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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die mittelländische Race.
Römer zu erlernen, denn von ihnen empfingen sie zuerst die Seife1),
und erfuhren sie, wie sich metallene Geschirre verzinnen und ver-
silbern liessen2). Vom keltischen Adel erlernten sie die Hetz-
jagd im freien Feld und unsere deutschen Vorfahren die Falken-
beize3). Die alten Bewohner Britanniens dagegen hatten zuerst
bei der Landwirthschaft mineralische Dünger, nämlich den Mergel,
angewendet, und zufolge einer etwas dunkeln Beschreibung bei
Plinius das Getreide schon mit Maschinen und mit Pferdekraft
geschnitten4). Umgekehrt sollten erst nach Tacitus' Zeiten die
kühnsten Seefahrer der Welt, die Normannen, mit dem Gebrauche
der Segel bekannt werden5).

An unsere wichtigsten narkotischen Genussmittel sind wir erst
vor drei oder vier Jahrhunderten durch fremde Völker gewöhnt
worden; an den Thee durch die Chinesen und an den Kaffee
durch fromme Araber. Die erste Chocolade tranken spanische
Eroberer aus der Hofküche des mexicanischen Kaisers Mocteuzoma
oder Montezuma6) und als im Jahre 1492 spanische Kundschafter
aus dem Innern von Cuba zurückkehrten, erzählten sie dem Ent-
decker der neuen Welt, dass die harmlosen Indianer der Insel
zusammengerollte Krautblätter, welche sie Tabacos nannten, in
den Mund steckten, um von dem anderen entzündeten Ende her
den Rauch einzuschlürfen. Waren auf den Antillen Cigarren in
Gebrauch, so sahen Europäer bei den Rothhäuten Nordamerika's
den Tabak aus steinernen Pfeifen rauchen und im alten Peru7),
sowie anderwärts in Südamerika, ihn schnupfen.

Das Schlafen in aufgeknüpften Netzen ist eine Erfindung der
neuen Welt und unser Ausdruck Hängematte eine Uebersetzung
und zugleich Lautnachahmung des Wortes "hamaca" aus der
Sprache der Urbevölkerung Haiti's, welches das Französische als
"hamac" noch treu bewahrt hat. Die Verwendung künstlicher

1) Ausland 1866. S. 139.
2) Mommsen, Römische Geschichte. Bd. 3. S. 217.
3) Hehn, Culturpflanzen. S. 270.
4) Plin. H. N. lib. XVII. 4, lib. XVIII. 72.
5) Germania, cap. 44. Die Suionen des Tacitus sind die Bewohner
von Schonenland.
6) Prescott, Conquest of Mexico, tom. I, p. 135. p. 155.
7) Prescott, Conquest of Peru. tom. I, p. 140.

Die mittelländische Race.
Römer zu erlernen, denn von ihnen empfingen sie zuerst die Seife1),
und erfuhren sie, wie sich metallene Geschirre verzinnen und ver-
silbern liessen2). Vom keltischen Adel erlernten sie die Hetz-
jagd im freien Feld und unsere deutschen Vorfahren die Falken-
beize3). Die alten Bewohner Britanniens dagegen hatten zuerst
bei der Landwirthschaft mineralische Dünger, nämlich den Mergel,
angewendet, und zufolge einer etwas dunkeln Beschreibung bei
Plinius das Getreide schon mit Maschinen und mit Pferdekraft
geschnitten4). Umgekehrt sollten erst nach Tacitus’ Zeiten die
kühnsten Seefahrer der Welt, die Normannen, mit dem Gebrauche
der Segel bekannt werden5).

An unsere wichtigsten narkotischen Genussmittel sind wir erst
vor drei oder vier Jahrhunderten durch fremde Völker gewöhnt
worden; an den Thee durch die Chinesen und an den Kaffee
durch fromme Araber. Die erste Chocolade tranken spanische
Eroberer aus der Hofküche des mexicanischen Kaisers Mocteuzoma
oder Montezuma6) und als im Jahre 1492 spanische Kundschafter
aus dem Innern von Cuba zurückkehrten, erzählten sie dem Ent-
decker der neuen Welt, dass die harmlosen Indianer der Insel
zusammengerollte Krautblätter, welche sie Tabacos nannten, in
den Mund steckten, um von dem anderen entzündeten Ende her
den Rauch einzuschlürfen. Waren auf den Antillen Cigarren in
Gebrauch, so sahen Europäer bei den Rothhäuten Nordamerika’s
den Tabak aus steinernen Pfeifen rauchen und im alten Peru7),
sowie anderwärts in Südamerika, ihn schnupfen.

Das Schlafen in aufgeknüpften Netzen ist eine Erfindung der
neuen Welt und unser Ausdruck Hängematte eine Uebersetzung
und zugleich Lautnachahmung des Wortes „hamaca“ aus der
Sprache der Urbevölkerung Haiti’s, welches das Französische als
hamac“ noch treu bewahrt hat. Die Verwendung künstlicher

1) Ausland 1866. S. 139.
2) Mommsen, Römische Geschichte. Bd. 3. S. 217.
3) Hehn, Culturpflanzen. S. 270.
4) Plin. H. N. lib. XVII. 4, lib. XVIII. 72.
5) Germania, cap. 44. Die Suionen des Tacitus sind die Bewohner
von Schonenland.
6) Prescott, Conquest of Mexico, tom. I, p. 135. p. 155.
7) Prescott, Conquest of Peru. tom. I, p. 140.
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[550/0568] Die mittelländische Race. Römer zu erlernen, denn von ihnen empfingen sie zuerst die Seife 1), und erfuhren sie, wie sich metallene Geschirre verzinnen und ver- silbern liessen 2). Vom keltischen Adel erlernten sie die Hetz- jagd im freien Feld und unsere deutschen Vorfahren die Falken- beize 3). Die alten Bewohner Britanniens dagegen hatten zuerst bei der Landwirthschaft mineralische Dünger, nämlich den Mergel, angewendet, und zufolge einer etwas dunkeln Beschreibung bei Plinius das Getreide schon mit Maschinen und mit Pferdekraft geschnitten 4). Umgekehrt sollten erst nach Tacitus’ Zeiten die kühnsten Seefahrer der Welt, die Normannen, mit dem Gebrauche der Segel bekannt werden 5). An unsere wichtigsten narkotischen Genussmittel sind wir erst vor drei oder vier Jahrhunderten durch fremde Völker gewöhnt worden; an den Thee durch die Chinesen und an den Kaffee durch fromme Araber. Die erste Chocolade tranken spanische Eroberer aus der Hofküche des mexicanischen Kaisers Mocteuzoma oder Montezuma 6) und als im Jahre 1492 spanische Kundschafter aus dem Innern von Cuba zurückkehrten, erzählten sie dem Ent- decker der neuen Welt, dass die harmlosen Indianer der Insel zusammengerollte Krautblätter, welche sie Tabacos nannten, in den Mund steckten, um von dem anderen entzündeten Ende her den Rauch einzuschlürfen. Waren auf den Antillen Cigarren in Gebrauch, so sahen Europäer bei den Rothhäuten Nordamerika’s den Tabak aus steinernen Pfeifen rauchen und im alten Peru 7), sowie anderwärts in Südamerika, ihn schnupfen. Das Schlafen in aufgeknüpften Netzen ist eine Erfindung der neuen Welt und unser Ausdruck Hängematte eine Uebersetzung und zugleich Lautnachahmung des Wortes „hamaca“ aus der Sprache der Urbevölkerung Haiti’s, welches das Französische als „hamac“ noch treu bewahrt hat. Die Verwendung künstlicher 1) Ausland 1866. S. 139. 2) Mommsen, Römische Geschichte. Bd. 3. S. 217. 3) Hehn, Culturpflanzen. S. 270. 4) Plin. H. N. lib. XVII. 4, lib. XVIII. 72. 5) Germania, cap. 44. Die Suionen des Tacitus sind die Bewohner von Schonenland. 6) Prescott, Conquest of Mexico, tom. I, p. 135. p. 155. 7) Prescott, Conquest of Peru. tom. I, p. 140.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/568>, abgerufen am 28.03.2024.