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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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Die Reimschmiede-Kunst
2. Zusatz.

§ 5. Alldieweil nun der Haupt-Begriff,
darinn die Reimschmiederey und kriechende Poe-
sie mit einander übereinkommen, dieser ist, daß
beyde eine Kunst sind: So darf man wahrlich
weder einen Reimschmied noch kriechenden Poe-
ten für einen ungeschickten Menschen halten.

2. Grundsatz.

§ 6. Die Reimschmiederey hat mit Wor-
ten, Sylben und Reimen, die kriechende
Poesie aber mit Gedanken und Begriffen zu
thun.

1. Zusatz.

§ 7. Die gemeine Vernunft-Lehre be-
hauptet zwar, daß man, wenn man redet, vor-
her erst richtig denken müsse; aber bey der Reim-
schmiederey
kann man reimen, wenn auch gleich
gar kein Gedanke dahinter stecket.

Anmerkung.

§ 8. Ein Reim ohne Jdee klinget uns so
lieblich, als ein musicalischer Ton einer Sack-
pfeife. Es ist eine Mischung des Rauhen und
Sanften. Daß der Gedanke fehlt, klingt et-
was rauh; aber die Zierlichkeit des Reims er-
setzt diesen Mangel.

2. Zusatz.

§ 9. Wenn der niedrige Gedanke sich bald
in einen Reim zwingen lässet, entstehet daraus
eine liebliche vorherbestimmte Harmonie zwi-
schen der Reimschmiederey und kriechenden Poesie.

3. Zu-
Die Reimſchmiede-Kunſt
2. Zuſatz.

§ 5. Alldieweil nun der Haupt-Begriff,
darinn die Reimſchmiederey und kriechende Poe-
ſie mit einander uͤbereinkommen, dieſer iſt, daß
beyde eine Kunſt ſind: So darf man wahrlich
weder einen Reimſchmied noch kriechenden Poe-
ten fuͤr einen ungeſchickten Menſchen halten.

2. Grundſatz.

§ 6. Die Reimſchmiederey hat mit Wor-
ten, Sylben und Reimen, die kriechende
Poeſie aber mit Gedanken und Begriffen zu
thun.

1. Zuſatz.

§ 7. Die gemeine Vernunft-Lehre be-
hauptet zwar, daß man, wenn man redet, vor-
her erſt richtig denken muͤſſe; aber bey der Reim-
ſchmiederey
kann man reimen, wenn auch gleich
gar kein Gedanke dahinter ſtecket.

Anmerkung.

§ 8. Ein Reim ohne Jdee klinget uns ſo
lieblich, als ein muſicaliſcher Ton einer Sack-
pfeife. Es iſt eine Miſchung des Rauhen und
Sanften. Daß der Gedanke fehlt, klingt et-
was rauh; aber die Zierlichkeit des Reims er-
ſetzt dieſen Mangel.

2. Zuſatz.

§ 9. Wenn der niedrige Gedanke ſich bald
in einen Reim zwingen laͤſſet, entſtehet daraus
eine liebliche vorherbeſtimmte Harmonie zwi-
ſchen der Reimſchmiederey und kriechenden Poeſie.

3. Zu-
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[20/0028] Die Reimſchmiede-Kunſt 2. Zuſatz. § 5. Alldieweil nun der Haupt-Begriff, darinn die Reimſchmiederey und kriechende Poe- ſie mit einander uͤbereinkommen, dieſer iſt, daß beyde eine Kunſt ſind: So darf man wahrlich weder einen Reimſchmied noch kriechenden Poe- ten fuͤr einen ungeſchickten Menſchen halten. 2. Grundſatz. § 6. Die Reimſchmiederey hat mit Wor- ten, Sylben und Reimen, die kriechende Poeſie aber mit Gedanken und Begriffen zu thun. 1. Zuſatz. § 7. Die gemeine Vernunft-Lehre be- hauptet zwar, daß man, wenn man redet, vor- her erſt richtig denken muͤſſe; aber bey der Reim- ſchmiederey kann man reimen, wenn auch gleich gar kein Gedanke dahinter ſtecket. Anmerkung. § 8. Ein Reim ohne Jdee klinget uns ſo lieblich, als ein muſicaliſcher Ton einer Sack- pfeife. Es iſt eine Miſchung des Rauhen und Sanften. Daß der Gedanke fehlt, klingt et- was rauh; aber die Zierlichkeit des Reims er- ſetzt dieſen Mangel. 2. Zuſatz. § 9. Wenn der niedrige Gedanke ſich bald in einen Reim zwingen laͤſſet, entſtehet daraus eine liebliche vorherbeſtimmte Harmonie zwi- ſchen der Reimſchmiederey und kriechenden Poeſie. 3. Zu-

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/28>, abgerufen am 29.03.2024.