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Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

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tomie et de physiologie du Systeme nerveux. par Calmeil.
Bruxelles 1840. p. 136.)

In seinem Traite charakterisirt er aber die Rückenmarks¬
functionen in folgender Weise:

"Die Rückenmarksfunctionen sind bezüglich zur Empfin¬
dung, willkürlichen Bewegung, Irritabilität, zu den Acten der
Circulation, der Respiration, den Secretionen, der Wärme¬
erzeugung und anderen Bewegungen, welche von der organi¬
schen Sensibilität abhängen. Das Rückenmark spielt ebenso
eine wichtige Rolle bei den Sympathien.

"Die Durchschneidung des Rückenmarkes ein wenig unter¬
halb des Gehirns beraubt die vier Glieder und die anderen von
ihm abhängigen Theile der Sensibilität. Die willkürlichen Be¬
wegungen sind ebenfalls sofort verloren. Das Rückenmark in¬
tervenirt deshalb in den Acten der Sensibilität und Mobilität.
Dieses Organ indessen urtheilt nicht über die Natur der Em¬
pfindungen und ist nicht der Sitz des Willens, da es ja hin¬
reicht, dass seine Continuität einen Augenblick unterbrochen
sei, um die verschiedenen Theile des Rumpfes und der Glied¬
massen zu paralysiren. Das Rückenmark ist deshalb nur be¬
stimmt, dem Gehirne die Sensationselemente mitzutheilen. Diese
Fundamentalwahrheit, durch tausend Beispiele und Facta be¬
stätigt, hat indessen einige Ausnahmen. Man weiss, dass sehr
junge, enthauptete Säugethiere noch durch ihr Geschrei Zeichen
von Schmerz äussern können, sobald man sie von Neuem ver¬
stümmelt; menschliche, kopflose Foetus haben auch Beweise
von Sensibilität gegeben und ihre Glieder bewegt. Es scheint
deshalb, dass bei jungen Individuen, welche nicht mehr un¬
verletzt und ganz sind, und bei denjenigen, die unvollkommen
geblieben sind, das Rückenmark nicht absolut die Fähigkeit der
Empfindung entbehrt und dass die Erregung, welche die Mus¬
keln zuweilen zu Contractionen bestimmt, in dem Schoosse der
Spinalachse ihren Ursprung nehmen kann. Viele Meinungen
erheben sich gegen den letzten Schluss, den wir zugelassen
haben; aber ich kann nicht umhin, der Irritabilität Phänomene

tomie et de physiologie du Système nerveux. par Calmeil.
Bruxelles 1840. p. 136.)

In seinem Traité charakterisirt er aber die Rückenmarks¬
functionen in folgender Weise:

„Die Rückenmarksfunctionen sind bezüglich zur Empfin¬
dung, willkürlichen Bewegung, Irritabilität, zu den Acten der
Circulation, der Respiration, den Secretionen, der Wärme¬
erzeugung und anderen Bewegungen, welche von der organi¬
schen Sensibilität abhängen. Das Rückenmark spielt ebenso
eine wichtige Rolle bei den Sympathien.

„Die Durchschneidung des Rückenmarkes ein wenig unter¬
halb des Gehirns beraubt die vier Glieder und die anderen von
ihm abhängigen Theile der Sensibilität. Die willkürlichen Be¬
wegungen sind ebenfalls sofort verloren. Das Rückenmark in¬
tervenirt deshalb in den Acten der Sensibilität und Mobilität.
Dieses Organ indessen urtheilt nicht über die Natur der Em¬
pfindungen und ist nicht der Sitz des Willens, da es ja hin¬
reicht, dass seine Continuität einen Augenblick unterbrochen
sei, um die verschiedenen Theile des Rumpfes und der Glied¬
massen zu paralysiren. Das Rückenmark ist deshalb nur be¬
stimmt, dem Gehirne die Sensationselemente mitzutheilen. Diese
Fundamentalwahrheit, durch tausend Beispiele und Facta be¬
stätigt, hat indessen einige Ausnahmen. Man weiss, dass sehr
junge, enthauptete Säugethiere noch durch ihr Geschrei Zeichen
von Schmerz äussern können, sobald man sie von Neuem ver¬
stümmelt; menschliche, kopflose Foetus haben auch Beweise
von Sensibilität gegeben und ihre Glieder bewegt. Es scheint
deshalb, dass bei jungen Individuen, welche nicht mehr un¬
verletzt und ganz sind, und bei denjenigen, die unvollkommen
geblieben sind, das Rückenmark nicht absolut die Fähigkeit der
Empfindung entbehrt und dass die Erregung, welche die Mus¬
keln zuweilen zu Contractionen bestimmt, in dem Schoosse der
Spinalachse ihren Ursprung nehmen kann. Viele Meinungen
erheben sich gegen den letzten Schluss, den wir zugelassen
haben; aber ich kann nicht umhin, der Irritabilität Phänomene

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[8/0030] tomie et de physiologie du Système nerveux. par Calmeil. Bruxelles 1840. p. 136.) In seinem Traité charakterisirt er aber die Rückenmarks¬ functionen in folgender Weise: „Die Rückenmarksfunctionen sind bezüglich zur Empfin¬ dung, willkürlichen Bewegung, Irritabilität, zu den Acten der Circulation, der Respiration, den Secretionen, der Wärme¬ erzeugung und anderen Bewegungen, welche von der organi¬ schen Sensibilität abhängen. Das Rückenmark spielt ebenso eine wichtige Rolle bei den Sympathien. „Die Durchschneidung des Rückenmarkes ein wenig unter¬ halb des Gehirns beraubt die vier Glieder und die anderen von ihm abhängigen Theile der Sensibilität. Die willkürlichen Be¬ wegungen sind ebenfalls sofort verloren. Das Rückenmark in¬ tervenirt deshalb in den Acten der Sensibilität und Mobilität. Dieses Organ indessen urtheilt nicht über die Natur der Em¬ pfindungen und ist nicht der Sitz des Willens, da es ja hin¬ reicht, dass seine Continuität einen Augenblick unterbrochen sei, um die verschiedenen Theile des Rumpfes und der Glied¬ massen zu paralysiren. Das Rückenmark ist deshalb nur be¬ stimmt, dem Gehirne die Sensationselemente mitzutheilen. Diese Fundamentalwahrheit, durch tausend Beispiele und Facta be¬ stätigt, hat indessen einige Ausnahmen. Man weiss, dass sehr junge, enthauptete Säugethiere noch durch ihr Geschrei Zeichen von Schmerz äussern können, sobald man sie von Neuem ver¬ stümmelt; menschliche, kopflose Foetus haben auch Beweise von Sensibilität gegeben und ihre Glieder bewegt. Es scheint deshalb, dass bei jungen Individuen, welche nicht mehr un¬ verletzt und ganz sind, und bei denjenigen, die unvollkommen geblieben sind, das Rückenmark nicht absolut die Fähigkeit der Empfindung entbehrt und dass die Erregung, welche die Mus¬ keln zuweilen zu Contractionen bestimmt, in dem Schoosse der Spinalachse ihren Ursprung nehmen kann. Viele Meinungen erheben sich gegen den letzten Schluss, den wir zugelassen haben; aber ich kann nicht umhin, der Irritabilität Phänomene

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Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/30>, abgerufen am 29.03.2024.