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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Australier.
heftige Regenzeit. Mitten im Continent sah sich Mac Kinlay1)
von Regenfluthen gefesselt, wenn nicht ernstlich bedroht, denn
beinahe auf der Hälfte des Gesichtskreises war nichts als eine
unbegrenzte Wasserfläche zu sehen, aus der nur höhere Bäume
und inselartig etliche Bodenerhebungen hervorragten. Aehnliches
erlebte J. M. Gilmore im äussersten Westen von Queensland2).
Auf eine solche jähe Entladung des Wasserdampfes aus den Luft-
strömen folgt eine ebenso hastige Verdunstung, und wenige
Wochen nach den Ueberflutnungen gähnt der Boden wieder vor
Dürre. In Folge dieser ungeregelten Vertheilung der Nieder-
schläge ist Australien, so weit wir es kennen3), vorzugsweise ein
Grasland mit parkartigem oder die Flüsse säumenden Baumwuchs,
wenn es auch nirgends an grossen Oasen von Buschland fehlt.
Diess wäre an sich der Entwickelung der menschlichen Gesell-
schaft nicht hinderlich gewesen, wenn sich nicht dazu das geo-
logische Verhängniss Australiens gesellt hätte.

Soweit die bisherigen Forschungen reichen, hat man bis jetzt
ein Auftreten von tertiärem Gebiet nur an zwei Stellen wahrge-
nommen4). Die Gebirgsarten sind entweder krystallinisch oder
ihre Versteinerungen gehören den frühesten Erdaltern an, da
sie selten über die Kohlenzeit und kaum bis zu den bunten Sand-
steinen reichen. Mit andern Worten will dies heissen, dass der
grösste Theil jener Planetenstelle seit den secundären und tertiären
Zeiten nicht mehr unter das Wasser tauchte, sondern ohne Wieder-
geburt oder Erholung allen Unbilden des Luftkreises seit dieser
Zeit ausgesetzt blieb und darüber mehr und mehr von seinen
plastischen Jugendreizen verlor. Denn die hohen Gebirgszüge der
primären und secundären Zeit müssen durch die lange Dauer der
Verwitterung und Abwaschung herabgeschleift und dem Boden
näher gebracht worden sein. Selbst dieses Loos wäre noch er-

1) Journal of the R. Geogr. Soc. London 1863. vol. XXXIII. p. 45--47.
2) Vergl. Petermann's Mittheil. 1872. Tafel 22.
3) Ein Schäfer Namens John Ross will allerdings unter 24° 30' s. Br.
und 137° östl. L. Greenw. nicht blos reiche Weidegründe, sondern auch auf
einer Strecke von 60 d. Meilen ausdauernde fliessende und stehende Gewässer
entdeckt haben, die sich für Dampfschifffahrt eignen sollen. Sir. R. Mur-
chison
in Proceedings of the R. Geogr. Soc. 22. Mai 1871. tom. XV. p. 297.
4) F. v. Hochstetter in Petermann's Mittheilungen. 1859. S. 208.

Die Australier.
heftige Regenzeit. Mitten im Continent sah sich Mac Kinlay1)
von Regenfluthen gefesselt, wenn nicht ernstlich bedroht, denn
beinahe auf der Hälfte des Gesichtskreises war nichts als eine
unbegrenzte Wasserfläche zu sehen, aus der nur höhere Bäume
und inselartig etliche Bodenerhebungen hervorragten. Aehnliches
erlebte J. M. Gilmore im äussersten Westen von Queensland2).
Auf eine solche jähe Entladung des Wasserdampfes aus den Luft-
strömen folgt eine ebenso hastige Verdunstung, und wenige
Wochen nach den Ueberflutnungen gähnt der Boden wieder vor
Dürre. In Folge dieser ungeregelten Vertheilung der Nieder-
schläge ist Australien, so weit wir es kennen3), vorzugsweise ein
Grasland mit parkartigem oder die Flüsse säumenden Baumwuchs,
wenn es auch nirgends an grossen Oasen von Buschland fehlt.
Diess wäre an sich der Entwickelung der menschlichen Gesell-
schaft nicht hinderlich gewesen, wenn sich nicht dazu das geo-
logische Verhängniss Australiens gesellt hätte.

Soweit die bisherigen Forschungen reichen, hat man bis jetzt
ein Auftreten von tertiärem Gebiet nur an zwei Stellen wahrge-
nommen4). Die Gebirgsarten sind entweder krystallinisch oder
ihre Versteinerungen gehören den frühesten Erdaltern an, da
sie selten über die Kohlenzeit und kaum bis zu den bunten Sand-
steinen reichen. Mit andern Worten will dies heissen, dass der
grösste Theil jener Planetenstelle seit den secundären und tertiären
Zeiten nicht mehr unter das Wasser tauchte, sondern ohne Wieder-
geburt oder Erholung allen Unbilden des Luftkreises seit dieser
Zeit ausgesetzt blieb und darüber mehr und mehr von seinen
plastischen Jugendreizen verlor. Denn die hohen Gebirgszüge der
primären und secundären Zeit müssen durch die lange Dauer der
Verwitterung und Abwaschung herabgeschleift und dem Boden
näher gebracht worden sein. Selbst dieses Loos wäre noch er-

1) Journal of the R. Geogr. Soc. London 1863. vol. XXXIII. p. 45—47.
2) Vergl. Petermann’s Mittheil. 1872. Tafel 22.
3) Ein Schäfer Namens John Ross will allerdings unter 24° 30′ s. Br.
und 137° östl. L. Greenw. nicht blos reiche Weidegründe, sondern auch auf
einer Strecke von 60 d. Meilen ausdauernde fliessende und stehende Gewässer
entdeckt haben, die sich für Dampfschifffahrt eignen sollen. Sir. R. Mur-
chison
in Proceedings of the R. Geogr. Soc. 22. Mai 1871. tom. XV. p. 297.
4) F. v. Hochstetter in Petermann’s Mittheilungen. 1859. S. 208.
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[345/0363] Die Australier. heftige Regenzeit. Mitten im Continent sah sich Mac Kinlay 1) von Regenfluthen gefesselt, wenn nicht ernstlich bedroht, denn beinahe auf der Hälfte des Gesichtskreises war nichts als eine unbegrenzte Wasserfläche zu sehen, aus der nur höhere Bäume und inselartig etliche Bodenerhebungen hervorragten. Aehnliches erlebte J. M. Gilmore im äussersten Westen von Queensland 2). Auf eine solche jähe Entladung des Wasserdampfes aus den Luft- strömen folgt eine ebenso hastige Verdunstung, und wenige Wochen nach den Ueberflutnungen gähnt der Boden wieder vor Dürre. In Folge dieser ungeregelten Vertheilung der Nieder- schläge ist Australien, so weit wir es kennen 3), vorzugsweise ein Grasland mit parkartigem oder die Flüsse säumenden Baumwuchs, wenn es auch nirgends an grossen Oasen von Buschland fehlt. Diess wäre an sich der Entwickelung der menschlichen Gesell- schaft nicht hinderlich gewesen, wenn sich nicht dazu das geo- logische Verhängniss Australiens gesellt hätte. Soweit die bisherigen Forschungen reichen, hat man bis jetzt ein Auftreten von tertiärem Gebiet nur an zwei Stellen wahrge- nommen 4). Die Gebirgsarten sind entweder krystallinisch oder ihre Versteinerungen gehören den frühesten Erdaltern an, da sie selten über die Kohlenzeit und kaum bis zu den bunten Sand- steinen reichen. Mit andern Worten will dies heissen, dass der grösste Theil jener Planetenstelle seit den secundären und tertiären Zeiten nicht mehr unter das Wasser tauchte, sondern ohne Wieder- geburt oder Erholung allen Unbilden des Luftkreises seit dieser Zeit ausgesetzt blieb und darüber mehr und mehr von seinen plastischen Jugendreizen verlor. Denn die hohen Gebirgszüge der primären und secundären Zeit müssen durch die lange Dauer der Verwitterung und Abwaschung herabgeschleift und dem Boden näher gebracht worden sein. Selbst dieses Loos wäre noch er- 1) Journal of the R. Geogr. Soc. London 1863. vol. XXXIII. p. 45—47. 2) Vergl. Petermann’s Mittheil. 1872. Tafel 22. 3) Ein Schäfer Namens John Ross will allerdings unter 24° 30′ s. Br. und 137° östl. L. Greenw. nicht blos reiche Weidegründe, sondern auch auf einer Strecke von 60 d. Meilen ausdauernde fliessende und stehende Gewässer entdeckt haben, die sich für Dampfschifffahrt eignen sollen. Sir. R. Mur- chison in Proceedings of the R. Geogr. Soc. 22. Mai 1871. tom. XV. p. 297. 4) F. v. Hochstetter in Petermann’s Mittheilungen. 1859. S. 208.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/363>, abgerufen am 24.04.2024.