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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Australier.
gewehre sind Wurfgeschosse, vor allen Dingen der Speer, dessen
Spitze entweder am Feuer gehärtet zur Jagd, mit eingekerbten
Widerhaken versehen als Fischharpune, oder mit scharfen Kieseln
oder Muscheln bewehrt für das Gefecht dient. Der Bumerang be-
findet sich in den Händen aller Stämme der Nord-, West-, Süd- und
Ostküste, mit Ausnahme der Bewohner der Carpentariahalbinsel
und einiger Stämme am untern Murray. Schilder als Schutzwaffen
werden bei sämmtlichen Stämmen an der Küste wie im Innern
angetroffen und nur in Westaustralien vermisst. Die Bewohner
der Ostküste verfertigen für den Fischfang Schnüre und Angel-
haken, die letzteren aus Vogelklauen oder Muschelschalen, während
an der Westküste, wo das Angelgeräth fehlt, Netze gebraucht
werden1). Ein ästhetisches Bedürfniss nach Verhüllung des
Körpers ist noch nirgends erwacht, zum Schutze gegen rauhe
Witterung aber werden kragenartige Mäntel aus Thierfellen
an der West-, Süd- und Ostküste umgeworfen. Sonst gürten sich
viele Stämme die Hüften mit Schnüren, die zur Zeit von Nahrungs-
mangel fester zusammengezogen werden, um die Empfindung der
Leerheit zu unterdrücken. Spuren von Bekleidung treten erst auf,
wo der gute Einfluss der Papuanen fühlbar wird, nämlich auf der
Carpentariahalbinsel2). Die Kunstwerke und Denkmale, welche
die Australier hinterlassen haben, bestehen fast nur in Ver-
zierungen von Grabstätten oder in den kahnartig ausgehöhlten
Särgen, die nicht blos an der Ostküste vorkommen, sondern von
denen eins mit einer Kinderleiche von Mac Douall Stuart am
12. Mai 1861 im Ashburton-Gebirge nördlich vom Centrum
des Festlandes wahrgenommen und von ihm als das höchste bis-
her gesehene Meisterstück der Eingebornen bezeichnet wurde3).
Sonst erinnern wir noch an die Menschen- und Thiergestalten,
die mit Kreide und Ocher an Felsen des Victoriaflussbettes von
den Eingebornen gezeichnet und von Gregory und Müller4) 1856
bemerkt worden waren, sowie an die noch merkwürdigeren zoll-
tiefen Einritzungen von Felsen an der Ostküste, unter andern bei

1) Lubbock, Prehistoric times. 2d. edit. p. 430.
2) Waitz, l. c. S. 738.
3) Journal of the R. Geogr. Society. London 1862. vol. XXXII. p. 350.
4) Ausland. 1859. S. 1017.

Die Australier.
gewehre sind Wurfgeschosse, vor allen Dingen der Speer, dessen
Spitze entweder am Feuer gehärtet zur Jagd, mit eingekerbten
Widerhaken versehen als Fischharpune, oder mit scharfen Kieseln
oder Muscheln bewehrt für das Gefecht dient. Der Bumerang be-
findet sich in den Händen aller Stämme der Nord-, West-, Süd- und
Ostküste, mit Ausnahme der Bewohner der Carpentariahalbinsel
und einiger Stämme am untern Murray. Schilder als Schutzwaffen
werden bei sämmtlichen Stämmen an der Küste wie im Innern
angetroffen und nur in Westaustralien vermisst. Die Bewohner
der Ostküste verfertigen für den Fischfang Schnüre und Angel-
haken, die letzteren aus Vogelklauen oder Muschelschalen, während
an der Westküste, wo das Angelgeräth fehlt, Netze gebraucht
werden1). Ein ästhetisches Bedürfniss nach Verhüllung des
Körpers ist noch nirgends erwacht, zum Schutze gegen rauhe
Witterung aber werden kragenartige Mäntel aus Thierfellen
an der West-, Süd- und Ostküste umgeworfen. Sonst gürten sich
viele Stämme die Hüften mit Schnüren, die zur Zeit von Nahrungs-
mangel fester zusammengezogen werden, um die Empfindung der
Leerheit zu unterdrücken. Spuren von Bekleidung treten erst auf,
wo der gute Einfluss der Papuanen fühlbar wird, nämlich auf der
Carpentariahalbinsel2). Die Kunstwerke und Denkmale, welche
die Australier hinterlassen haben, bestehen fast nur in Ver-
zierungen von Grabstätten oder in den kahnartig ausgehöhlten
Särgen, die nicht blos an der Ostküste vorkommen, sondern von
denen eins mit einer Kinderleiche von Mac Douall Stuart am
12. Mai 1861 im Ashburton-Gebirge nördlich vom Centrum
des Festlandes wahrgenommen und von ihm als das höchste bis-
her gesehene Meisterstück der Eingebornen bezeichnet wurde3).
Sonst erinnern wir noch an die Menschen- und Thiergestalten,
die mit Kreide und Ocher an Felsen des Victoriaflussbettes von
den Eingebornen gezeichnet und von Gregory und Müller4) 1856
bemerkt worden waren, sowie an die noch merkwürdigeren zoll-
tiefen Einritzungen von Felsen an der Ostküste, unter andern bei

1) Lubbock, Prehistoric times. 2d. edit. p. 430.
2) Waitz, l. c. S. 738.
3) Journal of the R. Geogr. Society. London 1862. vol. XXXII. p. 350.
4) Ausland. 1859. S. 1017.
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[350/0368] Die Australier. gewehre sind Wurfgeschosse, vor allen Dingen der Speer, dessen Spitze entweder am Feuer gehärtet zur Jagd, mit eingekerbten Widerhaken versehen als Fischharpune, oder mit scharfen Kieseln oder Muscheln bewehrt für das Gefecht dient. Der Bumerang be- findet sich in den Händen aller Stämme der Nord-, West-, Süd- und Ostküste, mit Ausnahme der Bewohner der Carpentariahalbinsel und einiger Stämme am untern Murray. Schilder als Schutzwaffen werden bei sämmtlichen Stämmen an der Küste wie im Innern angetroffen und nur in Westaustralien vermisst. Die Bewohner der Ostküste verfertigen für den Fischfang Schnüre und Angel- haken, die letzteren aus Vogelklauen oder Muschelschalen, während an der Westküste, wo das Angelgeräth fehlt, Netze gebraucht werden 1). Ein ästhetisches Bedürfniss nach Verhüllung des Körpers ist noch nirgends erwacht, zum Schutze gegen rauhe Witterung aber werden kragenartige Mäntel aus Thierfellen an der West-, Süd- und Ostküste umgeworfen. Sonst gürten sich viele Stämme die Hüften mit Schnüren, die zur Zeit von Nahrungs- mangel fester zusammengezogen werden, um die Empfindung der Leerheit zu unterdrücken. Spuren von Bekleidung treten erst auf, wo der gute Einfluss der Papuanen fühlbar wird, nämlich auf der Carpentariahalbinsel 2). Die Kunstwerke und Denkmale, welche die Australier hinterlassen haben, bestehen fast nur in Ver- zierungen von Grabstätten oder in den kahnartig ausgehöhlten Särgen, die nicht blos an der Ostküste vorkommen, sondern von denen eins mit einer Kinderleiche von Mac Douall Stuart am 12. Mai 1861 im Ashburton-Gebirge nördlich vom Centrum des Festlandes wahrgenommen und von ihm als das höchste bis- her gesehene Meisterstück der Eingebornen bezeichnet wurde 3). Sonst erinnern wir noch an die Menschen- und Thiergestalten, die mit Kreide und Ocher an Felsen des Victoriaflussbettes von den Eingebornen gezeichnet und von Gregory und Müller 4) 1856 bemerkt worden waren, sowie an die noch merkwürdigeren zoll- tiefen Einritzungen von Felsen an der Ostküste, unter andern bei 1) Lubbock, Prehistoric times. 2d. edit. p. 430. 2) Waitz, l. c. S. 738. 3) Journal of the R. Geogr. Society. London 1862. vol. XXXII. p. 350. 4) Ausland. 1859. S. 1017.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/368>, abgerufen am 29.03.2024.