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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Australier.
Gethier, wie Raupen, Eidechsen, Ameisen und Würmer. Als
Jäger wären sie, ohne Bogen und Pfeil zu führen, selbst mit dem
Wurfbrett zeitenweis grossen Misserfolgen ausgesetzt gewesen,
wenn sie nicht das Mittel der Grasbrände reichlich zum Zutreiben
des Wildes angewendet hätten. Die Jagd selbst nöthigte sie aber
zu raschem Wechsel der Wohnsitze. Wenn die Lachen der letzten
Regenzeit zu versiegen begannen, mussten sie ihre Reviere ver-
lassen und die wohlbekannten Stellen aufsuchen, wo in tiefen
natürlichen Becken noch dauerndes Wasser zurückgeblieben war.
So könnte es vielleicht die Steppennatur des Festlandes zu ver-
antworten haben, dass die Eingebornen von jedem Gedanken
eines Feldbaues aufgescheucht worden seien.

Wenn man die Berichte der neuen Erforscher jenes Festlandes,
abgehärteter und verdienstvoller, aber meistens ungebildeter Männer
liest, so hört man oft von ihnen die australischen Gramineen als
"Hafer-" und als "Gerstengras" bezeichnen 1). Von vornherein
wäre zu vermuthen gewesen, dass auf einem so ausgedehnten
sonnigen Steppengebiet wilde Getreidearten sich finden sollten.
Sie sind auch wirklich vorhanden, und allem Anschein nach viel-
leicht in absolut, jedenfalls in relativ grösserer Mannichfaltigkeit
als in Amerika. So fand der Botaniker Ferdinand Müller 2) am
Sturts-Creek und am Victoria auf Sumpfland wilden Reis, den die
Eingebornen zu Mehl zwischen Steinen verrieben, ferner essbare
Samen einer wilden Getreideart aus der Gattung Panicum, zu der
auch unsere Hirse zählt, und im Nordwesten Australiens hin und
wieder eine Art wilden Hafers. Ebenso hat Mac Douall Stuart 3)
am 28. April 1861 bei seinem zweiten Versuch, das Festland zu
kreuzen, am Tomkinson Creek (etwa 18° 20' s. Br.) eine Ge-
treideart entdeckt, die dem Weizen völlig glich, nur dass die
Körner kleiner, das Stroh aber um vieles zäher war. Ferner be-
merkte Mac Kinlay 4), als er im Herbst 1861 an dem merkwürdigen
Seengebiet zwischen 28° und 26° s. Br. etwas östlich vom Me-

1) Landsborough, im Journal of the R. Geogr. Society. vol. XXXIII.
p. 93.
2) Ausland. 1859. S. 1016.
3) Journal of the R. Geogr. Society. London 1862. vol. XXXII. p. 343.
4) l. c. London 1863. vol. XXXIII. p. 24.

Die Australier.
Gethier, wie Raupen, Eidechsen, Ameisen und Würmer. Als
Jäger wären sie, ohne Bogen und Pfeil zu führen, selbst mit dem
Wurfbrett zeitenweis grossen Misserfolgen ausgesetzt gewesen,
wenn sie nicht das Mittel der Grasbrände reichlich zum Zutreiben
des Wildes angewendet hätten. Die Jagd selbst nöthigte sie aber
zu raschem Wechsel der Wohnsitze. Wenn die Lachen der letzten
Regenzeit zu versiegen begannen, mussten sie ihre Reviere ver-
lassen und die wohlbekannten Stellen aufsuchen, wo in tiefen
natürlichen Becken noch dauerndes Wasser zurückgeblieben war.
So könnte es vielleicht die Steppennatur des Festlandes zu ver-
antworten haben, dass die Eingebornen von jedem Gedanken
eines Feldbaues aufgescheucht worden seien.

Wenn man die Berichte der neuen Erforscher jenes Festlandes,
abgehärteter und verdienstvoller, aber meistens ungebildeter Männer
liest, so hört man oft von ihnen die australischen Gramineen als
„Hafer-“ und als „Gerstengras“ bezeichnen 1). Von vornherein
wäre zu vermuthen gewesen, dass auf einem so ausgedehnten
sonnigen Steppengebiet wilde Getreidearten sich finden sollten.
Sie sind auch wirklich vorhanden, und allem Anschein nach viel-
leicht in absolut, jedenfalls in relativ grösserer Mannichfaltigkeit
als in Amerika. So fand der Botaniker Ferdinand Müller 2) am
Sturts-Creek und am Victoria auf Sumpfland wilden Reis, den die
Eingebornen zu Mehl zwischen Steinen verrieben, ferner essbare
Samen einer wilden Getreideart aus der Gattung Panicum, zu der
auch unsere Hirse zählt, und im Nordwesten Australiens hin und
wieder eine Art wilden Hafers. Ebenso hat Mac Douall Stuart 3)
am 28. April 1861 bei seinem zweiten Versuch, das Festland zu
kreuzen, am Tomkinson Creek (etwa 18° 20′ s. Br.) eine Ge-
treideart entdeckt, die dem Weizen völlig glich, nur dass die
Körner kleiner, das Stroh aber um vieles zäher war. Ferner be-
merkte Mac Kinlay 4), als er im Herbst 1861 an dem merkwürdigen
Seengebiet zwischen 28° und 26° s. Br. etwas östlich vom Me-

1) Landsborough, im Journal of the R. Geogr. Society. vol. XXXIII.
p. 93.
2) Ausland. 1859. S. 1016.
3) Journal of the R. Geogr. Society. London 1862. vol. XXXII. p. 343.
4) l. c. London 1863. vol. XXXIII. p. 24.
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[354/0372] Die Australier. Gethier, wie Raupen, Eidechsen, Ameisen und Würmer. Als Jäger wären sie, ohne Bogen und Pfeil zu führen, selbst mit dem Wurfbrett zeitenweis grossen Misserfolgen ausgesetzt gewesen, wenn sie nicht das Mittel der Grasbrände reichlich zum Zutreiben des Wildes angewendet hätten. Die Jagd selbst nöthigte sie aber zu raschem Wechsel der Wohnsitze. Wenn die Lachen der letzten Regenzeit zu versiegen begannen, mussten sie ihre Reviere ver- lassen und die wohlbekannten Stellen aufsuchen, wo in tiefen natürlichen Becken noch dauerndes Wasser zurückgeblieben war. So könnte es vielleicht die Steppennatur des Festlandes zu ver- antworten haben, dass die Eingebornen von jedem Gedanken eines Feldbaues aufgescheucht worden seien. Wenn man die Berichte der neuen Erforscher jenes Festlandes, abgehärteter und verdienstvoller, aber meistens ungebildeter Männer liest, so hört man oft von ihnen die australischen Gramineen als „Hafer-“ und als „Gerstengras“ bezeichnen 1). Von vornherein wäre zu vermuthen gewesen, dass auf einem so ausgedehnten sonnigen Steppengebiet wilde Getreidearten sich finden sollten. Sie sind auch wirklich vorhanden, und allem Anschein nach viel- leicht in absolut, jedenfalls in relativ grösserer Mannichfaltigkeit als in Amerika. So fand der Botaniker Ferdinand Müller 2) am Sturts-Creek und am Victoria auf Sumpfland wilden Reis, den die Eingebornen zu Mehl zwischen Steinen verrieben, ferner essbare Samen einer wilden Getreideart aus der Gattung Panicum, zu der auch unsere Hirse zählt, und im Nordwesten Australiens hin und wieder eine Art wilden Hafers. Ebenso hat Mac Douall Stuart 3) am 28. April 1861 bei seinem zweiten Versuch, das Festland zu kreuzen, am Tomkinson Creek (etwa 18° 20′ s. Br.) eine Ge- treideart entdeckt, die dem Weizen völlig glich, nur dass die Körner kleiner, das Stroh aber um vieles zäher war. Ferner be- merkte Mac Kinlay 4), als er im Herbst 1861 an dem merkwürdigen Seengebiet zwischen 28° und 26° s. Br. etwas östlich vom Me- 1) Landsborough, im Journal of the R. Geogr. Society. vol. XXXIII. p. 93. 2) Ausland. 1859. S. 1016. 3) Journal of the R. Geogr. Society. London 1862. vol. XXXII. p. 343. 4) l. c. London 1863. vol. XXXIII. p. 24.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/372>, abgerufen am 18.04.2024.