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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776.

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Im Ganzen also kann man in diesem Puncte
kein vortheilhaftes Urtheil über diese Nation
fällen.

Bey einer solchen gänzlichen Verkehrtheit
in den Handlungen und der Denkart der Per-
ser, sollte man glauben, daß sie ihre Kinder
von Jugend auf in solchen schlechten Maximen
auferzögen; daß sie sich wenig oder gar nicht
um die Erziehung derselben bekümmerten. Aber
vielleicht giebt es wenige Völker in der Welt,
die eine solche Sorgfalt auf den Unterricht und
die Erziehung der Kinder wenden, als die Per-
ser. Ja man kann beynahe sagen, daß sie sich
des Unterrichts und der Erziehung der Kinder,
im Ganzen genommen, eifriger angelegen seyn
lassen, als die sonst so civilisirten Europäer. --
Eines jeden wohlhabenden Persers erste Sorge
für seine Kinder ist die, daß er sie der Aufsicht
eines Verschnittenen (welcher vorzüglich auf
ihr sittliches Betragen achten muß) übergiebt.
Diese Eunuchen oder Verschnittene bestim-
men, mit Zuziehung der Eltern, die Wissen-
schaften, worinn die Kinder vorzüglich unter-
richtet werden sollen, *) und wählen dazu die

ge-
*) In einem der folgenden Kapitel ist angemerkt
worden, daß sich ein jeder, der auf den Na-
men eines Gelehrten Anspruch machen will, in
allen Fächern der Wissenschaften müsse umge-
sehen und gute Kenntnisse erworben haben.
Darauf wird hier der Leser verwiesen.
B

Im Ganzen alſo kann man in dieſem Puncte
kein vortheilhaftes Urtheil uͤber dieſe Nation
faͤllen.

Bey einer ſolchen gaͤnzlichen Verkehrtheit
in den Handlungen und der Denkart der Per-
ſer, ſollte man glauben, daß ſie ihre Kinder
von Jugend auf in ſolchen ſchlechten Maximen
auferzoͤgen; daß ſie ſich wenig oder gar nicht
um die Erziehung derſelben bekuͤmmerten. Aber
vielleicht giebt es wenige Voͤlker in der Welt,
die eine ſolche Sorgfalt auf den Unterricht und
die Erziehung der Kinder wenden, als die Per-
ſer. Ja man kann beynahe ſagen, daß ſie ſich
des Unterrichts und der Erziehung der Kinder,
im Ganzen genommen, eifriger angelegen ſeyn
laſſen, als die ſonſt ſo civiliſirten Europaͤer. —
Eines jeden wohlhabenden Perſers erſte Sorge
fuͤr ſeine Kinder iſt die, daß er ſie der Aufſicht
eines Verſchnittenen (welcher vorzuͤglich auf
ihr ſittliches Betragen achten muß) uͤbergiebt.
Dieſe Eunuchen oder Verſchnittene beſtim-
men, mit Zuziehung der Eltern, die Wiſſen-
ſchaften, worinn die Kinder vorzuͤglich unter-
richtet werden ſollen, *) und waͤhlen dazu die

ge-
*) In einem der folgenden Kapitel iſt angemerkt
worden, daß ſich ein jeder, der auf den Na-
men eines Gelehrten Anſpruch machen will, in
allen Faͤchern der Wiſſenſchaften muͤſſe umge-
ſehen und gute Kenntniſſe erworben haben.
Darauf wird hier der Leſer verwieſen.
B
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[17/0037] Im Ganzen alſo kann man in dieſem Puncte kein vortheilhaftes Urtheil uͤber dieſe Nation faͤllen. Bey einer ſolchen gaͤnzlichen Verkehrtheit in den Handlungen und der Denkart der Per- ſer, ſollte man glauben, daß ſie ihre Kinder von Jugend auf in ſolchen ſchlechten Maximen auferzoͤgen; daß ſie ſich wenig oder gar nicht um die Erziehung derſelben bekuͤmmerten. Aber vielleicht giebt es wenige Voͤlker in der Welt, die eine ſolche Sorgfalt auf den Unterricht und die Erziehung der Kinder wenden, als die Per- ſer. Ja man kann beynahe ſagen, daß ſie ſich des Unterrichts und der Erziehung der Kinder, im Ganzen genommen, eifriger angelegen ſeyn laſſen, als die ſonſt ſo civiliſirten Europaͤer. — Eines jeden wohlhabenden Perſers erſte Sorge fuͤr ſeine Kinder iſt die, daß er ſie der Aufſicht eines Verſchnittenen (welcher vorzuͤglich auf ihr ſittliches Betragen achten muß) uͤbergiebt. Dieſe Eunuchen oder Verſchnittene beſtim- men, mit Zuziehung der Eltern, die Wiſſen- ſchaften, worinn die Kinder vorzuͤglich unter- richtet werden ſollen, *) und waͤhlen dazu die ge- *) In einem der folgenden Kapitel iſt angemerkt worden, daß ſich ein jeder, der auf den Na- men eines Gelehrten Anſpruch machen will, in allen Faͤchern der Wiſſenſchaften muͤſſe umge- ſehen und gute Kenntniſſe erworben haben. Darauf wird hier der Leſer verwieſen. B

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Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/37>, abgerufen am 29.03.2024.