ihr doch noch vie- le Maͤngel uͤbrig, die fuͤr das Herz, fuͤr die gan- ze Denkart eines jungen Menſchen hoͤchſt ge- faͤhrlich ſind. — Manchem hochgelahrten Herrn Rector duͤrfte dieſe Bemerkung ſehr un- lieb ſeyn. Er beliebe aber nur unpartheyiſch daruͤber nachzudenken: alsdann wird er die Wahrheit dieſes Satzes leicht erkennen.

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Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/38>, abgerufen am 29.03.2024.