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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Australier.
ridian Adelaide's verweilte, dass auf den Fluren, welche die Ueber-
schwemmungen der Regenzeit zu bedecken pflegen, eine Hülsen-
frucht wuchs, die den Wicken glich. Die Eingebornen fegten die
ausgefallenen Körner zusammen, reinigten sie durch Worfeln, zer-
rieben sie zu Mehl und buken daraus flache Kuchen. Wahr-
scheinlich ist dies die nämliche Frucht, aus welcher die Stämme
am Cooper Creek das Nardubrod bereiteten, womit sie den beiden
vom Unglück verfolgten ersten Durchwanderern des Festlandes,
Burke und Wills, auf der Rückkehr vom Carpentariagolf eine Zeit-
lang das Leben fristeten. Howitt, der ihren letzten überlebenden
Begleiter King dort rettete, beschreibt am 1. September 1861 am
Cooper Creek wahrscheinlich das Muttergewächs der Nardukörner,
nämlich eine Pflanze, die dem Laub nach dem Klee gleiche, nur
dass sie mit einem silbernen Flaum überzogen sei, wie auch die
Samen, so lange sie noch frisch sind. Letztere, flach und beinahe
eirund, verdecken, wenn das Kraut abstirbt, buchstäblich den
Boden und werden, nachdem sie vom Sand gereinigt worden sind,
von den Eingebornen zermalmt und in Brod verwandelt 1).

Diese Thatsachen bereichern uns um eine wichtige Erkenntniss,
dass nämlich die Mehlbereitung und das Brodbacken älter sind
als der Ackerbau. Wie es aber gekommen sei, dass die Einge-
bornen nicht auf den Gedanken verfielen, jene nützlichen Früchte
durch künstlichen Anbau zu vervielfältigen, sich auf diese Art Vor-
räthe zu schaffen und ihre Abhängigkeit vom Ertrag der Jagd zu
lockern, vom Zwange des Umherziehens sich zu befreien und zu-
gleich eine zahlreiche Nachkommenschaft aufziehen zu können,
dafür lassen sich verschiedene Gründe anführen. Australien besitzt
eine grosse Mannichfaltigkeit von Fruchtbäumen, ganz besonders
der tropische Theil, so dass fast keiner der Erforscher heimkehrt,
ohne irgendeine neue oder vermeintlich neue Entdeckung dieser
Art heimzubringen; selbst Bananen werden im Carpentarialand als
wildwachsend aufgeführt, und Ferdinand Müller stiess im Norden
auf eine traubentragende Rebe, die er identisch hält mit unserm
Weinstock. Im Süden aber war die sogenannte Hottentottenfeige,
das heisst die Frucht einer Mesembryanthemum-Art, ein Nahrungs-
geschenk der Natur. Mehr noch als Obst, dessen Geniessbarkeit
auf eine kurze Dauer eingeschränkt blieb, verzögerte das Vor-

1) Petermann's Mittheilungen. 1862. S. 79--80.
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Die Australier.
ridian Adelaide’s verweilte, dass auf den Fluren, welche die Ueber-
schwemmungen der Regenzeit zu bedecken pflegen, eine Hülsen-
frucht wuchs, die den Wicken glich. Die Eingebornen fegten die
ausgefallenen Körner zusammen, reinigten sie durch Worfeln, zer-
rieben sie zu Mehl und buken daraus flache Kuchen. Wahr-
scheinlich ist dies die nämliche Frucht, aus welcher die Stämme
am Cooper Creek das Nardubrod bereiteten, womit sie den beiden
vom Unglück verfolgten ersten Durchwanderern des Festlandes,
Burke und Wills, auf der Rückkehr vom Carpentariagolf eine Zeit-
lang das Leben fristeten. Howitt, der ihren letzten überlebenden
Begleiter King dort rettete, beschreibt am 1. September 1861 am
Cooper Creek wahrscheinlich das Muttergewächs der Nardukörner,
nämlich eine Pflanze, die dem Laub nach dem Klee gleiche, nur
dass sie mit einem silbernen Flaum überzogen sei, wie auch die
Samen, so lange sie noch frisch sind. Letztere, flach und beinahe
eirund, verdecken, wenn das Kraut abstirbt, buchstäblich den
Boden und werden, nachdem sie vom Sand gereinigt worden sind,
von den Eingebornen zermalmt und in Brod verwandelt 1).

Diese Thatsachen bereichern uns um eine wichtige Erkenntniss,
dass nämlich die Mehlbereitung und das Brodbacken älter sind
als der Ackerbau. Wie es aber gekommen sei, dass die Einge-
bornen nicht auf den Gedanken verfielen, jene nützlichen Früchte
durch künstlichen Anbau zu vervielfältigen, sich auf diese Art Vor-
räthe zu schaffen und ihre Abhängigkeit vom Ertrag der Jagd zu
lockern, vom Zwange des Umherziehens sich zu befreien und zu-
gleich eine zahlreiche Nachkommenschaft aufziehen zu können,
dafür lassen sich verschiedene Gründe anführen. Australien besitzt
eine grosse Mannichfaltigkeit von Fruchtbäumen, ganz besonders
der tropische Theil, so dass fast keiner der Erforscher heimkehrt,
ohne irgendeine neue oder vermeintlich neue Entdeckung dieser
Art heimzubringen; selbst Bananen werden im Carpentarialand als
wildwachsend aufgeführt, und Ferdinand Müller stiess im Norden
auf eine traubentragende Rebe, die er identisch hält mit unserm
Weinstock. Im Süden aber war die sogenannte Hottentottenfeige,
das heisst die Frucht einer Mesembryanthemum-Art, ein Nahrungs-
geschenk der Natur. Mehr noch als Obst, dessen Geniessbarkeit
auf eine kurze Dauer eingeschränkt blieb, verzögerte das Vor-

1) Petermann’s Mittheilungen. 1862. S. 79—80.
23*
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[355/0373] Die Australier. ridian Adelaide’s verweilte, dass auf den Fluren, welche die Ueber- schwemmungen der Regenzeit zu bedecken pflegen, eine Hülsen- frucht wuchs, die den Wicken glich. Die Eingebornen fegten die ausgefallenen Körner zusammen, reinigten sie durch Worfeln, zer- rieben sie zu Mehl und buken daraus flache Kuchen. Wahr- scheinlich ist dies die nämliche Frucht, aus welcher die Stämme am Cooper Creek das Nardubrod bereiteten, womit sie den beiden vom Unglück verfolgten ersten Durchwanderern des Festlandes, Burke und Wills, auf der Rückkehr vom Carpentariagolf eine Zeit- lang das Leben fristeten. Howitt, der ihren letzten überlebenden Begleiter King dort rettete, beschreibt am 1. September 1861 am Cooper Creek wahrscheinlich das Muttergewächs der Nardukörner, nämlich eine Pflanze, die dem Laub nach dem Klee gleiche, nur dass sie mit einem silbernen Flaum überzogen sei, wie auch die Samen, so lange sie noch frisch sind. Letztere, flach und beinahe eirund, verdecken, wenn das Kraut abstirbt, buchstäblich den Boden und werden, nachdem sie vom Sand gereinigt worden sind, von den Eingebornen zermalmt und in Brod verwandelt 1). Diese Thatsachen bereichern uns um eine wichtige Erkenntniss, dass nämlich die Mehlbereitung und das Brodbacken älter sind als der Ackerbau. Wie es aber gekommen sei, dass die Einge- bornen nicht auf den Gedanken verfielen, jene nützlichen Früchte durch künstlichen Anbau zu vervielfältigen, sich auf diese Art Vor- räthe zu schaffen und ihre Abhängigkeit vom Ertrag der Jagd zu lockern, vom Zwange des Umherziehens sich zu befreien und zu- gleich eine zahlreiche Nachkommenschaft aufziehen zu können, dafür lassen sich verschiedene Gründe anführen. Australien besitzt eine grosse Mannichfaltigkeit von Fruchtbäumen, ganz besonders der tropische Theil, so dass fast keiner der Erforscher heimkehrt, ohne irgendeine neue oder vermeintlich neue Entdeckung dieser Art heimzubringen; selbst Bananen werden im Carpentarialand als wildwachsend aufgeführt, und Ferdinand Müller stiess im Norden auf eine traubentragende Rebe, die er identisch hält mit unserm Weinstock. Im Süden aber war die sogenannte Hottentottenfeige, das heisst die Frucht einer Mesembryanthemum-Art, ein Nahrungs- geschenk der Natur. Mehr noch als Obst, dessen Geniessbarkeit auf eine kurze Dauer eingeschränkt blieb, verzögerte das Vor- 1) Petermann’s Mittheilungen. 1862. S. 79—80. 23*

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/373>, abgerufen am 29.03.2024.