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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Grössenverhältnisse des Gehirnschädels.
[Tabelle]

Andre Beobachter wollen sich überzeugt haben, dass Schädel,
welche der Zeit des Diluvium angehören, seltner dieses günstige
Merkmal an sich tragen 1). Bleibt die Stirn offen, so schliesst sich
auch die Pfeilnaht gewöhnlich später und nicht ganz unberechtigt
dürfen wir das Raumsuchen des Gehirns als Ursache dieser Er-
scheinung uns denken 2), nur sollten wir nicht vergessen, dass die
Kreuzköpfe bisweilen auch bei Blödsinnigen vorkommen 3). Um-
gekehrt kann aber auch durch ein vorzeitiges Verwachsen der
Knochen, wenn es mit Überwältigung des Gegendruckes vorwärts
schreitet, die volle Entwickelung des Gehirns gehemmt werden 4),
und es ist gewiss sehr wichtig, in welcher Reihenfolge die ein-
zelnen Knochen des menschlichen Schädels sich schliessen und das
Wachsthum der innern Theile beendigen. Bei den minder be-
gabten Menschenstämmen sollen die vorderen, bei höher begabten
die hinteren Nähte früher verwischt werden 5). Bei Negerschädeln
wollte Pruner Bey einen frühzeitigen Zusammenschluss der Stirn-
naht wahrgenommen haben, gefolgt von einem Verwachsen der
Kronnaht am mittlern Theil und der Pfeilnaht, während die Lambda-
naht um den Gipfel sich am längsten offen erhielt. Bisweilen ver-
schmilzt nicht einmal gänzlich die Basilosphenoidal-Naht und selbst
bei Erwachsenen sei noch die Incisivnaht zu unterscheiden 6). Der
Werth solcher Wahrnehmungen lässt sich aber nur durch die sta-

1) Canestrini bei Darwin, Abstammung des Menschen. Bd. 1. S. 107.
2) Hermann Welcker, Wachsthum und Bau des menschlichen Schä-
dels. Leipzig 1862. S. 97. S. 102.
3) Virchow, Entwickelung des Schädelgrundes. Berlin 1857. S. 87.
4) Virchow, 1. c. S. 113.
5) Gratiolet bei Quatrefages, Rapport. p. 302.
6) Pruner Bey, Memoire sur les Negres. 1861. p. 328--329.
4*

Die Grössenverhältnisse des Gehirnschädels.
[Tabelle]

Andre Beobachter wollen sich überzeugt haben, dass Schädel,
welche der Zeit des Diluvium angehören, seltner dieses günstige
Merkmal an sich tragen 1). Bleibt die Stirn offen, so schliesst sich
auch die Pfeilnaht gewöhnlich später und nicht ganz unberechtigt
dürfen wir das Raumsuchen des Gehirns als Ursache dieser Er-
scheinung uns denken 2), nur sollten wir nicht vergessen, dass die
Kreuzköpfe bisweilen auch bei Blödsinnigen vorkommen 3). Um-
gekehrt kann aber auch durch ein vorzeitiges Verwachsen der
Knochen, wenn es mit Überwältigung des Gegendruckes vorwärts
schreitet, die volle Entwickelung des Gehirns gehemmt werden 4),
und es ist gewiss sehr wichtig, in welcher Reihenfolge die ein-
zelnen Knochen des menschlichen Schädels sich schliessen und das
Wachsthum der innern Theile beendigen. Bei den minder be-
gabten Menschenstämmen sollen die vorderen, bei höher begabten
die hinteren Nähte früher verwischt werden 5). Bei Negerschädeln
wollte Pruner Bey einen frühzeitigen Zusammenschluss der Stirn-
naht wahrgenommen haben, gefolgt von einem Verwachsen der
Kronnaht am mittlern Theil und der Pfeilnaht, während die Lambda-
naht um den Gipfel sich am längsten offen erhielt. Bisweilen ver-
schmilzt nicht einmal gänzlich die Basilosphenoidal-Naht und selbst
bei Erwachsenen sei noch die Incisivnaht zu unterscheiden 6). Der
Werth solcher Wahrnehmungen lässt sich aber nur durch die sta-

1) Canestrini bei Darwin, Abstammung des Menschen. Bd. 1. S. 107.
2) Hermann Welcker, Wachsthum und Bau des menschlichen Schä-
dels. Leipzig 1862. S. 97. S. 102.
3) Virchow, Entwickelung des Schädelgrundes. Berlin 1857. S. 87.
4) Virchow, 1. c. S. 113.
5) Gratiolet bei Quatrefages, Rapport. p. 302.
6) Pruner Bey, Mémoire sur les Nègres. 1861. p. 328—329.
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[51/0069] Die Grössenverhältnisse des Gehirnschädels. Andre Beobachter wollen sich überzeugt haben, dass Schädel, welche der Zeit des Diluvium angehören, seltner dieses günstige Merkmal an sich tragen 1). Bleibt die Stirn offen, so schliesst sich auch die Pfeilnaht gewöhnlich später und nicht ganz unberechtigt dürfen wir das Raumsuchen des Gehirns als Ursache dieser Er- scheinung uns denken 2), nur sollten wir nicht vergessen, dass die Kreuzköpfe bisweilen auch bei Blödsinnigen vorkommen 3). Um- gekehrt kann aber auch durch ein vorzeitiges Verwachsen der Knochen, wenn es mit Überwältigung des Gegendruckes vorwärts schreitet, die volle Entwickelung des Gehirns gehemmt werden 4), und es ist gewiss sehr wichtig, in welcher Reihenfolge die ein- zelnen Knochen des menschlichen Schädels sich schliessen und das Wachsthum der innern Theile beendigen. Bei den minder be- gabten Menschenstämmen sollen die vorderen, bei höher begabten die hinteren Nähte früher verwischt werden 5). Bei Negerschädeln wollte Pruner Bey einen frühzeitigen Zusammenschluss der Stirn- naht wahrgenommen haben, gefolgt von einem Verwachsen der Kronnaht am mittlern Theil und der Pfeilnaht, während die Lambda- naht um den Gipfel sich am längsten offen erhielt. Bisweilen ver- schmilzt nicht einmal gänzlich die Basilosphenoidal-Naht und selbst bei Erwachsenen sei noch die Incisivnaht zu unterscheiden 6). Der Werth solcher Wahrnehmungen lässt sich aber nur durch die sta- 1) Canestrini bei Darwin, Abstammung des Menschen. Bd. 1. S. 107. 2) Hermann Welcker, Wachsthum und Bau des menschlichen Schä- dels. Leipzig 1862. S. 97. S. 102. 3) Virchow, Entwickelung des Schädelgrundes. Berlin 1857. S. 87. 4) Virchow, 1. c. S. 113. 5) Gratiolet bei Quatrefages, Rapport. p. 302. 6) Pruner Bey, Mémoire sur les Nègres. 1861. p. 328—329. 4*

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/69>, abgerufen am 24.04.2024.