Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

Vergleichung kriechender Thiere
sonderlich für ein Gedrittes von kriechenden
Thieren stark portirt ist, als den Frosch, die
Maus und die Schlange. Daß die Schlan-
ge
ein kriechend Thier sey, ist wol ausser Zwei-
fel; von dem Frosch und der Maus aber könn-
te noch ein Bedenken übrig seyn, wenn nicht
der große Naturkündiger Moses solche mit unter
die auf Erden kriechende Thiere, meines Be-
halts, gesetzet hätte. Denn obgleich der Frosch
auch im Wasser, ja meistens darinn ist: So
wagt er sich doch auch öfters aufs flache Land;
und weil er mit seinen Hinter-Pfötgen ordent-
lich auf der Erde kauert, kann er schon für ein
kriechendes Thier paßiren. Jch bin dem Frosch,
sowol wegen seines artlichen Quäkens, als der
Art sich fortzupflanzen, ungemein gut. Jch ha-
be mir für gewiß sagen lassen, daß, wenn er
auf des Weibleins Rücken sitzet, er die Vor-
der-Pfötgen um sie herum schlage, und den Saa-
men durch solche in deren Brust gehen lasse.
Wäre es an dem, mögte man den Frosch fast
beneiden, daß die Art, sein Geschlechte fortzu-
führen, so züchtig und galant ist, so daß die
weise Natur uns fast herunter gesetzt.

§ 4. Die Maus ist gewiß auch ein poßir-
lich Geschöpf, in dessen Bildung der höchste
Schöpfer viel Weisheit blicken lassen, jedem
Geschöpfe so viel zu geben, als sein Character
erfordert hat. Die Maus ist eben das unter
kriechenden Thieren, was der Fuchs unter den
vierfüßigen ist. Es ist ein näschigtes, verschla-

genes,

Vergleichung kriechender Thiere
ſonderlich fuͤr ein Gedrittes von kriechenden
Thieren ſtark portirt iſt, als den Froſch, die
Maus und die Schlange. Daß die Schlan-
ge
ein kriechend Thier ſey, iſt wol auſſer Zwei-
fel; von dem Froſch und der Maus aber koͤnn-
te noch ein Bedenken uͤbrig ſeyn, wenn nicht
der große Naturkuͤndiger Moſes ſolche mit unter
die auf Erden kriechende Thiere, meines Be-
halts, geſetzet haͤtte. Denn obgleich der Froſch
auch im Waſſer, ja meiſtens darinn iſt: So
wagt er ſich doch auch oͤfters aufs flache Land;
und weil er mit ſeinen Hinter-Pfoͤtgen ordent-
lich auf der Erde kauert, kann er ſchon fuͤr ein
kriechendes Thier paßiren. Jch bin dem Froſch,
ſowol wegen ſeines artlichen Quaͤkens, als der
Art ſich fortzupflanzen, ungemein gut. Jch ha-
be mir fuͤr gewiß ſagen laſſen, daß, wenn er
auf des Weibleins Ruͤcken ſitzet, er die Vor-
der-Pfoͤtgen um ſie herum ſchlage, und den Saa-
men durch ſolche in deren Bruſt gehen laſſe.
Waͤre es an dem, moͤgte man den Froſch faſt
beneiden, daß die Art, ſein Geſchlechte fortzu-
fuͤhren, ſo zuͤchtig und galant iſt, ſo daß die
weiſe Natur uns faſt herunter geſetzt.

§ 4. Die Maus iſt gewiß auch ein poßir-
lich Geſchoͤpf, in deſſen Bildung der hoͤchſte
Schoͤpfer viel Weisheit blicken laſſen, jedem
Geſchoͤpfe ſo viel zu geben, als ſein Character
erfordert hat. Die Maus iſt eben das unter
kriechenden Thieren, was der Fuchs unter den
vierfuͤßigen iſt. Es iſt ein naͤſchigtes, verſchla-

genes,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0050" n="42"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vergleichung kriechender Thiere</hi></fw><lb/>
&#x017F;onderlich fu&#x0364;r ein <hi rendition="#fr">Gedrittes</hi> von kriechenden<lb/>
Thieren &#x017F;tark portirt i&#x017F;t, als den <hi rendition="#fr">Fro&#x017F;ch,</hi> die<lb/><hi rendition="#fr">Maus</hi> und die <hi rendition="#fr">Schlange.</hi> Daß die <hi rendition="#fr">Schlan-<lb/>
ge</hi> ein kriechend Thier &#x017F;ey, i&#x017F;t wol au&#x017F;&#x017F;er Zwei-<lb/>
fel; von dem <hi rendition="#fr">Fro&#x017F;ch</hi> und der <hi rendition="#fr">Maus</hi> aber ko&#x0364;nn-<lb/>
te noch ein Bedenken u&#x0364;brig &#x017F;eyn, wenn nicht<lb/>
der große Naturku&#x0364;ndiger Mo&#x017F;es &#x017F;olche mit unter<lb/>
die auf Erden <hi rendition="#fr">kriechende Thiere,</hi> meines Be-<lb/>
halts, ge&#x017F;etzet ha&#x0364;tte. Denn obgleich der Fro&#x017F;ch<lb/>
auch im Wa&#x017F;&#x017F;er, ja mei&#x017F;tens darinn i&#x017F;t: So<lb/>
wagt er &#x017F;ich doch auch o&#x0364;fters aufs flache Land;<lb/>
und weil er mit &#x017F;einen <hi rendition="#fr">Hinter-Pfo&#x0364;tgen</hi> ordent-<lb/>
lich auf der Erde kauert, kann er &#x017F;chon fu&#x0364;r ein<lb/>
kriechendes Thier paßiren. Jch bin dem <hi rendition="#fr">Fro&#x017F;ch,</hi><lb/>
&#x017F;owol wegen &#x017F;eines artlichen Qua&#x0364;kens, als der<lb/>
Art &#x017F;ich fortzupflanzen, ungemein gut. Jch ha-<lb/>
be mir fu&#x0364;r gewiß &#x017F;agen la&#x017F;&#x017F;en, daß, wenn er<lb/>
auf des Weibleins Ru&#x0364;cken &#x017F;itzet, er die Vor-<lb/>
der-Pfo&#x0364;tgen um &#x017F;ie herum &#x017F;chlage, und den Saa-<lb/>
men durch &#x017F;olche in deren Bru&#x017F;t gehen la&#x017F;&#x017F;e.<lb/>
Wa&#x0364;re es an dem, mo&#x0364;gte man den Fro&#x017F;ch fa&#x017F;t<lb/>
beneiden, daß die Art, &#x017F;ein Ge&#x017F;chlechte fortzu-<lb/>
fu&#x0364;hren, &#x017F;o zu&#x0364;chtig und galant i&#x017F;t, &#x017F;o daß die<lb/>
wei&#x017F;e Natur uns fa&#x017F;t herunter ge&#x017F;etzt.</p><lb/>
        <p>§ 4. Die <hi rendition="#fr">Maus</hi> i&#x017F;t gewiß auch ein poßir-<lb/>
lich Ge&#x017F;cho&#x0364;pf, in de&#x017F;&#x017F;en Bildung der ho&#x0364;ch&#x017F;te<lb/>
Scho&#x0364;pfer viel Weisheit blicken la&#x017F;&#x017F;en, jedem<lb/>
Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe &#x017F;o viel zu geben, als &#x017F;ein Character<lb/>
erfordert hat. Die Maus i&#x017F;t eben das unter<lb/>
kriechenden Thieren, was der <hi rendition="#fr">Fuchs</hi> unter den<lb/>
vierfu&#x0364;ßigen i&#x017F;t. Es i&#x017F;t ein na&#x0364;&#x017F;chigtes, ver&#x017F;chla-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">genes,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0050] Vergleichung kriechender Thiere ſonderlich fuͤr ein Gedrittes von kriechenden Thieren ſtark portirt iſt, als den Froſch, die Maus und die Schlange. Daß die Schlan- ge ein kriechend Thier ſey, iſt wol auſſer Zwei- fel; von dem Froſch und der Maus aber koͤnn- te noch ein Bedenken uͤbrig ſeyn, wenn nicht der große Naturkuͤndiger Moſes ſolche mit unter die auf Erden kriechende Thiere, meines Be- halts, geſetzet haͤtte. Denn obgleich der Froſch auch im Waſſer, ja meiſtens darinn iſt: So wagt er ſich doch auch oͤfters aufs flache Land; und weil er mit ſeinen Hinter-Pfoͤtgen ordent- lich auf der Erde kauert, kann er ſchon fuͤr ein kriechendes Thier paßiren. Jch bin dem Froſch, ſowol wegen ſeines artlichen Quaͤkens, als der Art ſich fortzupflanzen, ungemein gut. Jch ha- be mir fuͤr gewiß ſagen laſſen, daß, wenn er auf des Weibleins Ruͤcken ſitzet, er die Vor- der-Pfoͤtgen um ſie herum ſchlage, und den Saa- men durch ſolche in deren Bruſt gehen laſſe. Waͤre es an dem, moͤgte man den Froſch faſt beneiden, daß die Art, ſein Geſchlechte fortzu- fuͤhren, ſo zuͤchtig und galant iſt, ſo daß die weiſe Natur uns faſt herunter geſetzt. § 4. Die Maus iſt gewiß auch ein poßir- lich Geſchoͤpf, in deſſen Bildung der hoͤchſte Schoͤpfer viel Weisheit blicken laſſen, jedem Geſchoͤpfe ſo viel zu geben, als ſein Character erfordert hat. Die Maus iſt eben das unter kriechenden Thieren, was der Fuchs unter den vierfuͤßigen iſt. Es iſt ein naͤſchigtes, verſchla- genes,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/50
Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/50>, abgerufen am 24.04.2024.