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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die australischen und asiatischen Papuanen.
ben und wie Kattun mit hölzernen, ausgeschnitzten Modeln oder
mit Schablonen aus Bananenblättern bunt zu mustern verstehen.
So zeichneten auch die Bewohner der Humboldtsbay (Neu-Guinea)
als ihnen holländische Seefahrer Papier und Bleistift gaben, ob-
gleich sie beides sicher zum ersten Male sahen, mit fester Hand
Fische und Vögel 1). Wallace legt grosses Gewicht darauf dass
der Papuane sein Haus, sein Fahrzeug und seine Geräthe mit
Schnitzwerk verziert und daher einen Kunsttrieb verräth, den er
der malayischen Race fast gänzlich abspricht 2). Allein das
Letztre gilt höchstens nur von den asiatischen Malayen und kann
auch bei diesen dem Umstande zugeschrieben werden, dass die
Gewerbe und Künste der Halbcultur nach längerem Handelsver-
kehr mit verfeinerten Völkern vernachlässigt werden und erlöschen.
Die polynesischen Malayen dagegen überbieten durch kunstsinnige
Schnitzereien und Tätowirungen leicht alle Papuanen. Die letz-
teren haben sich wie ihre weite überseeische Verbreitung bezeugt,
frühzeitig und vielleicht vor den Malayen auf die See gewagt,
sind aber von diesen an nautischer Geschicklichkeit später weit
überboten worden. Die Werkzeuge der Papuanen sind undurch-
bohrte Steingeräthe 3), doch hat sich über den Westen von Neu
Guinea bereits die Kenntniss der Eisenerze und ihrer Ausschmel-
zung verbreitet. Da bei letzterer der malayische Blasbalg mit
Röhren und Pumpen angewendet wird 4), so wissen wir auch, dass
jener Fortschritt aus dem Westen stammt.

Das weibliche Geschlecht bedeckt sich nach der Altersreife
stets mit dem Liku oder Fransengürtel, bei den Männern ist ein
Lendentuch gebräuchlich, doch genügt an den abgelegnen Küsten
und Inseln oft ein Stück Bambusrohr, ein zusammengerolltes Blatt,
ein Kürbis, eine Muschel um das Geschlechtswerkzeug zu ver-
stecken und es an einer Hüftenschnur festzubinden 5). Gänzliche

1) Nieuw Guinea, ethnographisch onderzoocht. Amsterdam 1862. p. 178.
2) Der Malayische Archipel. Bd. 2. S. 413.
3) J. G. Wood, Natural History of man. London 1870. tom. II. p. 325.
4) O. Finsch, Neu-Guinea S. 113.
5) Dieselbe Sitte herrschte zur Zeit der Entdeckung am caribischen Golf
in Cumana und auf der Landenge von Darien s. Peschel, Zeitalter der Ent-
deckungen. S. 321. S. 454. Das Zusammenschnüren der Vorhaut, ebenfalls
eine papuanische Sitte wiederholt sich bei den brasilianischen Machacaris am
Belmonte sowie bei den Patachos. Prinz v. Neuwied, Reise nach Brasilien.
Frankfurt 1820. Bd. 1. S. 377.

Die australischen und asiatischen Papuanen.
ben und wie Kattun mit hölzernen, ausgeschnitzten Modeln oder
mit Schablonen aus Bananenblättern bunt zu mustern verstehen.
So zeichneten auch die Bewohner der Humboldtsbay (Neu-Guinea)
als ihnen holländische Seefahrer Papier und Bleistift gaben, ob-
gleich sie beides sicher zum ersten Male sahen, mit fester Hand
Fische und Vögel 1). Wallace legt grosses Gewicht darauf dass
der Papuane sein Haus, sein Fahrzeug und seine Geräthe mit
Schnitzwerk verziert und daher einen Kunsttrieb verräth, den er
der malayischen Race fast gänzlich abspricht 2). Allein das
Letztre gilt höchstens nur von den asiatischen Malayen und kann
auch bei diesen dem Umstande zugeschrieben werden, dass die
Gewerbe und Künste der Halbcultur nach längerem Handelsver-
kehr mit verfeinerten Völkern vernachlässigt werden und erlöschen.
Die polynesischen Malayen dagegen überbieten durch kunstsinnige
Schnitzereien und Tätowirungen leicht alle Papuanen. Die letz-
teren haben sich wie ihre weite überseeische Verbreitung bezeugt,
frühzeitig und vielleicht vor den Malayen auf die See gewagt,
sind aber von diesen an nautischer Geschicklichkeit später weit
überboten worden. Die Werkzeuge der Papuanen sind undurch-
bohrte Steingeräthe 3), doch hat sich über den Westen von Neu
Guinea bereits die Kenntniss der Eisenerze und ihrer Ausschmel-
zung verbreitet. Da bei letzterer der malayische Blasbalg mit
Röhren und Pumpen angewendet wird 4), so wissen wir auch, dass
jener Fortschritt aus dem Westen stammt.

Das weibliche Geschlecht bedeckt sich nach der Altersreife
stets mit dem Liku oder Fransengürtel, bei den Männern ist ein
Lendentuch gebräuchlich, doch genügt an den abgelegnen Küsten
und Inseln oft ein Stück Bambusrohr, ein zusammengerolltes Blatt,
ein Kürbis, eine Muschel um das Geschlechtswerkzeug zu ver-
stecken und es an einer Hüftenschnur festzubinden 5). Gänzliche

1) Nieuw Guinea, ethnographisch onderzoocht. Amsterdam 1862. p. 178.
2) Der Malayische Archipel. Bd. 2. S. 413.
3) J. G. Wood, Natural History of man. London 1870. tom. II. p. 325.
4) O. Finsch, Neu-Guinea S. 113.
5) Dieselbe Sitte herrschte zur Zeit der Entdeckung am caribischen Golf
in Cumaná und auf der Landenge von Darien s. Peschel, Zeitalter der Ent-
deckungen. S. 321. S. 454. Das Zusammenschnüren der Vorhaut, ebenfalls
eine papuanische Sitte wiederholt sich bei den brasilianischen Machacaris am
Belmonte sowie bei den Patachos. Prinz v. Neuwied, Reise nach Brasilien.
Frankfurt 1820. Bd. 1. S. 377.
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[364/0382] Die australischen und asiatischen Papuanen. ben und wie Kattun mit hölzernen, ausgeschnitzten Modeln oder mit Schablonen aus Bananenblättern bunt zu mustern verstehen. So zeichneten auch die Bewohner der Humboldtsbay (Neu-Guinea) als ihnen holländische Seefahrer Papier und Bleistift gaben, ob- gleich sie beides sicher zum ersten Male sahen, mit fester Hand Fische und Vögel 1). Wallace legt grosses Gewicht darauf dass der Papuane sein Haus, sein Fahrzeug und seine Geräthe mit Schnitzwerk verziert und daher einen Kunsttrieb verräth, den er der malayischen Race fast gänzlich abspricht 2). Allein das Letztre gilt höchstens nur von den asiatischen Malayen und kann auch bei diesen dem Umstande zugeschrieben werden, dass die Gewerbe und Künste der Halbcultur nach längerem Handelsver- kehr mit verfeinerten Völkern vernachlässigt werden und erlöschen. Die polynesischen Malayen dagegen überbieten durch kunstsinnige Schnitzereien und Tätowirungen leicht alle Papuanen. Die letz- teren haben sich wie ihre weite überseeische Verbreitung bezeugt, frühzeitig und vielleicht vor den Malayen auf die See gewagt, sind aber von diesen an nautischer Geschicklichkeit später weit überboten worden. Die Werkzeuge der Papuanen sind undurch- bohrte Steingeräthe 3), doch hat sich über den Westen von Neu Guinea bereits die Kenntniss der Eisenerze und ihrer Ausschmel- zung verbreitet. Da bei letzterer der malayische Blasbalg mit Röhren und Pumpen angewendet wird 4), so wissen wir auch, dass jener Fortschritt aus dem Westen stammt. Das weibliche Geschlecht bedeckt sich nach der Altersreife stets mit dem Liku oder Fransengürtel, bei den Männern ist ein Lendentuch gebräuchlich, doch genügt an den abgelegnen Küsten und Inseln oft ein Stück Bambusrohr, ein zusammengerolltes Blatt, ein Kürbis, eine Muschel um das Geschlechtswerkzeug zu ver- stecken und es an einer Hüftenschnur festzubinden 5). Gänzliche 1) Nieuw Guinea, ethnographisch onderzoocht. Amsterdam 1862. p. 178. 2) Der Malayische Archipel. Bd. 2. S. 413. 3) J. G. Wood, Natural History of man. London 1870. tom. II. p. 325. 4) O. Finsch, Neu-Guinea S. 113. 5) Dieselbe Sitte herrschte zur Zeit der Entdeckung am caribischen Golf in Cumaná und auf der Landenge von Darien s. Peschel, Zeitalter der Ent- deckungen. S. 321. S. 454. Das Zusammenschnüren der Vorhaut, ebenfalls eine papuanische Sitte wiederholt sich bei den brasilianischen Machacaris am Belmonte sowie bei den Patachos. Prinz v. Neuwied, Reise nach Brasilien. Frankfurt 1820. Bd. 1. S. 377.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/382>, abgerufen am 25.04.2024.