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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Bewaffnung.
damine noch Spix und Martius haben dieses Pfeilgift bereiten
sehen; erst Alex. v. Humboldt drang am Orinoco in das Labo-
ratorium eines Giftkoches ein, und brachte Muster von Curare
nach Europa. Der Zubereitung der Salbe wohnte aber erst der
jüngere Schomburgk in Pirara bei 1). Das Urari, wie er es nennt,
wurde aus verschiedenen Pflanzenstoffen gekocht, der eigentliche
Giftträger aber sind Rinde und Splint der Strychnos toxifera. Bei
der geringsten Verwundung erfolgt der Tod kleiner warmblutiger
Thiere augenblicklich, und selbst grössere taumeln und sinken zu-
sammen, ja Humboldt versichert, dass die erdessenden Otomaken
durch Eindrücken des vergifteten Daumennagels ihren Gegner
tödten 2). Proben von Urari oder Curare gelangten vor etwa zehn
Jahren nach Paris, und wurden dort von dem geschätzten Physio-
logen Claude Bernard 3) zu Versuchen benutzt. Es ergab sich
damals, dass das Gift nur wirkt, wenn es sich mit dem Blute
mischen kann. Dann tritt zunächst die Aufhebung der Nerven-
kraft bei den willkürlichen Muskelbewegungen ein, zuletzt aber
hört auch die Thätigkeit von Lunge und Herz auf, und der Tod
erfolgt ganz schmerzlos durch den denkbar höchsten Grad der Er-
müdung, ähnlich dem Ausschwingen eines Pendels, wenn das Uhr-
werk abgelaufen ist. Ist das Gift frisch, so sinken selbst so grosse
Geschöpfe, wie Tapire, nach wenig Schritten zusammen.

Auch in Afrika ist die Vergiftung der Geschosse weit ver-
breitet. Nach den Berichten der portugiesischen Entdecker sollen
vormals in Guinea die Joloffer, sowie die Neger am Rio Grande
ihre Pfeile vergiftet haben 4). So geschah es auch noch zu Mungo
Park's Zeiten von den Mandingonegern 5) und geschieht es noch
heutigen Tages nach Benjamin Anderson von den Mandigo zu
Musardo 6). Am weissen Nil werden die Moro-Neger, die etwa
unter 5° N. Br. sitzen 7), sowie die Barineger, des Salbens der

Tecunas und brauchen zur Rückkehr in ihre Heimath mit den Kähnen nicht
weniger als drei Monate, das Gift wird freilich in ihrer Heimath mit Silber
aufgewogen. James Orton, the Andes and the Amazon. London 1870. p. 197.
1) Richard Schomburgk, Reisen in Guayana. Leipzig 1847. Bd. 1. S. 100.
2) Ansichten der Natur. 3. Aufl. Bd. 1. S. 247.
3) Revue des deux mondes. Paris 1864. tom. LIII. p. 164.
4) Peschel, Zeitalter der Entdeckungen. S. 77--78.
5) Mungo Park, Reisen im Innern v. Afrika. Berlin 1799. S. 251.
6) Globus 1871. Sptbr. Bd. XX. No. 9. S. 142.
7) Petherick, Central-Africa. London 1869. p. 276.

Die Bewaffnung.
damine noch Spix und Martius haben dieses Pfeilgift bereiten
sehen; erst Alex. v. Humboldt drang am Orinoco in das Labo-
ratorium eines Giftkoches ein, und brachte Muster von Curaré
nach Europa. Der Zubereitung der Salbe wohnte aber erst der
jüngere Schomburgk in Pirará bei 1). Das Urari, wie er es nennt,
wurde aus verschiedenen Pflanzenstoffen gekocht, der eigentliche
Giftträger aber sind Rinde und Splint der Strychnos toxifera. Bei
der geringsten Verwundung erfolgt der Tod kleiner warmblutiger
Thiere augenblicklich, und selbst grössere taumeln und sinken zu-
sammen, ja Humboldt versichert, dass die erdessenden Otomaken
durch Eindrücken des vergifteten Daumennagels ihren Gegner
tödten 2). Proben von Urari oder Curaré gelangten vor etwa zehn
Jahren nach Paris, und wurden dort von dem geschätzten Physio-
logen Claude Bernard 3) zu Versuchen benutzt. Es ergab sich
damals, dass das Gift nur wirkt, wenn es sich mit dem Blute
mischen kann. Dann tritt zunächst die Aufhebung der Nerven-
kraft bei den willkürlichen Muskelbewegungen ein, zuletzt aber
hört auch die Thätigkeit von Lunge und Herz auf, und der Tod
erfolgt ganz schmerzlos durch den denkbar höchsten Grad der Er-
müdung, ähnlich dem Ausschwingen eines Pendels, wenn das Uhr-
werk abgelaufen ist. Ist das Gift frisch, so sinken selbst so grosse
Geschöpfe, wie Tapire, nach wenig Schritten zusammen.

Auch in Afrika ist die Vergiftung der Geschosse weit ver-
breitet. Nach den Berichten der portugiesischen Entdecker sollen
vormals in Guinea die Joloffer, sowie die Neger am Rio Grande
ihre Pfeile vergiftet haben 4). So geschah es auch noch zu Mungo
Park’s Zeiten von den Mandingonegern 5) und geschieht es noch
heutigen Tages nach Benjamin Anderson von den Mandigo zu
Musardo 6). Am weissen Nil werden die Moro-Neger, die etwa
unter 5° N. Br. sitzen 7), sowie die Barineger, des Salbens der

Tecunas und brauchen zur Rückkehr in ihre Heimath mit den Kähnen nicht
weniger als drei Monate, das Gift wird freilich in ihrer Heimath mit Silber
aufgewogen. James Orton, the Andes and the Amazon. London 1870. p. 197.
1) Richard Schomburgk, Reisen in Guayana. Leipzig 1847. Bd. 1. S. 100.
2) Ansichten der Natur. 3. Aufl. Bd. 1. S. 247.
3) Revue des deux mondes. Paris 1864. tom. LIII. p. 164.
4) Peschel, Zeitalter der Entdeckungen. S. 77—78.
5) Mungo Park, Reisen im Innern v. Afrika. Berlin 1799. S. 251.
6) Globus 1871. Sptbr. Bd. XX. No. 9. S. 142.
7) Petherick, Central-Africa. London 1869. p. 276.
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[194/0212] Die Bewaffnung. damine noch Spix und Martius haben dieses Pfeilgift bereiten sehen; erst Alex. v. Humboldt drang am Orinoco in das Labo- ratorium eines Giftkoches ein, und brachte Muster von Curaré nach Europa. Der Zubereitung der Salbe wohnte aber erst der jüngere Schomburgk in Pirará bei 1). Das Urari, wie er es nennt, wurde aus verschiedenen Pflanzenstoffen gekocht, der eigentliche Giftträger aber sind Rinde und Splint der Strychnos toxifera. Bei der geringsten Verwundung erfolgt der Tod kleiner warmblutiger Thiere augenblicklich, und selbst grössere taumeln und sinken zu- sammen, ja Humboldt versichert, dass die erdessenden Otomaken durch Eindrücken des vergifteten Daumennagels ihren Gegner tödten 2). Proben von Urari oder Curaré gelangten vor etwa zehn Jahren nach Paris, und wurden dort von dem geschätzten Physio- logen Claude Bernard 3) zu Versuchen benutzt. Es ergab sich damals, dass das Gift nur wirkt, wenn es sich mit dem Blute mischen kann. Dann tritt zunächst die Aufhebung der Nerven- kraft bei den willkürlichen Muskelbewegungen ein, zuletzt aber hört auch die Thätigkeit von Lunge und Herz auf, und der Tod erfolgt ganz schmerzlos durch den denkbar höchsten Grad der Er- müdung, ähnlich dem Ausschwingen eines Pendels, wenn das Uhr- werk abgelaufen ist. Ist das Gift frisch, so sinken selbst so grosse Geschöpfe, wie Tapire, nach wenig Schritten zusammen. Auch in Afrika ist die Vergiftung der Geschosse weit ver- breitet. Nach den Berichten der portugiesischen Entdecker sollen vormals in Guinea die Joloffer, sowie die Neger am Rio Grande ihre Pfeile vergiftet haben 4). So geschah es auch noch zu Mungo Park’s Zeiten von den Mandingonegern 5) und geschieht es noch heutigen Tages nach Benjamin Anderson von den Mandigo zu Musardo 6). Am weissen Nil werden die Moro-Neger, die etwa unter 5° N. Br. sitzen 7), sowie die Barineger, des Salbens der 5) 1) Richard Schomburgk, Reisen in Guayana. Leipzig 1847. Bd. 1. S. 100. 2) Ansichten der Natur. 3. Aufl. Bd. 1. S. 247. 3) Revue des deux mondes. Paris 1864. tom. LIII. p. 164. 4) Peschel, Zeitalter der Entdeckungen. S. 77—78. 5) Mungo Park, Reisen im Innern v. Afrika. Berlin 1799. S. 251. 6) Globus 1871. Sptbr. Bd. XX. No. 9. S. 142. 7) Petherick, Central-Africa. London 1869. p. 276. 5) Tecunas und brauchen zur Rückkehr in ihre Heimath mit den Kähnen nicht weniger als drei Monate, das Gift wird freilich in ihrer Heimath mit Silber aufgewogen. James Orton, the Andes and the Amazon. London 1870. p. 197.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/212>, abgerufen am 19.04.2024.