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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Australier.
wie an der Süd- und Südostküste hell kupferroth1). In allen diesen
Merkmalen glichen die Tasmanier den Australiern vollständig, nur
war ihr Haarwuchs noch papuanischer, das heisst zum büschel-
förmigen Wachsthum noch mehr geneigt2). Auch zeigen die
wenigen Schädel, die bis jetzt gemessen worden sind, höhere Pro-
cente bei Breite wie Höhe, nämlich beiderseitig 743). Wie sie
auf ihre Insel gelangt seien, hat vielen ein Räthsel geschienen,
weil irrigerweise die Tasmanier gar keine Fahrzeuge besessen haben
sollen. Flossartige Kähne waren indessen vorhanden4) und eine
Einwanderung von Australien her über die inselreiche Bass-Strasse
erforderte keine hohen Leistungen. Dass solche Fahrten unter-
nommen wurden, bezeugt der Umstand, dass die Tasmanier die-
selben symmetrischen Hautnarben trugen, wie die Australier5).
Im Jahre 1803 wurde ihre Insel von Europäern besiedelt, 1869 starb
der letzte Eingeborne. Die Geschichte ihrer gewissenlosen Aus-
rottung hat uns ein Bewohner Tasmaniens wahrheitsgetreu ge-
schildert6).

Als Verwandte stehen den Australiern und Tasmaniern nicht
etwa die afrikanischen Neger, noch weniger die Urbevölkerung
Vorderindiens, sondern die Papuanen am nächsten. Ausser körper-
lichen Verschiedenheiten trennt sie aber von diesen der Bau ihrer
Sprachen, denn alle Präfixe fehlen den Australiern, die vielmehr
den Sinn der Wurzeln nur durch nachgesetzte Sylben begrenzen.
Aehnlichkeiten zwischen den australischen und südindischen oder
dravidischen Sprachen, die zwar in den Fürwörtern, jedoch nur
sehr schwach vorhanden sind, haben Bleek7), wenn auch sicher
nicht mit hinreichender Berechtigung, eine Sprachverwandtschaft
zwischen jenen Bevölkerungen vermuthen lassen. Die Worte in
den australischen Sprachen sind mehrsylbig, beginnen mit einem
Consonanten und lauten mit einem Vocal oder Halbvocal aus8).

1) Waitz (Gerland), Anthropologie. Bd. 6. S. 711.
2) Lehrreiche Abbildungen nach Photographien bei Mantegazza
Archivio per l'Antropologia. Firenze 1871. vol. 1. Tav. 1--3.
3) Barnard Davis, Thesaurus craniorum. p. 272. p. 358.
4) Waitz. l. c. S. 812.
5) Waitz. l. c.
6) James Bonwick, The last of the Tasmanians. London 1870.
7) Journ. of the Anthropol. Institute. London 1872. vol. I. p. 90.
8) Fr. Müller, Allgemeine Ethnographie. S. 187.

Die Australier.
wie an der Süd- und Südostküste hell kupferroth1). In allen diesen
Merkmalen glichen die Tasmanier den Australiern vollständig, nur
war ihr Haarwuchs noch papuanischer, das heisst zum büschel-
förmigen Wachsthum noch mehr geneigt2). Auch zeigen die
wenigen Schädel, die bis jetzt gemessen worden sind, höhere Pro-
cente bei Breite wie Höhe, nämlich beiderseitig 743). Wie sie
auf ihre Insel gelangt seien, hat vielen ein Räthsel geschienen,
weil irrigerweise die Tasmanier gar keine Fahrzeuge besessen haben
sollen. Flossartige Kähne waren indessen vorhanden4) und eine
Einwanderung von Australien her über die inselreiche Bass-Strasse
erforderte keine hohen Leistungen. Dass solche Fahrten unter-
nommen wurden, bezeugt der Umstand, dass die Tasmanier die-
selben symmetrischen Hautnarben trugen, wie die Australier5).
Im Jahre 1803 wurde ihre Insel von Europäern besiedelt, 1869 starb
der letzte Eingeborne. Die Geschichte ihrer gewissenlosen Aus-
rottung hat uns ein Bewohner Tasmaniens wahrheitsgetreu ge-
schildert6).

Als Verwandte stehen den Australiern und Tasmaniern nicht
etwa die afrikanischen Neger, noch weniger die Urbevölkerung
Vorderindiens, sondern die Papuanen am nächsten. Ausser körper-
lichen Verschiedenheiten trennt sie aber von diesen der Bau ihrer
Sprachen, denn alle Präfixe fehlen den Australiern, die vielmehr
den Sinn der Wurzeln nur durch nachgesetzte Sylben begrenzen.
Aehnlichkeiten zwischen den australischen und südindischen oder
dravidischen Sprachen, die zwar in den Fürwörtern, jedoch nur
sehr schwach vorhanden sind, haben Bleek7), wenn auch sicher
nicht mit hinreichender Berechtigung, eine Sprachverwandtschaft
zwischen jenen Bevölkerungen vermuthen lassen. Die Worte in
den australischen Sprachen sind mehrsylbig, beginnen mit einem
Consonanten und lauten mit einem Vocal oder Halbvocal aus8).

1) Waitz (Gerland), Anthropologie. Bd. 6. S. 711.
2) Lehrreiche Abbildungen nach Photographien bei Mantegazza
Archivio per l’Antropologia. Firenze 1871. vol. 1. Tav. 1—3.
3) Barnard Davis, Thesaurus craniorum. p. 272. p. 358.
4) Waitz. l. c. S. 812.
5) Waitz. l. c.
6) James Bonwick, The last of the Tasmanians. London 1870.
7) Journ. of the Anthropol. Institute. London 1872. vol. I. p. 90.
8) Fr. Müller, Allgemeine Ethnographie. S. 187.
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[340/0358] Die Australier. wie an der Süd- und Südostküste hell kupferroth 1). In allen diesen Merkmalen glichen die Tasmanier den Australiern vollständig, nur war ihr Haarwuchs noch papuanischer, das heisst zum büschel- förmigen Wachsthum noch mehr geneigt 2). Auch zeigen die wenigen Schädel, die bis jetzt gemessen worden sind, höhere Pro- cente bei Breite wie Höhe, nämlich beiderseitig 74 3). Wie sie auf ihre Insel gelangt seien, hat vielen ein Räthsel geschienen, weil irrigerweise die Tasmanier gar keine Fahrzeuge besessen haben sollen. Flossartige Kähne waren indessen vorhanden 4) und eine Einwanderung von Australien her über die inselreiche Bass-Strasse erforderte keine hohen Leistungen. Dass solche Fahrten unter- nommen wurden, bezeugt der Umstand, dass die Tasmanier die- selben symmetrischen Hautnarben trugen, wie die Australier 5). Im Jahre 1803 wurde ihre Insel von Europäern besiedelt, 1869 starb der letzte Eingeborne. Die Geschichte ihrer gewissenlosen Aus- rottung hat uns ein Bewohner Tasmaniens wahrheitsgetreu ge- schildert 6). Als Verwandte stehen den Australiern und Tasmaniern nicht etwa die afrikanischen Neger, noch weniger die Urbevölkerung Vorderindiens, sondern die Papuanen am nächsten. Ausser körper- lichen Verschiedenheiten trennt sie aber von diesen der Bau ihrer Sprachen, denn alle Präfixe fehlen den Australiern, die vielmehr den Sinn der Wurzeln nur durch nachgesetzte Sylben begrenzen. Aehnlichkeiten zwischen den australischen und südindischen oder dravidischen Sprachen, die zwar in den Fürwörtern, jedoch nur sehr schwach vorhanden sind, haben Bleek 7), wenn auch sicher nicht mit hinreichender Berechtigung, eine Sprachverwandtschaft zwischen jenen Bevölkerungen vermuthen lassen. Die Worte in den australischen Sprachen sind mehrsylbig, beginnen mit einem Consonanten und lauten mit einem Vocal oder Halbvocal aus 8). 1) Waitz (Gerland), Anthropologie. Bd. 6. S. 711. 2) Lehrreiche Abbildungen nach Photographien bei Mantegazza Archivio per l’Antropologia. Firenze 1871. vol. 1. Tav. 1—3. 3) Barnard Davis, Thesaurus craniorum. p. 272. p. 358. 4) Waitz. l. c. S. 812. 5) Waitz. l. c. 6) James Bonwick, The last of the Tasmanians. London 1870. 7) Journ. of the Anthropol. Institute. London 1872. vol. I. p. 90. 8) Fr. Müller, Allgemeine Ethnographie. S. 187.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/358>, abgerufen am 19.04.2024.