Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829.

Bild:
<< vorherige Seite
Seitdem er zuerst, zu Gefechten bereit, wie ein Leu voll
trotziger Weltscheu
Vortretend (Es liebt der energische Muth des bewußten
Gefühls die Metapher)
Durch wirklichen Witz urkräftig erlegt den proceßanspinnen-
den Witzbold,
Der kleinlichen Geists und der Zanksucht voll, wie ein Spitz
an der Kette, gebelfert,
Und zuerst mißbraucht den erhabenen Styl, und die tragi-
schen Formen entwürdigt,
Der ohne Natur und Charaktergehalt manch überherodisches
Machwerk
Aneinandergeflickt und zusammengeklext rabulistische Galgen-
intriguen:
Nicht wichtig er selbst und des Streits unwerth, da von
selbst sich Nichtiges auflös't,
Nur wichtig indem euch einst er gefiel und bestach kurzsich-
tiges Urtheil;
Drum ließ das Gedicht ihn schmelzen wie Frost an den üp-
pigen Strahlen des Frühlings.
Wohl weiß der Poet, daß Fromme zumal ihn vielfachst haben
gescholten,
Ihn eitel gehöhnt und versichert sodann, er gefalle sich sel-
ber unendlich.
So[l]ch Urtheil zeigt stumpfsinnige blos, blos eigene Seelen-
gemeinheit:
Wer selbst sich gefällt, bleibt stehn wo er steht; doch wer in
beständigem Fortschritt
Zu bewältigen sucht und zu steigern die Kunst, nicht scheint's,
daß selbst er gefällt sich.
Die, welche verzeihn, was Jener gethan, sie erwägen der
Zeiten Bedingniß,
Und
Seitdem er zuerſt, zu Gefechten bereit, wie ein Leu voll
trotziger Weltſcheu
Vortretend (Es liebt der energiſche Muth des bewußten
Gefuͤhls die Metapher)
Durch wirklichen Witz urkraͤftig erlegt den proceßanſpinnen-
den Witzbold,
Der kleinlichen Geiſts und der Zankſucht voll, wie ein Spitz
an der Kette, gebelfert,
Und zuerſt mißbraucht den erhabenen Styl, und die tragi-
ſchen Formen entwuͤrdigt,
Der ohne Natur und Charaktergehalt manch uͤberherodiſches
Machwerk
Aneinandergeflickt und zuſammengeklext rabuliſtiſche Galgen-
intriguen:
Nicht wichtig er ſelbſt und des Streits unwerth, da von
ſelbſt ſich Nichtiges aufloͤſ't,
Nur wichtig indem euch einſt er gefiel und beſtach kurzſich-
tiges Urtheil;
Drum ließ das Gedicht ihn ſchmelzen wie Froſt an den uͤp-
pigen Strahlen des Fruͤhlings.
Wohl weiß der Poet, daß Fromme zumal ihn vielfachſt haben
geſcholten,
Ihn eitel gehoͤhnt und verſichert ſodann, er gefalle ſich ſel-
ber unendlich.
So[l]ch Urtheil zeigt ſtumpfſinnige blos, blos eigene Seelen-
gemeinheit:
Wer ſelbſt ſich gefaͤllt, bleibt ſtehn wo er ſteht; doch wer in
beſtaͤndigem Fortſchritt
Zu bewaͤltigen ſucht und zu ſteigern die Kunſt, nicht ſcheint's,
daß ſelbſt er gefaͤllt ſich.
Die, welche verzeihn, was Jener gethan, ſie erwaͤgen der
Zeiten Bedingniß,
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#CHOF">
            <p><pb facs="#f0022" n="16"/>
Seitdem er zuer&#x017F;t, zu Gefechten bereit, wie ein Leu voll<lb/>
trotziger Welt&#x017F;cheu<lb/>
Vortretend (Es liebt der energi&#x017F;che Muth des bewußten<lb/>
Gefu&#x0364;hls die Metapher)<lb/>
Durch wirklichen Witz urkra&#x0364;ftig erlegt den proceßan&#x017F;pinnen-<lb/>
den Witzbold,<lb/>
Der kleinlichen Gei&#x017F;ts und der Zank&#x017F;ucht voll, wie ein Spitz<lb/>
an der Kette, gebelfert,<lb/>
Und zuer&#x017F;t mißbraucht den erhabenen Styl, und die tragi-<lb/>
&#x017F;chen Formen entwu&#x0364;rdigt,<lb/>
Der ohne Natur und Charaktergehalt manch u&#x0364;berherodi&#x017F;ches<lb/>
Machwerk<lb/>
Aneinandergeflickt und zu&#x017F;ammengeklext rabuli&#x017F;ti&#x017F;che Galgen-<lb/>
intriguen:<lb/>
Nicht wichtig er &#x017F;elb&#x017F;t und des Streits unwerth, da von<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich Nichtiges auflo&#x0364;&#x017F;'t,<lb/>
Nur wichtig indem euch ein&#x017F;t er gefiel und be&#x017F;tach kurz&#x017F;ich-<lb/>
tiges Urtheil;<lb/>
Drum ließ das Gedicht ihn &#x017F;chmelzen wie Fro&#x017F;t an den u&#x0364;p-<lb/>
pigen Strahlen des Fru&#x0364;hlings.<lb/>
Wohl weiß der Poet, daß Fromme zumal ihn vielfach&#x017F;t haben<lb/>
ge&#x017F;cholten,<lb/>
Ihn eitel geho&#x0364;hnt und ver&#x017F;ichert &#x017F;odann, er gefalle &#x017F;ich &#x017F;el-<lb/>
ber unendlich.<lb/>
So<supplied>l</supplied>ch Urtheil zeigt &#x017F;tumpf&#x017F;innige blos, blos eigene Seelen-<lb/>
gemeinheit:<lb/>
Wer &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich gefa&#x0364;llt, bleibt &#x017F;tehn wo er &#x017F;teht; doch wer in<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndigem Fort&#x017F;chritt<lb/>
Zu bewa&#x0364;ltigen &#x017F;ucht und zu &#x017F;teigern die Kun&#x017F;t, nicht &#x017F;cheint's,<lb/>
daß &#x017F;elb&#x017F;t er gefa&#x0364;llt &#x017F;ich.<lb/>
Die, welche verzeihn, was Jener gethan, &#x017F;ie erwa&#x0364;gen der<lb/>
Zeiten Bedingniß,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0022] Seitdem er zuerſt, zu Gefechten bereit, wie ein Leu voll trotziger Weltſcheu Vortretend (Es liebt der energiſche Muth des bewußten Gefuͤhls die Metapher) Durch wirklichen Witz urkraͤftig erlegt den proceßanſpinnen- den Witzbold, Der kleinlichen Geiſts und der Zankſucht voll, wie ein Spitz an der Kette, gebelfert, Und zuerſt mißbraucht den erhabenen Styl, und die tragi- ſchen Formen entwuͤrdigt, Der ohne Natur und Charaktergehalt manch uͤberherodiſches Machwerk Aneinandergeflickt und zuſammengeklext rabuliſtiſche Galgen- intriguen: Nicht wichtig er ſelbſt und des Streits unwerth, da von ſelbſt ſich Nichtiges aufloͤſ't, Nur wichtig indem euch einſt er gefiel und beſtach kurzſich- tiges Urtheil; Drum ließ das Gedicht ihn ſchmelzen wie Froſt an den uͤp- pigen Strahlen des Fruͤhlings. Wohl weiß der Poet, daß Fromme zumal ihn vielfachſt haben geſcholten, Ihn eitel gehoͤhnt und verſichert ſodann, er gefalle ſich ſel- ber unendlich. Solch Urtheil zeigt ſtumpfſinnige blos, blos eigene Seelen- gemeinheit: Wer ſelbſt ſich gefaͤllt, bleibt ſtehn wo er ſteht; doch wer in beſtaͤndigem Fortſchritt Zu bewaͤltigen ſucht und zu ſteigern die Kunſt, nicht ſcheint's, daß ſelbſt er gefaͤllt ſich. Die, welche verzeihn, was Jener gethan, ſie erwaͤgen der Zeiten Bedingniß, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829/22
Zitationshilfe: Platen, August von: Der romantische Oedipus. Stuttgart u. a., 1829, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_oedipus_1829/22>, abgerufen am 29.03.2024.