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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Religion des Buddha.
freiung von Unwissenheit darin zu suchen, dass man nichts
denke 1).

Die Sittenlehre des Buddha war eine durchaus reine und
lautere und fällt mit der christlichen vielfach zusammen. Obenan
steht das Verbot, etwas lebendiges zu tödten. Es hat zur Ab-
schaffung der Todesstrafe in Indien geführt, wenigstens zur Zeit,
wo der Buddhismus die weltliche Herrschaft besass, gleichzeitig
aber die Vertilgung der reissenden und der parasitischen Thiere
verhindert. Achtung des Eigenthums, eheliche Treue, Wahr-
haftigkeit, Vermeiden von Verleumdung, Kränkung und Schmähung,
Bekämpfen aller habsüchtigen und neidischen Regungen, des
Zornes und der Rachsucht werden allen Bekennern eingeschärft.
Nächstenliebe wie im Christenthum ist die höchste Pflicht des
Buddhisten, nur erstreckt sie sich auf alle Geschöpfe, so dass die
Errichtung oder Erhaltung von Schutzorten und Heilstätten für
Thiere ebenso zu den frommen Werken gehört, wie die Stiftung
von Armenhäusern für bedürftige Menschen. Sich selbst besiegen,
lautet ein alter Sittenspruch, sei der beste aller Siege 2). Zu
Milde, Sanftmuth und Nachsicht sollten die Menschen erzogen
werden und der Buddhismus selbst ging darin mit gutem Bei-
spiel voran, dass er religiöse Duldsamkeit übte und beinahe
nie mit Verfolgung von Andersgläubigen sich befleckte 3) Demuth
sollte auch die Priester zieren ganz im Gegensatz zu der Selbst-
überhebung der Brahmanen. Keine Worte sind daher hoch genug,
um die günstigen Wirkungen des Buddhismus auf die Milderung
der Sitten auszusprechen. Man hat aber auch diese Religion ge-
priesen, dass sie den Menschen erziehe, ohne zur Gottesidee,
ohne zum Gebet, ohne zu Verheissungen oder Drohungen im
Jenseits ihre Zuflucht zu nehmen, und dass es ihr dennoch gelungen
sei, vierhundert Millionen Bekenner zu gewinnen. Scheinbar
wurden die Buddhisten der Götter los oder vielmehr diese letz-
teren wurden erniedrigt zu willigen Gehilfen des Religionsstifters,
auf dessen Gedanken schon sie diensteifrig herbeieilen. Wie aber
die schamanistische Weisheit die Brahmanen über die Götter stellte

1) Fr. Spiegel über Wassiljiew's Forschungen. Ausland 1860. S. 1012.
2) Köppen. l. c. Bd. 1. S. 451.
3) Vgl. die auf Toleranz bezüglichen Felseninschriften des Königs Acoka
bei Max Müller, Essays. Leipzig 1869. Bd. 1. S. 222--223.

Die Religion des Buddha.
freiung von Unwissenheit darin zu suchen, dass man nichts
denke 1).

Die Sittenlehre des Buddha war eine durchaus reine und
lautere und fällt mit der christlichen vielfach zusammen. Obenan
steht das Verbot, etwas lebendiges zu tödten. Es hat zur Ab-
schaffung der Todesstrafe in Indien geführt, wenigstens zur Zeit,
wo der Buddhismus die weltliche Herrschaft besass, gleichzeitig
aber die Vertilgung der reissenden und der parasitischen Thiere
verhindert. Achtung des Eigenthums, eheliche Treue, Wahr-
haftigkeit, Vermeiden von Verleumdung, Kränkung und Schmähung,
Bekämpfen aller habsüchtigen und neidischen Regungen, des
Zornes und der Rachsucht werden allen Bekennern eingeschärft.
Nächstenliebe wie im Christenthum ist die höchste Pflicht des
Buddhisten, nur erstreckt sie sich auf alle Geschöpfe, so dass die
Errichtung oder Erhaltung von Schutzorten und Heilstätten für
Thiere ebenso zu den frommen Werken gehört, wie die Stiftung
von Armenhäusern für bedürftige Menschen. Sich selbst besiegen,
lautet ein alter Sittenspruch, sei der beste aller Siege 2). Zu
Milde, Sanftmuth und Nachsicht sollten die Menschen erzogen
werden und der Buddhismus selbst ging darin mit gutem Bei-
spiel voran, dass er religiöse Duldsamkeit übte und beinahe
nie mit Verfolgung von Andersgläubigen sich befleckte 3) Demuth
sollte auch die Priester zieren ganz im Gegensatz zu der Selbst-
überhebung der Brahmanen. Keine Worte sind daher hoch genug,
um die günstigen Wirkungen des Buddhismus auf die Milderung
der Sitten auszusprechen. Man hat aber auch diese Religion ge-
priesen, dass sie den Menschen erziehe, ohne zur Gottesidee,
ohne zum Gebet, ohne zu Verheissungen oder Drohungen im
Jenseits ihre Zuflucht zu nehmen, und dass es ihr dennoch gelungen
sei, vierhundert Millionen Bekenner zu gewinnen. Scheinbar
wurden die Buddhisten der Götter los oder vielmehr diese letz-
teren wurden erniedrigt zu willigen Gehilfen des Religionsstifters,
auf dessen Gedanken schon sie diensteifrig herbeieilen. Wie aber
die schamanistische Weisheit die Brahmanen über die Götter stellte

1) Fr. Spiegel über Wassiljiew’s Forschungen. Ausland 1860. S. 1012.
2) Köppen. l. c. Bd. 1. S. 451.
3) Vgl. die auf Toleranz bezüglichen Felseninschriften des Königs Açoka
bei Max Müller, Essays. Leipzig 1869. Bd. 1. S. 222—223.
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[288/0306] Die Religion des Buddha. freiung von Unwissenheit darin zu suchen, dass man nichts denke 1). Die Sittenlehre des Buddha war eine durchaus reine und lautere und fällt mit der christlichen vielfach zusammen. Obenan steht das Verbot, etwas lebendiges zu tödten. Es hat zur Ab- schaffung der Todesstrafe in Indien geführt, wenigstens zur Zeit, wo der Buddhismus die weltliche Herrschaft besass, gleichzeitig aber die Vertilgung der reissenden und der parasitischen Thiere verhindert. Achtung des Eigenthums, eheliche Treue, Wahr- haftigkeit, Vermeiden von Verleumdung, Kränkung und Schmähung, Bekämpfen aller habsüchtigen und neidischen Regungen, des Zornes und der Rachsucht werden allen Bekennern eingeschärft. Nächstenliebe wie im Christenthum ist die höchste Pflicht des Buddhisten, nur erstreckt sie sich auf alle Geschöpfe, so dass die Errichtung oder Erhaltung von Schutzorten und Heilstätten für Thiere ebenso zu den frommen Werken gehört, wie die Stiftung von Armenhäusern für bedürftige Menschen. Sich selbst besiegen, lautet ein alter Sittenspruch, sei der beste aller Siege 2). Zu Milde, Sanftmuth und Nachsicht sollten die Menschen erzogen werden und der Buddhismus selbst ging darin mit gutem Bei- spiel voran, dass er religiöse Duldsamkeit übte und beinahe nie mit Verfolgung von Andersgläubigen sich befleckte 3) Demuth sollte auch die Priester zieren ganz im Gegensatz zu der Selbst- überhebung der Brahmanen. Keine Worte sind daher hoch genug, um die günstigen Wirkungen des Buddhismus auf die Milderung der Sitten auszusprechen. Man hat aber auch diese Religion ge- priesen, dass sie den Menschen erziehe, ohne zur Gottesidee, ohne zum Gebet, ohne zu Verheissungen oder Drohungen im Jenseits ihre Zuflucht zu nehmen, und dass es ihr dennoch gelungen sei, vierhundert Millionen Bekenner zu gewinnen. Scheinbar wurden die Buddhisten der Götter los oder vielmehr diese letz- teren wurden erniedrigt zu willigen Gehilfen des Religionsstifters, auf dessen Gedanken schon sie diensteifrig herbeieilen. Wie aber die schamanistische Weisheit die Brahmanen über die Götter stellte 1) Fr. Spiegel über Wassiljiew’s Forschungen. Ausland 1860. S. 1012. 2) Köppen. l. c. Bd. 1. S. 451. 3) Vgl. die auf Toleranz bezüglichen Felseninschriften des Königs Açoka bei Max Müller, Essays. Leipzig 1869. Bd. 1. S. 222—223.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/306>, abgerufen am 18.04.2024.