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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Der israelitische Monotheismus.
von Rechtswegen Alles, was Dein Gott Chamos besitzt? Sollte
nicht auch alles, was unser Gott als Sieger erwarb, zu unsrer
Herrschaft gehören?" 1) Auch wird der Machtbereich Jahve's noch
örtlich beschränkt gedacht, denn Gott willigt ein mit Jacob "hinab-
zuziehen nach Aegypten" 2). Oft geht die sinnliche Auffassung so
weit, dass die Naturkräfte als Lebensäusserungen Gottes aufgefasst
werden und der Gottesgedanke fast herabsinkt zu einem mono-
theistischen Naturdienst. Wir dürfen uns nicht durch die Erhaben-
heit der Sprache berauschen lassen, wenn im Donner eine hörbare
Stimme, im Frost und Thauwetter der kühle oder warme Hauch
Jahve's wahrgenommen werden 3). Allerdings nöthigen uns die
Fesseln unsres Denkvermögens, das unerfassliche Wesen Gottes
immer wieder in Menschennatur zu kleiden, selbst die Evangelien
sprechen von väterlichen Erregungen, nur ist es etwas andres
wenn wir uns immer bewusst bleiben, dass wir nur aus Nothbehelf
anthropomorphosiren, ähnlich wie auch die strengen Wissenschaften
nicht immer bildliche Ausdrücke vermeiden können. Wenn aber
die Bibel Jahve durch den Opfergeruch erquickt werden lässt 4), so
redet sie die Sprache Homers. Kindlich, aber darum auch ohne
Erhabenheit ist die Vorstellung von Jahve, den Mose auf dem
Sinai an gegebene Versprechen erinnern muss und der wankel-
müthig zurücknimmt, was er gedroht hat 5). Auch hier fühlen wir
uns gemahnt an Auftritte, wie sie in der epischen Zeit der Hel-
lenen im Olymp spielten. Selbst die Trachten der Priester mit
Putz und Stickereien werden noch auf göttliche Anordnungen zu-
rückgeführt 6), und mit Bedauern müssen wir sogar lesen, dass Jahve
zur Veruntreuung geliehener silberner und goldener Gefässe die
Israeliten angeleitet haben solle 7). So dürftig, so unrein, so mensch-
lich schwach waren und blieben lange die Vorstellungen des höch-
sten Wesens.

Darin liegt aber auch die hohe Bedeutung der Geschichte
Israels, dass dieses Volk nun durch das, was es erleben und

1) Jud. XI, 24.
2) Gen. XLVI, 4.
3) Job, cap. 37 u. 38.
4) Levit. I, 9.
5) Exod. XXXII, 9--14.
6) Exod. XXVIII, 33--34.
7) Exod. XI, 2.

Der israelitische Monotheismus.
von Rechtswegen Alles, was Dein Gott Chamos besitzt? Sollte
nicht auch alles, was unser Gott als Sieger erwarb, zu unsrer
Herrschaft gehören?“ 1) Auch wird der Machtbereich Jahve’s noch
örtlich beschränkt gedacht, denn Gott willigt ein mit Jacob „hinab-
zuziehen nach Aegypten“ 2). Oft geht die sinnliche Auffassung so
weit, dass die Naturkräfte als Lebensäusserungen Gottes aufgefasst
werden und der Gottesgedanke fast herabsinkt zu einem mono-
theistischen Naturdienst. Wir dürfen uns nicht durch die Erhaben-
heit der Sprache berauschen lassen, wenn im Donner eine hörbare
Stimme, im Frost und Thauwetter der kühle oder warme Hauch
Jahve’s wahrgenommen werden 3). Allerdings nöthigen uns die
Fesseln unsres Denkvermögens, das unerfassliche Wesen Gottes
immer wieder in Menschennatur zu kleiden, selbst die Evangelien
sprechen von väterlichen Erregungen, nur ist es etwas andres
wenn wir uns immer bewusst bleiben, dass wir nur aus Nothbehelf
anthropomorphosiren, ähnlich wie auch die strengen Wissenschaften
nicht immer bildliche Ausdrücke vermeiden können. Wenn aber
die Bibel Jahve durch den Opfergeruch erquickt werden lässt 4), so
redet sie die Sprache Homers. Kindlich, aber darum auch ohne
Erhabenheit ist die Vorstellung von Jahve, den Mose auf dem
Sinai an gegebene Versprechen erinnern muss und der wankel-
müthig zurücknimmt, was er gedroht hat 5). Auch hier fühlen wir
uns gemahnt an Auftritte, wie sie in der epischen Zeit der Hel-
lenen im Olymp spielten. Selbst die Trachten der Priester mit
Putz und Stickereien werden noch auf göttliche Anordnungen zu-
rückgeführt 6), und mit Bedauern müssen wir sogar lesen, dass Jahve
zur Veruntreuung geliehener silberner und goldener Gefässe die
Israeliten angeleitet haben solle 7). So dürftig, so unrein, so mensch-
lich schwach waren und blieben lange die Vorstellungen des höch-
sten Wesens.

Darin liegt aber auch die hohe Bedeutung der Geschichte
Israels, dass dieses Volk nun durch das, was es erleben und

1) Jud. XI, 24.
2) Gen. XLVI, 4.
3) Job, cap. 37 u. 38.
4) Levit. I, 9.
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[302/0320] Der israelitische Monotheismus. von Rechtswegen Alles, was Dein Gott Chamos besitzt? Sollte nicht auch alles, was unser Gott als Sieger erwarb, zu unsrer Herrschaft gehören?“ 1) Auch wird der Machtbereich Jahve’s noch örtlich beschränkt gedacht, denn Gott willigt ein mit Jacob „hinab- zuziehen nach Aegypten“ 2). Oft geht die sinnliche Auffassung so weit, dass die Naturkräfte als Lebensäusserungen Gottes aufgefasst werden und der Gottesgedanke fast herabsinkt zu einem mono- theistischen Naturdienst. Wir dürfen uns nicht durch die Erhaben- heit der Sprache berauschen lassen, wenn im Donner eine hörbare Stimme, im Frost und Thauwetter der kühle oder warme Hauch Jahve’s wahrgenommen werden 3). Allerdings nöthigen uns die Fesseln unsres Denkvermögens, das unerfassliche Wesen Gottes immer wieder in Menschennatur zu kleiden, selbst die Evangelien sprechen von väterlichen Erregungen, nur ist es etwas andres wenn wir uns immer bewusst bleiben, dass wir nur aus Nothbehelf anthropomorphosiren, ähnlich wie auch die strengen Wissenschaften nicht immer bildliche Ausdrücke vermeiden können. Wenn aber die Bibel Jahve durch den Opfergeruch erquickt werden lässt 4), so redet sie die Sprache Homers. Kindlich, aber darum auch ohne Erhabenheit ist die Vorstellung von Jahve, den Mose auf dem Sinai an gegebene Versprechen erinnern muss und der wankel- müthig zurücknimmt, was er gedroht hat 5). Auch hier fühlen wir uns gemahnt an Auftritte, wie sie in der epischen Zeit der Hel- lenen im Olymp spielten. Selbst die Trachten der Priester mit Putz und Stickereien werden noch auf göttliche Anordnungen zu- rückgeführt 6), und mit Bedauern müssen wir sogar lesen, dass Jahve zur Veruntreuung geliehener silberner und goldener Gefässe die Israeliten angeleitet haben solle 7). So dürftig, so unrein, so mensch- lich schwach waren und blieben lange die Vorstellungen des höch- sten Wesens. Darin liegt aber auch die hohe Bedeutung der Geschichte Israels, dass dieses Volk nun durch das, was es erleben und 1) Jud. XI, 24. 2) Gen. XLVI, 4. 3) Job, cap. 37 u. 38. 4) Levit. I, 9. 5) Exod. XXXII, 9—14. 6) Exod. XXVIII, 33—34. 7) Exod. XI, 2.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/320>, abgerufen am 29.03.2024.