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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Arteneinheit des Menschengeschlechtes.
maica ist nur von einem einzigen Beobachter behauptet worden
und nicht ohne Widerspruch geblieben 1). In Amerika sind ferner
als Mischvolk die Zambos, Abkömmlinge von Negern und Frauen
der sogenannten rothen Urbewohner entsprungen. 2) Unter den
Creek Indianern der Union werden sie häufig getroffen 3), ebenso
in Mittelamerika und schon jetzt trägt die Bevölkerung an den
Küsten des Ystmo und Neugranadas deutlich die Wahrzeichen
halbafrikanischen Blutes. Nach Millionen zählen in den ehemaligen
spanischen Töchterstaaten die Mischlinge von Europäern und ein-
gebornen Amerikanerinnen, Ladinos in Mexico, Cholos in Ecuador,
Peru und Chile, sonst gemeinsam Mestizen geheissen. Wenn in
Australien die Mischlinge zu den Seltenheiten gehören, so rührt
diess nur daher, dass wie durch gerichtliche Untersuchungen es
sich bestätigt hat, die Eingebornen selbst die Racenblendlinge zu
tödten pflegen 4). Auch tasmanische Frauen haben zahlreiche
Mischlinge geboren und James Bonwick 5) kannte und nennt uns
eine Mutter von dreizehn halbblütigen Kindern. Paul Broca war
also falsch unterrichtet, als er das Dasein von Halbaustraliern und
Halbtasmaniern läugnete 6) und damit sinken zugleich die gewagten
Schlüsse, die er mit ungerechtfertigter Sicherheit ausgesprochen
hatte. Noch wichtiger aber ist es, dass aus den Vereinigungen
zwischen Europäern und Hottentotten Halbblütige entspringen,
denn wenn irgend ein Menschenschlag Anspruch hätte, als ge-
sonderte Art aufgefasst zu werden, so sind es gewiss jene Urbe-
wohner der Caplande 7). Endlich haben auf abgelegnen Inseln, wie
Tristan d'Acunha mehrfache Kreuzungen von Briten, Holländern,

1) P. Broca, Hybridity in the Genus Homo. London 1864. S. 36.
2) Fälle, dass Negerinnen mit eingebornen Männern Amerikas Verbin-
dungen eingehen, sind aus einer bekannten prosaischen Ursache sehr selten.
3) Nach dem Second annual report of the Board of Indian Commissioners.
Washington 1871 in Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1871. Bd. 3. S. 412.
4) Charles Darwin, Die Abstammung des Menschen. Bd. 1. S. 194,
Ebenso Edward John Eyre, Central Australia. London 1845. vol. II, p. 324.
5) The last of the Tasmanians. London 1870. p. 316.
6) Broca, a. a. O. S. 47.
7) Diese Mischlinge werden theils "Bastarde" theils Griquas in ihrer Hei-
math genannt, die letztere Bezeichnung ist jedoch so missbraucht worden,
dass sie keinen strengeren anthropologischen Begriff mehr deckt. Fritsch,
Die Eingebornen Südafrikas. S. 376 flg.

Arteneinheit des Menschengeschlechtes.
maica ist nur von einem einzigen Beobachter behauptet worden
und nicht ohne Widerspruch geblieben 1). In Amerika sind ferner
als Mischvolk die Zambos, Abkömmlinge von Negern und Frauen
der sogenannten rothen Urbewohner entsprungen. 2) Unter den
Creek Indianern der Union werden sie häufig getroffen 3), ebenso
in Mittelamerika und schon jetzt trägt die Bevölkerung an den
Küsten des Ystmo und Neugranadas deutlich die Wahrzeichen
halbafrikanischen Blutes. Nach Millionen zählen in den ehemaligen
spanischen Töchterstaaten die Mischlinge von Europäern und ein-
gebornen Amerikanerinnen, Ladinos in Mexico, Cholos in Ecuador,
Peru und Chile, sonst gemeinsam Mestizen geheissen. Wenn in
Australien die Mischlinge zu den Seltenheiten gehören, so rührt
diess nur daher, dass wie durch gerichtliche Untersuchungen es
sich bestätigt hat, die Eingebornen selbst die Racenblendlinge zu
tödten pflegen 4). Auch tasmanische Frauen haben zahlreiche
Mischlinge geboren und James Bonwick 5) kannte und nennt uns
eine Mutter von dreizehn halbblütigen Kindern. Paul Broca war
also falsch unterrichtet, als er das Dasein von Halbaustraliern und
Halbtasmaniern läugnete 6) und damit sinken zugleich die gewagten
Schlüsse, die er mit ungerechtfertigter Sicherheit ausgesprochen
hatte. Noch wichtiger aber ist es, dass aus den Vereinigungen
zwischen Europäern und Hottentotten Halbblütige entspringen,
denn wenn irgend ein Menschenschlag Anspruch hätte, als ge-
sonderte Art aufgefasst zu werden, so sind es gewiss jene Urbe-
wohner der Caplande 7). Endlich haben auf abgelegnen Inseln, wie
Tristan d’Acunha mehrfache Kreuzungen von Briten, Holländern,

1) P. Broca, Hybridity in the Genus Homo. London 1864. S. 36.
2) Fälle, dass Negerinnen mit eingebornen Männern Amerikas Verbin-
dungen eingehen, sind aus einer bekannten prosaischen Ursache sehr selten.
3) Nach dem Second annual report of the Board of Indian Commissioners.
Washington 1871 in Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1871. Bd. 3. S. 412.
4) Charles Darwin, Die Abstammung des Menschen. Bd. 1. S. 194,
Ebenso Edward John Eyre, Central Australia. London 1845. vol. II, p. 324.
5) The last of the Tasmanians. London 1870. p. 316.
6) Broca, a. a. O. S. 47.
7) Diese Mischlinge werden theils „Bastarde“ theils Griquas in ihrer Hei-
math genannt, die letztere Bezeichnung ist jedoch so missbraucht worden,
dass sie keinen strengeren anthropologischen Begriff mehr deckt. Fritsch,
Die Eingebornen Südafrikas. S. 376 flg.
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[10/0028] Arteneinheit des Menschengeschlechtes. maica ist nur von einem einzigen Beobachter behauptet worden und nicht ohne Widerspruch geblieben 1). In Amerika sind ferner als Mischvolk die Zambos, Abkömmlinge von Negern und Frauen der sogenannten rothen Urbewohner entsprungen. 2) Unter den Creek Indianern der Union werden sie häufig getroffen 3), ebenso in Mittelamerika und schon jetzt trägt die Bevölkerung an den Küsten des Ystmo und Neugranadas deutlich die Wahrzeichen halbafrikanischen Blutes. Nach Millionen zählen in den ehemaligen spanischen Töchterstaaten die Mischlinge von Europäern und ein- gebornen Amerikanerinnen, Ladinos in Mexico, Cholos in Ecuador, Peru und Chile, sonst gemeinsam Mestizen geheissen. Wenn in Australien die Mischlinge zu den Seltenheiten gehören, so rührt diess nur daher, dass wie durch gerichtliche Untersuchungen es sich bestätigt hat, die Eingebornen selbst die Racenblendlinge zu tödten pflegen 4). Auch tasmanische Frauen haben zahlreiche Mischlinge geboren und James Bonwick 5) kannte und nennt uns eine Mutter von dreizehn halbblütigen Kindern. Paul Broca war also falsch unterrichtet, als er das Dasein von Halbaustraliern und Halbtasmaniern läugnete 6) und damit sinken zugleich die gewagten Schlüsse, die er mit ungerechtfertigter Sicherheit ausgesprochen hatte. Noch wichtiger aber ist es, dass aus den Vereinigungen zwischen Europäern und Hottentotten Halbblütige entspringen, denn wenn irgend ein Menschenschlag Anspruch hätte, als ge- sonderte Art aufgefasst zu werden, so sind es gewiss jene Urbe- wohner der Caplande 7). Endlich haben auf abgelegnen Inseln, wie Tristan d’Acunha mehrfache Kreuzungen von Briten, Holländern, 1) P. Broca, Hybridity in the Genus Homo. London 1864. S. 36. 2) Fälle, dass Negerinnen mit eingebornen Männern Amerikas Verbin- dungen eingehen, sind aus einer bekannten prosaischen Ursache sehr selten. 3) Nach dem Second annual report of the Board of Indian Commissioners. Washington 1871 in Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1871. Bd. 3. S. 412. 4) Charles Darwin, Die Abstammung des Menschen. Bd. 1. S. 194, Ebenso Edward John Eyre, Central Australia. London 1845. vol. II, p. 324. 5) The last of the Tasmanians. London 1870. p. 316. 6) Broca, a. a. O. S. 47. 7) Diese Mischlinge werden theils „Bastarde“ theils Griquas in ihrer Hei- math genannt, die letztere Bezeichnung ist jedoch so missbraucht worden, dass sie keinen strengeren anthropologischen Begriff mehr deckt. Fritsch, Die Eingebornen Südafrikas. S. 376 flg.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/28>, abgerufen am 18.04.2024.