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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Einfluss des Handels auf die räumliche Verbreitung der Völker.
günstig, dass jene Schätze so eigensinnig vertheilt, so spärlich vor-
handen waren, denn ohne sie wären die Europäer nicht oder noch
nicht allgegenwärtig auf dem Erdball geworden. Die Portugiesen
finden wir überall an den Ursprungsstätten der Gewürze, also auf
der Westküste, nicht auf der Ostküste Hindostans, auf den grossen
Marktplätzen der Malayen und auf den Aromateninseln des äusser-
sten asiatischen Ostens verbreitet.

Den Beweggrund zu ihrer Besiedelung Brasiliens erzählt der
Name dieses Reiches selbst. Der Papst hatte 1493 den Erdball
getheilt zwischen Spanien und Portugal und unter die westliche
Grenze des letztern oder unter "den ersten Mittagskreis", wie man
damals sagte, fiel noch ein mächtiges Stück südamerikanischen
Gebietes, welches nach der Entdeckung und lange Zeit nachher das
Land des heiligen Kreuzes hiess. Brasilien aber oder das Land des
Rothfärberholzes
wurde es genannt nach der wichtigsten und ersten
Rimesse, die es heimsenden konnte, denn dass hinter dem Küsten-
gebirge Gold und Diamanten zu erbeuten seien, ahnte lange Zeit
niemand.

Afrika hat nach Australien immer als ein Stiefkind der Ge-
sittungsgeschichte gegolten. Karl Ritter erklärte die niedrige Stufe
seiner Bewohner aus der geringen Entwicklung der Küsten im
Verhältniss zu dem äusserlichen Umfang. Wirklich ist es auf-
fallend roh gegliedert, insofern ihm Halbinseln fehlen, und seine
Golfe nur so schwächlich angedeutet sind wie die Syrten oder nur
aus einspringenden Winkeln bestehen wie der Meerbusen von
Guinea oder die Gestade des rothen Meeres mit der Somaliküste.
Aber selbst das rothe Meer ist der Segelschifffahrt so schwer zu-
gänglich, dass es unter den Verkehrsmitteln seiner Art auf einer
sehr tiefen Stufe steht. Würden grosse Ströme wie in Amerika
der Mississippi oder der Amazonas oder die La Platageschwister,
Afrika aufgeschlossen haben, so hätte die Civilisation rascher in
das Innere vordringen können, wie ja der Nil es beweist, dessen
Gestade verklärt sind durch eine höchst reife, ja, wie wir
noch immer vermuthen dürfen, eine älteste Gesittung. Zu allen
aufgezählten Hindernissen gesellte sich aber noch der Umstand,
dass es fast völlig entblösst war an den wirksamen Lockmitteln für
fremde Besiedelung. Gold findet sich nur in den Quellengebieten
des Senegal und Niger, sowie in etlichen Küstenflüssen des Meer-
busens von Guinea, sonst aber in Ostafrika ehemals bei Sofala,

Einfluss des Handels auf die räumliche Verbreitung der Völker.
günstig, dass jene Schätze so eigensinnig vertheilt, so spärlich vor-
handen waren, denn ohne sie wären die Europäer nicht oder noch
nicht allgegenwärtig auf dem Erdball geworden. Die Portugiesen
finden wir überall an den Ursprungsstätten der Gewürze, also auf
der Westküste, nicht auf der Ostküste Hindostans, auf den grossen
Marktplätzen der Malayen und auf den Aromateninseln des äusser-
sten asiatischen Ostens verbreitet.

Den Beweggrund zu ihrer Besiedelung Brasiliens erzählt der
Name dieses Reiches selbst. Der Papst hatte 1493 den Erdball
getheilt zwischen Spanien und Portugal und unter die westliche
Grenze des letztern oder unter „den ersten Mittagskreis“, wie man
damals sagte, fiel noch ein mächtiges Stück südamerikanischen
Gebietes, welches nach der Entdeckung und lange Zeit nachher das
Land des heiligen Kreuzes hiess. Brasilien aber oder das Land des
Rothfärberholzes
wurde es genannt nach der wichtigsten und ersten
Rimesse, die es heimsenden konnte, denn dass hinter dem Küsten-
gebirge Gold und Diamanten zu erbeuten seien, ahnte lange Zeit
niemand.

Afrika hat nach Australien immer als ein Stiefkind der Ge-
sittungsgeschichte gegolten. Karl Ritter erklärte die niedrige Stufe
seiner Bewohner aus der geringen Entwicklung der Küsten im
Verhältniss zu dem äusserlichen Umfang. Wirklich ist es auf-
fallend roh gegliedert, insofern ihm Halbinseln fehlen, und seine
Golfe nur so schwächlich angedeutet sind wie die Syrten oder nur
aus einspringenden Winkeln bestehen wie der Meerbusen von
Guinea oder die Gestade des rothen Meeres mit der Somaliküste.
Aber selbst das rothe Meer ist der Segelschifffahrt so schwer zu-
gänglich, dass es unter den Verkehrsmitteln seiner Art auf einer
sehr tiefen Stufe steht. Würden grosse Ströme wie in Amerika
der Mississippi oder der Amazonas oder die La Platageschwister,
Afrika aufgeschlossen haben, so hätte die Civilisation rascher in
das Innere vordringen können, wie ja der Nil es beweist, dessen
Gestade verklärt sind durch eine höchst reife, ja, wie wir
noch immer vermuthen dürfen, eine älteste Gesittung. Zu allen
aufgezählten Hindernissen gesellte sich aber noch der Umstand,
dass es fast völlig entblösst war an den wirksamen Lockmitteln für
fremde Besiedelung. Gold findet sich nur in den Quellengebieten
des Senegal und Niger, sowie in etlichen Küstenflüssen des Meer-
busens von Guinea, sonst aber in Ostafrika ehemals bei Sofala,

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[223/0241] Einfluss des Handels auf die räumliche Verbreitung der Völker. günstig, dass jene Schätze so eigensinnig vertheilt, so spärlich vor- handen waren, denn ohne sie wären die Europäer nicht oder noch nicht allgegenwärtig auf dem Erdball geworden. Die Portugiesen finden wir überall an den Ursprungsstätten der Gewürze, also auf der Westküste, nicht auf der Ostküste Hindostans, auf den grossen Marktplätzen der Malayen und auf den Aromateninseln des äusser- sten asiatischen Ostens verbreitet. Den Beweggrund zu ihrer Besiedelung Brasiliens erzählt der Name dieses Reiches selbst. Der Papst hatte 1493 den Erdball getheilt zwischen Spanien und Portugal und unter die westliche Grenze des letztern oder unter „den ersten Mittagskreis“, wie man damals sagte, fiel noch ein mächtiges Stück südamerikanischen Gebietes, welches nach der Entdeckung und lange Zeit nachher das Land des heiligen Kreuzes hiess. Brasilien aber oder das Land des Rothfärberholzes wurde es genannt nach der wichtigsten und ersten Rimesse, die es heimsenden konnte, denn dass hinter dem Küsten- gebirge Gold und Diamanten zu erbeuten seien, ahnte lange Zeit niemand. Afrika hat nach Australien immer als ein Stiefkind der Ge- sittungsgeschichte gegolten. Karl Ritter erklärte die niedrige Stufe seiner Bewohner aus der geringen Entwicklung der Küsten im Verhältniss zu dem äusserlichen Umfang. Wirklich ist es auf- fallend roh gegliedert, insofern ihm Halbinseln fehlen, und seine Golfe nur so schwächlich angedeutet sind wie die Syrten oder nur aus einspringenden Winkeln bestehen wie der Meerbusen von Guinea oder die Gestade des rothen Meeres mit der Somaliküste. Aber selbst das rothe Meer ist der Segelschifffahrt so schwer zu- gänglich, dass es unter den Verkehrsmitteln seiner Art auf einer sehr tiefen Stufe steht. Würden grosse Ströme wie in Amerika der Mississippi oder der Amazonas oder die La Platageschwister, Afrika aufgeschlossen haben, so hätte die Civilisation rascher in das Innere vordringen können, wie ja der Nil es beweist, dessen Gestade verklärt sind durch eine höchst reife, ja, wie wir noch immer vermuthen dürfen, eine älteste Gesittung. Zu allen aufgezählten Hindernissen gesellte sich aber noch der Umstand, dass es fast völlig entblösst war an den wirksamen Lockmitteln für fremde Besiedelung. Gold findet sich nur in den Quellengebieten des Senegal und Niger, sowie in etlichen Küstenflüssen des Meer- busens von Guinea, sonst aber in Ostafrika ehemals bei Sofala,

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/241>, abgerufen am 18.04.2024.