Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Bewaffnung.
etwa genau, so können dagegen bei den Längenangaben die Fehler
auf das zwanzigfache anwachsen und wir müssen daher in Schwär-
men von Inseln herumsuchen, die sich obendrein sämmtlich ähn-
lich sehen, denn entweder sind es nur Korallenbauten oder die
Gerüste von jüngeren wie älteren Vulcanen. Unsere Aufgabe wäre
also hoffnungslos, wenn wir nicht die geographische Länge an
zwei Wahrzeichen ermitteln könnten. Schildert uns nämlich der
Seefahrer auf seiner Fahrt gegen Westen Eingeborne mit Haar-
kronen, so befinden wir uns mindestens hart am 18osten Green-
wicher Mittagskreise, weil die Zwillingsinseln Hoorne und Alofa
die östlichsten Punkte sind, zu denen sich die Papuanen verbreitet
haben, denen jenes Merkmal ausschliesslich zukommt. Lesen wir
aber, dass zu Wasser oder zu Land der Seefahrer von den Ein-
gebornen mit Pfeilschüssen begrüsst worden sei, so dürfen wir mit
Sicherheit schliessen, dass wir uns bereits in der Nähe von Neu-
Guinea befinden.

Nie haben sich gegen Europäer polynesische Stämme der
Südsee des Bogens und der Pfeile als Waffe bedient, und der Grund,
wesshalb sie es nicht thaten, ist, so seltsam es auch klingen mag,
schliesslich ein geologischer. Wollte jemand diesen Umstand
damit erklären, dass die Polynesier, gleich den andern ma-
layischen Völkern, jene Schiessgeräthe nicht gekannt hätten, weil,
bevor sie aus Südostasien nach ihren Wohnplätzen in den
Stillen Ocean hinausfuhren, das Schiessen mit dem Bogen über-
haupt noch nicht erfunden gewesen wäre, so würden wir ent-
gegnen, dass es als Spielwerk für Knaben auf Nukufetau der
Ellicegruppe und noch weit im Osten selbst auf Tahiti bekannt
sei 1). Es waren daher die malayischen Polynesier beim Antritt
ihrer Wanderungen mit jenem Schiessgewehr bereits vertraut, und
es kam erst später ausser Gebrauch. Genau so verhält es sich
mit den Papuanen, in deren Urheimath, Neu-Guinea, Bogen und
Pfeil von den Männern nie aus der Hand gelegt werden, während
bei den ihnen verschwisterten Neu-Caledoniern diese Waffen
gänzlich fehlen. Dagegen brachten die Fidschi-Insulaner, ein
Stamm mit Haarkrone, wie die Papuanen Neu-Guinea's, aller-
dings Bogen und Pfeile mit auf ihre Inseln, allein sie bedienen

1) Waitz, Anthropologie der Naturvölker. Bd. 5, II. Abth. S. 131.

Die Bewaffnung.
etwa genau, so können dagegen bei den Längenangaben die Fehler
auf das zwanzigfache anwachsen und wir müssen daher in Schwär-
men von Inseln herumsuchen, die sich obendrein sämmtlich ähn-
lich sehen, denn entweder sind es nur Korallenbauten oder die
Gerüste von jüngeren wie älteren Vulcanen. Unsere Aufgabe wäre
also hoffnungslos, wenn wir nicht die geographische Länge an
zwei Wahrzeichen ermitteln könnten. Schildert uns nämlich der
Seefahrer auf seiner Fahrt gegen Westen Eingeborne mit Haar-
kronen, so befinden wir uns mindestens hart am 18osten Green-
wicher Mittagskreise, weil die Zwillingsinseln Hoorne und Alofa
die östlichsten Punkte sind, zu denen sich die Papuanen verbreitet
haben, denen jenes Merkmal ausschliesslich zukommt. Lesen wir
aber, dass zu Wasser oder zu Land der Seefahrer von den Ein-
gebornen mit Pfeilschüssen begrüsst worden sei, so dürfen wir mit
Sicherheit schliessen, dass wir uns bereits in der Nähe von Neu-
Guinea befinden.

Nie haben sich gegen Europäer polynesische Stämme der
Südsee des Bogens und der Pfeile als Waffe bedient, und der Grund,
wesshalb sie es nicht thaten, ist, so seltsam es auch klingen mag,
schliesslich ein geologischer. Wollte jemand diesen Umstand
damit erklären, dass die Polynesier, gleich den andern ma-
layischen Völkern, jene Schiessgeräthe nicht gekannt hätten, weil,
bevor sie aus Südostasien nach ihren Wohnplätzen in den
Stillen Ocean hinausfuhren, das Schiessen mit dem Bogen über-
haupt noch nicht erfunden gewesen wäre, so würden wir ent-
gegnen, dass es als Spielwerk für Knaben auf Nukufetau der
Ellicegruppe und noch weit im Osten selbst auf Tahiti bekannt
sei 1). Es waren daher die malayischen Polynesier beim Antritt
ihrer Wanderungen mit jenem Schiessgewehr bereits vertraut, und
es kam erst später ausser Gebrauch. Genau so verhält es sich
mit den Papuanen, in deren Urheimath, Neu-Guinea, Bogen und
Pfeil von den Männern nie aus der Hand gelegt werden, während
bei den ihnen verschwisterten Neu-Caledoniern diese Waffen
gänzlich fehlen. Dagegen brachten die Fidschi-Insulaner, ein
Stamm mit Haarkrone, wie die Papuanen Neu-Guinea’s, aller-
dings Bogen und Pfeile mit auf ihre Inseln, allein sie bedienen

1) Waitz, Anthropologie der Naturvölker. Bd. 5, II. Abth. S. 131.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0207" n="189"/><fw place="top" type="header">Die Bewaffnung.</fw><lb/>
etwa genau, so können dagegen bei den Längenangaben die Fehler<lb/>
auf das zwanzigfache anwachsen und wir müssen daher in Schwär-<lb/>
men von Inseln herumsuchen, die sich obendrein sämmtlich ähn-<lb/>
lich sehen, denn entweder sind es nur Korallenbauten oder die<lb/>
Gerüste von jüngeren wie älteren Vulcanen. Unsere Aufgabe wäre<lb/>
also hoffnungslos, wenn wir nicht die geographische Länge an<lb/>
zwei Wahrzeichen ermitteln könnten. Schildert uns nämlich der<lb/>
Seefahrer auf seiner Fahrt gegen Westen Eingeborne mit Haar-<lb/>
kronen, so befinden wir uns mindestens hart am 18osten Green-<lb/>
wicher Mittagskreise, weil die Zwillingsinseln Hoorne und Alofa<lb/>
die östlichsten Punkte sind, zu denen sich die Papuanen verbreitet<lb/>
haben, denen jenes Merkmal ausschliesslich zukommt. Lesen wir<lb/>
aber, dass zu Wasser oder zu Land der Seefahrer von den Ein-<lb/>
gebornen mit Pfeilschüssen begrüsst worden sei, so dürfen wir mit<lb/>
Sicherheit schliessen, dass wir uns bereits in der Nähe von Neu-<lb/>
Guinea befinden.</p><lb/>
          <p>Nie haben sich gegen Europäer polynesische Stämme der<lb/>
Südsee des Bogens und der Pfeile als Waffe bedient, und der Grund,<lb/>
wesshalb sie es nicht thaten, ist, so seltsam es auch klingen mag,<lb/>
schliesslich ein geologischer. Wollte jemand diesen Umstand<lb/>
damit erklären, dass die Polynesier, gleich den andern ma-<lb/>
layischen Völkern, jene Schiessgeräthe nicht gekannt hätten, weil,<lb/>
bevor sie aus Südostasien nach ihren Wohnplätzen in den<lb/>
Stillen Ocean hinausfuhren, das Schiessen mit dem Bogen über-<lb/>
haupt noch nicht erfunden gewesen wäre, so würden wir ent-<lb/>
gegnen, dass es als Spielwerk für Knaben auf Nukufetau der<lb/>
Ellicegruppe und noch weit im Osten selbst auf Tahiti bekannt<lb/>
sei <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Waitz</hi>, Anthropologie der Naturvölker. Bd. 5, II. Abth. S. 131.</note>. Es waren daher die malayischen Polynesier beim Antritt<lb/>
ihrer Wanderungen mit jenem Schiessgewehr bereits vertraut, und<lb/>
es kam erst später ausser Gebrauch. Genau so verhält es sich<lb/>
mit den Papuanen, in deren Urheimath, Neu-Guinea, Bogen und<lb/>
Pfeil von den Männern nie aus der Hand gelegt werden, während<lb/>
bei den ihnen verschwisterten Neu-Caledoniern diese Waffen<lb/>
gänzlich fehlen. Dagegen brachten die Fidschi-Insulaner, ein<lb/>
Stamm mit Haarkrone, wie die Papuanen Neu-Guinea&#x2019;s, aller-<lb/>
dings Bogen und Pfeile mit auf ihre Inseln, allein sie bedienen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0207] Die Bewaffnung. etwa genau, so können dagegen bei den Längenangaben die Fehler auf das zwanzigfache anwachsen und wir müssen daher in Schwär- men von Inseln herumsuchen, die sich obendrein sämmtlich ähn- lich sehen, denn entweder sind es nur Korallenbauten oder die Gerüste von jüngeren wie älteren Vulcanen. Unsere Aufgabe wäre also hoffnungslos, wenn wir nicht die geographische Länge an zwei Wahrzeichen ermitteln könnten. Schildert uns nämlich der Seefahrer auf seiner Fahrt gegen Westen Eingeborne mit Haar- kronen, so befinden wir uns mindestens hart am 18osten Green- wicher Mittagskreise, weil die Zwillingsinseln Hoorne und Alofa die östlichsten Punkte sind, zu denen sich die Papuanen verbreitet haben, denen jenes Merkmal ausschliesslich zukommt. Lesen wir aber, dass zu Wasser oder zu Land der Seefahrer von den Ein- gebornen mit Pfeilschüssen begrüsst worden sei, so dürfen wir mit Sicherheit schliessen, dass wir uns bereits in der Nähe von Neu- Guinea befinden. Nie haben sich gegen Europäer polynesische Stämme der Südsee des Bogens und der Pfeile als Waffe bedient, und der Grund, wesshalb sie es nicht thaten, ist, so seltsam es auch klingen mag, schliesslich ein geologischer. Wollte jemand diesen Umstand damit erklären, dass die Polynesier, gleich den andern ma- layischen Völkern, jene Schiessgeräthe nicht gekannt hätten, weil, bevor sie aus Südostasien nach ihren Wohnplätzen in den Stillen Ocean hinausfuhren, das Schiessen mit dem Bogen über- haupt noch nicht erfunden gewesen wäre, so würden wir ent- gegnen, dass es als Spielwerk für Knaben auf Nukufetau der Ellicegruppe und noch weit im Osten selbst auf Tahiti bekannt sei 1). Es waren daher die malayischen Polynesier beim Antritt ihrer Wanderungen mit jenem Schiessgewehr bereits vertraut, und es kam erst später ausser Gebrauch. Genau so verhält es sich mit den Papuanen, in deren Urheimath, Neu-Guinea, Bogen und Pfeil von den Männern nie aus der Hand gelegt werden, während bei den ihnen verschwisterten Neu-Caledoniern diese Waffen gänzlich fehlen. Dagegen brachten die Fidschi-Insulaner, ein Stamm mit Haarkrone, wie die Papuanen Neu-Guinea’s, aller- dings Bogen und Pfeile mit auf ihre Inseln, allein sie bedienen 1) Waitz, Anthropologie der Naturvölker. Bd. 5, II. Abth. S. 131.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/207
Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/207>, abgerufen am 18.04.2024.