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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Fahrzeuge und Seetüchtigkeit.
Obsidianklingen, Geräthen aus Erz und Thongeschirren, also Ge-
werbserzeugnissen bestanden, für welche die Kauffahrer als Rück-
fracht Cacao eingetauscht hatten. Eifrig sah man sie nach jeder
herabgefallenen Bohne sich bücken, denn schon damals vertraten
diese Samen oder "Mandeln", wie sie die Entdecker nannten, die
Stelle der Scheidemünze in Mexico wie Yucatan, nach welchem
letztern Lande sie lebhaft aus Honduras eingeführt wurden 1).
Auch Cuba müssen die Yucateken zuweilen besucht haben, denn
am 1. und 29. November 1492 bemerkt Colon in seinem Schiffs-
buche: dass er ein Stück Silber und einen Kuchen Bienenwachs
bei den dortigen Eingebornen fand, beides Gegenstände, die zu-
nächst nur aus Yucatan dorthin gelangt sein konnten. Ob die
Segelkraft bereits von den Mayastämmen angewendet wurde, lässt
sich leider nicht mit Sicherheit behaupten 2).

Die Inselwelt zwischen Nordamerika und Grönland würde zur
Ausbildung von maritimer Tüchtigkeit sich unvergleichlich eignen,
wenn ihre Gewässer, nicht vom arktischen Winter gefesselt, nur
wenige Wochen lang offene Wasserstreifen zeigten. Dennoch hat
sich gerade dort eine der seekundigsten Völkerschaften, nämlich
die Eskimo, verbreitet, über deren Leistungen das genauere noch
an einer späteren Stelle mitgetheilt werden soll.

Wir haben unsere Aufgabe gelöst, wenn es uns gelungen sein
sollte zu überzeugen, dass dieselben Küstengestalten in der alten
wie in der neuen Welt auf ähnliche Weise die nautischen Lei-
stungen ihrer Bewohner gefördert haben, und dass wir in Amerika
nur auf sehr begränzten und besonders begünstigten Strecken die
ersten Keime der Schifffahrt antreffen. Wer die Fahrten im Stillen

1) Oviedo, Historia de las Indias. Madrid 1853. tom. III. p. 253.
2) Bei der Beschreibung der yucatekischen Galeere an der Küste von
Honduras erwähnt Don Fernando Colon in der Lebensbeschreibung seines
Vaters (Vida del Almirante, cap. 89) nicht das Vorhandensein eines Segels.
Dagegen erzählt Bernal Diaz, also ein Augenzeuge, dass im Jahre 1517, als
Francisco Fernandez de Cordova Yucatan bei der Punta de Catoche zuerst
entdeckte, fünf grosse Kähne, 40--50 Personen fassend, sich mit Rudern
und Segeln (a ramo y vela) näherten (Histor. verdadera, c. 2). Bei Herrera,
Dec. II. lib. II, 17, lauten die Worte aber cinco canoas con gente, que iban
al remo
-- also mit Ruderkraft. Auch bei Oviedo und Peter Martyr suchen
wir vergebens nach einer Bestätigung von Bernal Diaz' Angabe.

Fahrzeuge und Seetüchtigkeit.
Obsidianklingen, Geräthen aus Erz und Thongeschirren, also Ge-
werbserzeugnissen bestanden, für welche die Kauffahrer als Rück-
fracht Cacao eingetauscht hatten. Eifrig sah man sie nach jeder
herabgefallenen Bohne sich bücken, denn schon damals vertraten
diese Samen oder „Mandeln“, wie sie die Entdecker nannten, die
Stelle der Scheidemünze in Mexico wie Yucatan, nach welchem
letztern Lande sie lebhaft aus Honduras eingeführt wurden 1).
Auch Cuba müssen die Yucateken zuweilen besucht haben, denn
am 1. und 29. November 1492 bemerkt Colón in seinem Schiffs-
buche: dass er ein Stück Silber und einen Kuchen Bienenwachs
bei den dortigen Eingebornen fand, beides Gegenstände, die zu-
nächst nur aus Yucatan dorthin gelangt sein konnten. Ob die
Segelkraft bereits von den Mayastämmen angewendet wurde, lässt
sich leider nicht mit Sicherheit behaupten 2).

Die Inselwelt zwischen Nordamerika und Grönland würde zur
Ausbildung von maritimer Tüchtigkeit sich unvergleichlich eignen,
wenn ihre Gewässer, nicht vom arktischen Winter gefesselt, nur
wenige Wochen lang offene Wasserstreifen zeigten. Dennoch hat
sich gerade dort eine der seekundigsten Völkerschaften, nämlich
die Eskimo, verbreitet, über deren Leistungen das genauere noch
an einer späteren Stelle mitgetheilt werden soll.

Wir haben unsere Aufgabe gelöst, wenn es uns gelungen sein
sollte zu überzeugen, dass dieselben Küstengestalten in der alten
wie in der neuen Welt auf ähnliche Weise die nautischen Lei-
stungen ihrer Bewohner gefördert haben, und dass wir in Amerika
nur auf sehr begränzten und besonders begünstigten Strecken die
ersten Keime der Schifffahrt antreffen. Wer die Fahrten im Stillen

1) Oviedo, Historia de las Indias. Madrid 1853. tom. III. p. 253.
2) Bei der Beschreibung der yucatekischen Galeere an der Küste von
Honduras erwähnt Don Fernando Colón in der Lebensbeschreibung seines
Vaters (Vida del Almirante, cap. 89) nicht das Vorhandensein eines Segels.
Dagegen erzählt Bernal Diaz, also ein Augenzeuge, dass im Jahre 1517, als
Francisco Fernandez de Córdova Yucatan bei der Punta de Catoche zuerst
entdeckte, fünf grosse Kähne, 40—50 Personen fassend, sich mit Rudern
und Segeln (á ramo y vela) näherten (Histor. verdadera, c. 2). Bei Herrera,
Dec. II. lib. II, 17, lauten die Worte aber cinco canoas con gente, que iban
al remo
— also mit Ruderkraft. Auch bei Oviedo und Peter Martyr suchen
wir vergebens nach einer Bestätigung von Bernal Diaz’ Angabe.
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[215/0233] Fahrzeuge und Seetüchtigkeit. Obsidianklingen, Geräthen aus Erz und Thongeschirren, also Ge- werbserzeugnissen bestanden, für welche die Kauffahrer als Rück- fracht Cacao eingetauscht hatten. Eifrig sah man sie nach jeder herabgefallenen Bohne sich bücken, denn schon damals vertraten diese Samen oder „Mandeln“, wie sie die Entdecker nannten, die Stelle der Scheidemünze in Mexico wie Yucatan, nach welchem letztern Lande sie lebhaft aus Honduras eingeführt wurden 1). Auch Cuba müssen die Yucateken zuweilen besucht haben, denn am 1. und 29. November 1492 bemerkt Colón in seinem Schiffs- buche: dass er ein Stück Silber und einen Kuchen Bienenwachs bei den dortigen Eingebornen fand, beides Gegenstände, die zu- nächst nur aus Yucatan dorthin gelangt sein konnten. Ob die Segelkraft bereits von den Mayastämmen angewendet wurde, lässt sich leider nicht mit Sicherheit behaupten 2). Die Inselwelt zwischen Nordamerika und Grönland würde zur Ausbildung von maritimer Tüchtigkeit sich unvergleichlich eignen, wenn ihre Gewässer, nicht vom arktischen Winter gefesselt, nur wenige Wochen lang offene Wasserstreifen zeigten. Dennoch hat sich gerade dort eine der seekundigsten Völkerschaften, nämlich die Eskimo, verbreitet, über deren Leistungen das genauere noch an einer späteren Stelle mitgetheilt werden soll. Wir haben unsere Aufgabe gelöst, wenn es uns gelungen sein sollte zu überzeugen, dass dieselben Küstengestalten in der alten wie in der neuen Welt auf ähnliche Weise die nautischen Lei- stungen ihrer Bewohner gefördert haben, und dass wir in Amerika nur auf sehr begränzten und besonders begünstigten Strecken die ersten Keime der Schifffahrt antreffen. Wer die Fahrten im Stillen 1) Oviedo, Historia de las Indias. Madrid 1853. tom. III. p. 253. 2) Bei der Beschreibung der yucatekischen Galeere an der Küste von Honduras erwähnt Don Fernando Colón in der Lebensbeschreibung seines Vaters (Vida del Almirante, cap. 89) nicht das Vorhandensein eines Segels. Dagegen erzählt Bernal Diaz, also ein Augenzeuge, dass im Jahre 1517, als Francisco Fernandez de Córdova Yucatan bei der Punta de Catoche zuerst entdeckte, fünf grosse Kähne, 40—50 Personen fassend, sich mit Rudern und Segeln (á ramo y vela) näherten (Histor. verdadera, c. 2). Bei Herrera, Dec. II. lib. II, 17, lauten die Worte aber cinco canoas con gente, que iban al remo — also mit Ruderkraft. Auch bei Oviedo und Peter Martyr suchen wir vergebens nach einer Bestätigung von Bernal Diaz’ Angabe.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/233>, abgerufen am 19.04.2024.