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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die australischen und asiatischen Papuanen.
warten lässt, schwarz, sondern dunkelkupferfarbig. Die Lippen
sind ein wenig wulstig und die Kiefern zeigen einen milden
Prognathismus. Man findet bei diesen Jägerstämmen Bogen und
Pfeil, die sonst nicht bei Malayen vorkommen 1).

Nach den angeführten Merkmalen können auch die Negrito
von Mariveles und die Negrito des nördlichen Luzon nach einer
Photographie, welche Jagor abgebildet hat 2), zu den Aeta ge-
rechnet werden. Soweit stände kein Hinderniss im Wege, diese
von Malayen verdrängte und beinahe ausgerottete Urbevölkerung
mit den australischen Papuanen zu einer Race zu vereinigen.
Wenn wir sie wieder als eine besondere Abtheilung von ihnen
trennen, so geschieht es aus Vorsicht, weil erst künftige genauere
Untersuchungen uns volle Klarheit über ihre Racenstellung bringen
können. Einige Schädel nämlich, die durch Schetelig unter den
Namen von Negritos der Insel Luzon nach Berlin gelangten,
zeigten nach den Messungen von Virchow eine relative Breite von
80,8 bis 90,6 bei einer relativen Höhe von 77,6 bis 82,3. Es
waren also Breitschädel von geringer Höhe, bei denen ausser-
dem der Prognathismus, hauptsächlich durch die Stellung der
Zahnfächer, stark hervortrat und deren Jochbogen weit vorsprangen.
Die Schädelform weicht hier zu stark in brachycephaler Richtung
ab, um uns nicht über die Verwandtschaft mit den australischen
Papuanen zu beunruhigen. Doch besteht die Hoffnung, dass jene
Kopfbildungen nur künstlichen Ursprunges seien, wie dies aus-
drücklich von Virchow vermuthet wird 3). Obendrein behauptet
Karl Semper, dass die fraglichen Schädel sämmtlich aus den Ge-
birgen von Mariveles in der Nähe Manila's herstammen, deren
Bevölkerung längst durch Mischung ihre Reinheit verloren habe 4).
Versprengte Reste einer ehemaligen papuanischen Urbevölkerung
sind noch bei Sohoe (Sohu) und Galela auf Halmahera von Wallace
gesehen worden. Sie haben die Haarkrone der Papuanen, sind
bärtig, am Leibe behaart, aber dabei so hell wie die Malayen 5).

1) Karl Semper, Die Philippinen. Würzburg 1869. S. 49--52.
2) Reisen in den Philippinen. S. 63. S. 376.
3) Virchow im Anhang zu Jagor, Reisen in den Philippinen.
S. 374.
4) Die Palau-Inseln. S. 364.
5) Der malayische Archipel. Bd. 2. S. 415.

Die australischen und asiatischen Papuanen.
warten lässt, schwarz, sondern dunkelkupferfarbig. Die Lippen
sind ein wenig wulstig und die Kiefern zeigen einen milden
Prognathismus. Man findet bei diesen Jägerstämmen Bogen und
Pfeil, die sonst nicht bei Malayen vorkommen 1).

Nach den angeführten Merkmalen können auch die Negrito
von Mariveles und die Negrito des nördlichen Luzon nach einer
Photographie, welche Jagor abgebildet hat 2), zu den Aëta ge-
rechnet werden. Soweit stände kein Hinderniss im Wege, diese
von Malayen verdrängte und beinahe ausgerottete Urbevölkerung
mit den australischen Papuanen zu einer Race zu vereinigen.
Wenn wir sie wieder als eine besondere Abtheilung von ihnen
trennen, so geschieht es aus Vorsicht, weil erst künftige genauere
Untersuchungen uns volle Klarheit über ihre Racenstellung bringen
können. Einige Schädel nämlich, die durch Schetelig unter den
Namen von Negritos der Insel Luzon nach Berlin gelangten,
zeigten nach den Messungen von Virchow eine relative Breite von
80,8 bis 90,6 bei einer relativen Höhe von 77,6 bis 82,3. Es
waren also Breitschädel von geringer Höhe, bei denen ausser-
dem der Prognathismus, hauptsächlich durch die Stellung der
Zahnfächer, stark hervortrat und deren Jochbogen weit vorsprangen.
Die Schädelform weicht hier zu stark in brachycephaler Richtung
ab, um uns nicht über die Verwandtschaft mit den australischen
Papuanen zu beunruhigen. Doch besteht die Hoffnung, dass jene
Kopfbildungen nur künstlichen Ursprunges seien, wie dies aus-
drücklich von Virchow vermuthet wird 3). Obendrein behauptet
Karl Semper, dass die fraglichen Schädel sämmtlich aus den Ge-
birgen von Mariveles in der Nähe Manila’s herstammen, deren
Bevölkerung längst durch Mischung ihre Reinheit verloren habe 4).
Versprengte Reste einer ehemaligen papuanischen Urbevölkerung
sind noch bei Sohoe (Sohu) und Galela auf Halmahera von Wallace
gesehen worden. Sie haben die Haarkrone der Papuanen, sind
bärtig, am Leibe behaart, aber dabei so hell wie die Malayen 5).

1) Karl Semper, Die Philippinen. Würzburg 1869. S. 49—52.
2) Reisen in den Philippinen. S. 63. S. 376.
3) Virchow im Anhang zu Jagor, Reisen in den Philippinen.
S. 374.
4) Die Palau-Inseln. S. 364.
5) Der malayische Archipel. Bd. 2. S. 415.
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[361/0379] Die australischen und asiatischen Papuanen. warten lässt, schwarz, sondern dunkelkupferfarbig. Die Lippen sind ein wenig wulstig und die Kiefern zeigen einen milden Prognathismus. Man findet bei diesen Jägerstämmen Bogen und Pfeil, die sonst nicht bei Malayen vorkommen 1). Nach den angeführten Merkmalen können auch die Negrito von Mariveles und die Negrito des nördlichen Luzon nach einer Photographie, welche Jagor abgebildet hat 2), zu den Aëta ge- rechnet werden. Soweit stände kein Hinderniss im Wege, diese von Malayen verdrängte und beinahe ausgerottete Urbevölkerung mit den australischen Papuanen zu einer Race zu vereinigen. Wenn wir sie wieder als eine besondere Abtheilung von ihnen trennen, so geschieht es aus Vorsicht, weil erst künftige genauere Untersuchungen uns volle Klarheit über ihre Racenstellung bringen können. Einige Schädel nämlich, die durch Schetelig unter den Namen von Negritos der Insel Luzon nach Berlin gelangten, zeigten nach den Messungen von Virchow eine relative Breite von 80,8 bis 90,6 bei einer relativen Höhe von 77,6 bis 82,3. Es waren also Breitschädel von geringer Höhe, bei denen ausser- dem der Prognathismus, hauptsächlich durch die Stellung der Zahnfächer, stark hervortrat und deren Jochbogen weit vorsprangen. Die Schädelform weicht hier zu stark in brachycephaler Richtung ab, um uns nicht über die Verwandtschaft mit den australischen Papuanen zu beunruhigen. Doch besteht die Hoffnung, dass jene Kopfbildungen nur künstlichen Ursprunges seien, wie dies aus- drücklich von Virchow vermuthet wird 3). Obendrein behauptet Karl Semper, dass die fraglichen Schädel sämmtlich aus den Ge- birgen von Mariveles in der Nähe Manila’s herstammen, deren Bevölkerung längst durch Mischung ihre Reinheit verloren habe 4). Versprengte Reste einer ehemaligen papuanischen Urbevölkerung sind noch bei Sohoe (Sohu) und Galela auf Halmahera von Wallace gesehen worden. Sie haben die Haarkrone der Papuanen, sind bärtig, am Leibe behaart, aber dabei so hell wie die Malayen 5). 1) Karl Semper, Die Philippinen. Würzburg 1869. S. 49—52. 2) Reisen in den Philippinen. S. 63. S. 376. 3) Virchow im Anhang zu Jagor, Reisen in den Philippinen. S. 374. 4) Die Palau-Inseln. S. 364. 5) Der malayische Archipel. Bd. 2. S. 415.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/379>, abgerufen am 24.04.2024.