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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Australier.
Kähne mehr zu entdecken1). In der Botany-Bay fand Cook die
Eingebornen nur im Besitz von Rindenstücken, die als Fahrzeuge
dienen mussten, und nicht besser waren die Stämme am Murray
versehen2). Roher Flösse bedienten sich die Bewohner in der
Umgebung von Port Essington an der Nordküste, und der Bo-
taniker Ferd. Müller3), der mit August Gregory 1856 von der
Nordküste den Victoriafluss und den Sturts Creek entdeckte, be-
merkte bei den Binnenstämmen ebenfalls nur Flösse aus zwei oder
drei Stämmen, denen man sich aus Furcht vor den Alligatoren
zum Ueberschreiten von Gewässern anvertraute. Endlich wurde
Gregory's Schiff Dolphin, als es hinter den Dampier-Inseln der
Nordküste lag (1861), von Eingebornen besucht, die unausgehöhlte
Baumstämme als Fahrzeuge benutzten. An der Südküste sind die
Australier noch nicht zur See angetroffen worden und von den
West-Australiern am Swan River versichert James Browne4), dass
ihnen nicht blos alle Fahrzeuge fehlen, sondern sie sogar des
Schwimmens unkundig sind.

Am King George-Sund besteht das Obdach der Eingebornen
nur aus Lauben. Ueber Stäbe, die gebogen und deren Enden in
die Erde gesenkt werden, breiten sie Blätter als Bedeckung aus.
In Neu-Süd-Wales, in Queensland und am Carpentariagolf dient
auch die abgelöste Rinde eines Baumes, halb aufgerollt auf den
Boden gestellt, einer einzigen, oder etliche Rindenstücke über ein Ge-
stell aus Stäben ausgebreitet mehreren Personen zum Wetterschutz.
Der Australier baut also kein ständiges Obdach, sondern als herum-
streifender Jäger lebt er in einem Zelt aus Blättern oder Rinden
verfertigt. Doch finden sich Holzhütten in West-Australien und
geräumige Gebäude an der Coburg-Halbinsel, sowie solche mit
zwei Stockwerken am Carpentariagolf5). An den beiden letzteren
Räumen freilich ist an einen günstigen Einfluss von Malayen und
Papuanen zu denken.

Die Australier befanden sich zur Zeit der Entdeckung im Zeit-
alter der undurchbohrten Steingeräthe. Ihre Waffen und Jagd-

1) Jukes, Voyage of H. M. S. Fly. vol. II. p. 243.
2) George French Angas, Australia and New Zealand. vol. I. p. 90.
p. 93.
3) Ausland. 1859. S. 1018.
4) Petermann's Mittheilungen. 1856. S. 452:
5) Waitz (Gerland), Anthropologie. Bd. 6. S. 730.

Die Australier.
Kähne mehr zu entdecken1). In der Botany-Bay fand Cook die
Eingebornen nur im Besitz von Rindenstücken, die als Fahrzeuge
dienen mussten, und nicht besser waren die Stämme am Murray
versehen2). Roher Flösse bedienten sich die Bewohner in der
Umgebung von Port Essington an der Nordküste, und der Bo-
taniker Ferd. Müller3), der mit August Gregory 1856 von der
Nordküste den Victoriafluss und den Sturts Creek entdeckte, be-
merkte bei den Binnenstämmen ebenfalls nur Flösse aus zwei oder
drei Stämmen, denen man sich aus Furcht vor den Alligatoren
zum Ueberschreiten von Gewässern anvertraute. Endlich wurde
Gregory’s Schiff Dolphin, als es hinter den Dampier-Inseln der
Nordküste lag (1861), von Eingebornen besucht, die unausgehöhlte
Baumstämme als Fahrzeuge benutzten. An der Südküste sind die
Australier noch nicht zur See angetroffen worden und von den
West-Australiern am Swan River versichert James Browne4), dass
ihnen nicht blos alle Fahrzeuge fehlen, sondern sie sogar des
Schwimmens unkundig sind.

Am King George-Sund besteht das Obdach der Eingebornen
nur aus Lauben. Ueber Stäbe, die gebogen und deren Enden in
die Erde gesenkt werden, breiten sie Blätter als Bedeckung aus.
In Neu-Süd-Wales, in Queensland und am Carpentariagolf dient
auch die abgelöste Rinde eines Baumes, halb aufgerollt auf den
Boden gestellt, einer einzigen, oder etliche Rindenstücke über ein Ge-
stell aus Stäben ausgebreitet mehreren Personen zum Wetterschutz.
Der Australier baut also kein ständiges Obdach, sondern als herum-
streifender Jäger lebt er in einem Zelt aus Blättern oder Rinden
verfertigt. Doch finden sich Holzhütten in West-Australien und
geräumige Gebäude an der Coburg-Halbinsel, sowie solche mit
zwei Stockwerken am Carpentariagolf5). An den beiden letzteren
Räumen freilich ist an einen günstigen Einfluss von Malayen und
Papuanen zu denken.

Die Australier befanden sich zur Zeit der Entdeckung im Zeit-
alter der undurchbohrten Steingeräthe. Ihre Waffen und Jagd-

1) Jukes, Voyage of H. M. S. Fly. vol. II. p. 243.
2) George French Angas, Australia and New Zealand. vol. I. p. 90.
p. 93.
3) Ausland. 1859. S. 1018.
4) Petermann’s Mittheilungen. 1856. S. 452:
5) Waitz (Gerland), Anthropologie. Bd. 6. S. 730.
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[349/0367] Die Australier. Kähne mehr zu entdecken 1). In der Botany-Bay fand Cook die Eingebornen nur im Besitz von Rindenstücken, die als Fahrzeuge dienen mussten, und nicht besser waren die Stämme am Murray versehen 2). Roher Flösse bedienten sich die Bewohner in der Umgebung von Port Essington an der Nordküste, und der Bo- taniker Ferd. Müller 3), der mit August Gregory 1856 von der Nordküste den Victoriafluss und den Sturts Creek entdeckte, be- merkte bei den Binnenstämmen ebenfalls nur Flösse aus zwei oder drei Stämmen, denen man sich aus Furcht vor den Alligatoren zum Ueberschreiten von Gewässern anvertraute. Endlich wurde Gregory’s Schiff Dolphin, als es hinter den Dampier-Inseln der Nordküste lag (1861), von Eingebornen besucht, die unausgehöhlte Baumstämme als Fahrzeuge benutzten. An der Südküste sind die Australier noch nicht zur See angetroffen worden und von den West-Australiern am Swan River versichert James Browne 4), dass ihnen nicht blos alle Fahrzeuge fehlen, sondern sie sogar des Schwimmens unkundig sind. Am King George-Sund besteht das Obdach der Eingebornen nur aus Lauben. Ueber Stäbe, die gebogen und deren Enden in die Erde gesenkt werden, breiten sie Blätter als Bedeckung aus. In Neu-Süd-Wales, in Queensland und am Carpentariagolf dient auch die abgelöste Rinde eines Baumes, halb aufgerollt auf den Boden gestellt, einer einzigen, oder etliche Rindenstücke über ein Ge- stell aus Stäben ausgebreitet mehreren Personen zum Wetterschutz. Der Australier baut also kein ständiges Obdach, sondern als herum- streifender Jäger lebt er in einem Zelt aus Blättern oder Rinden verfertigt. Doch finden sich Holzhütten in West-Australien und geräumige Gebäude an der Coburg-Halbinsel, sowie solche mit zwei Stockwerken am Carpentariagolf 5). An den beiden letzteren Räumen freilich ist an einen günstigen Einfluss von Malayen und Papuanen zu denken. Die Australier befanden sich zur Zeit der Entdeckung im Zeit- alter der undurchbohrten Steingeräthe. Ihre Waffen und Jagd- 1) Jukes, Voyage of H. M. S. Fly. vol. II. p. 243. 2) George French Angas, Australia and New Zealand. vol. I. p. 90. p. 93. 3) Ausland. 1859. S. 1018. 4) Petermann’s Mittheilungen. 1856. S. 452: 5) Waitz (Gerland), Anthropologie. Bd. 6. S. 730.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/367>, abgerufen am 16.04.2024.