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Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 1. Wien, 1850.

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5. Juli. Nichts ist so veränderlich als das Wetter; gestern schwelgten wir im Sonnenscheine, heute umgab uns dichter, finsterer Nebel, -- und doch war uns das heutige schlechte Wetter lieber als das gestrige schöne, denn es erhob sich etwas Wind, und um 9 Uhr Morgens hörten wir die Ankerwinde knarren.

Unsere jungen Leute mußten sich nun die Parthie nach dem Busche aus dem Kopfe schlagen, und das Tanzen mit hübschen Mädchen bis zur Ankunft in dem neuen Welttheile verschieben, -- in Europa sollte kein Fuß mehr an's Land gesetzt werden.

Der Uebergang von der Elbe in die Nordsee ist kaum bemerkbar, da sich die Elbe nicht in Arme theilt, und bei ihrem Ausflusse eine Breite von 8 -- 10 Meilen hat. Sie bildet selbst ein kleines Meer, und hat auch schon die grüne Farbe desselben angenommen. Wir waren daher sehr überrascht, als uns der Kapitän freudig zurief: "Nun haben wir den Strom übersegelt!" -- wir meinten, schon lange auf dem Meere zu schiffen!

Nachmittags sahen wir die Insel Helgoland (den Engländern gehörig), die wirklich zauberhaft aus dem Meere emporsteigt. Sie ist ein nackter, kolossaler Fels, und hätte ich nicht aus einer der neuesten Geographien gewußt, daß sich bei 2500 Menschen darauf aufhalten, ich hätte die ganze Insel für unbewohnt betrachtet. Auf drei Seiten steigen die Felsenwände so schroff aus dem Meere, daß man gar nicht anlanden kann.

Wir schifften in ziemlicher Ferne vorüber, und sahen nur den Kirch- und Leuchtturm und den sogenannten "Mönch," einen freistehenden, senkrecht abfallenden

5. Juli. Nichts ist so veränderlich als das Wetter; gestern schwelgten wir im Sonnenscheine, heute umgab uns dichter, finsterer Nebel, — und doch war uns das heutige schlechte Wetter lieber als das gestrige schöne, denn es erhob sich etwas Wind, und um 9 Uhr Morgens hörten wir die Ankerwinde knarren.

Unsere jungen Leute mußten sich nun die Parthie nach dem Busche aus dem Kopfe schlagen, und das Tanzen mit hübschen Mädchen bis zur Ankunft in dem neuen Welttheile verschieben, — in Europa sollte kein Fuß mehr an’s Land gesetzt werden.

Der Uebergang von der Elbe in die Nordsee ist kaum bemerkbar, da sich die Elbe nicht in Arme theilt, und bei ihrem Ausflusse eine Breite von 8 — 10 Meilen hat. Sie bildet selbst ein kleines Meer, und hat auch schon die grüne Farbe desselben angenommen. Wir waren daher sehr überrascht, als uns der Kapitän freudig zurief: „Nun haben wir den Strom übersegelt!“ — wir meinten, schon lange auf dem Meere zu schiffen!

Nachmittags sahen wir die Insel Helgoland (den Engländern gehörig), die wirklich zauberhaft aus dem Meere emporsteigt. Sie ist ein nackter, kolossaler Fels, und hätte ich nicht aus einer der neuesten Geographien gewußt, daß sich bei 2500 Menschen darauf aufhalten, ich hätte die ganze Insel für unbewohnt betrachtet. Auf drei Seiten steigen die Felsenwände so schroff aus dem Meere, daß man gar nicht anlanden kann.

Wir schifften in ziemlicher Ferne vorüber, und sahen nur den Kirch- und Leuchtturm und den sogenannten „Mönch,“ einen freistehenden, senkrecht abfallenden

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[9/0016] 5. Juli. Nichts ist so veränderlich als das Wetter; gestern schwelgten wir im Sonnenscheine, heute umgab uns dichter, finsterer Nebel, — und doch war uns das heutige schlechte Wetter lieber als das gestrige schöne, denn es erhob sich etwas Wind, und um 9 Uhr Morgens hörten wir die Ankerwinde knarren. Unsere jungen Leute mußten sich nun die Parthie nach dem Busche aus dem Kopfe schlagen, und das Tanzen mit hübschen Mädchen bis zur Ankunft in dem neuen Welttheile verschieben, — in Europa sollte kein Fuß mehr an’s Land gesetzt werden. Der Uebergang von der Elbe in die Nordsee ist kaum bemerkbar, da sich die Elbe nicht in Arme theilt, und bei ihrem Ausflusse eine Breite von 8 — 10 Meilen hat. Sie bildet selbst ein kleines Meer, und hat auch schon die grüne Farbe desselben angenommen. Wir waren daher sehr überrascht, als uns der Kapitän freudig zurief: „Nun haben wir den Strom übersegelt!“ — wir meinten, schon lange auf dem Meere zu schiffen! Nachmittags sahen wir die Insel Helgoland (den Engländern gehörig), die wirklich zauberhaft aus dem Meere emporsteigt. Sie ist ein nackter, kolossaler Fels, und hätte ich nicht aus einer der neuesten Geographien gewußt, daß sich bei 2500 Menschen darauf aufhalten, ich hätte die ganze Insel für unbewohnt betrachtet. Auf drei Seiten steigen die Felsenwände so schroff aus dem Meere, daß man gar nicht anlanden kann. Wir schifften in ziemlicher Ferne vorüber, und sahen nur den Kirch- und Leuchtturm und den sogenannten „Mönch,“ einen freistehenden, senkrecht abfallenden

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Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 1. Wien, 1850, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt01_1850/16>, abgerufen am 28.03.2024.