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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung.
eine gleichsam regelwidrige Ernährung beobachtet wird. So pflücken
nach Otto Kerstens Schilderung 1) die Paviane Blätter und Blatt-
knospen, Blüthen und halbreife Früchte, graben Knollen und Wur-
zeln aus, stellen aber auch Thieren nach, die sie bewältigen können.
Sie drehen Steine um in der Erwartung auf der Rückseite Kerb-
thiere zu finden. Puppen von Ameisen und Schmetterlingen, Käfer-
larven, glatthäutige Raupen, Fliegen und Spinnen sind willkommene
Beute. Endlich gehören sie noch zu den schlimmsten Nesträubern,
verzehren Eier und Nestlinge aller nicht zu grosser Vögel, ja
fangen die flüggen Jungen oder greifen Mäuse um sie mit sicht-
lichem Behagen zu verspeisen. Nicht viel anders wie diese Be-
schreibung ostafrikanischer Hundsaffen klingt es, wenn Alfred
Lortsch von den Australiern bemerkt, sie verzehrten ausser den
Beutelthieren alle Vögel, selbst Aasgeier, Aale und Fische jeder
Art, Fledermäuse, darunter auch fliegende Hunde, Frösche, Ei-
dechsen, Schlangen und Würmer 2). Einer ähnlichen Aufzählung
begegneten wir unlängst bei G. Schweinfurth, der von den Bongo-
oder Dornegern versichert, dass sie mit Ausnahme von Hund und
Mensch kein thierisches Nahrungsmittel, auch nicht Ratten, Schlangen,
Aasgeier, Hyänen, fette Erdscorpione, geflügelte Termiten und
Raupen sich entgehen lassen 3). Wiederum berichtete kürzlich
F. Appun über die Indianer Britisch Guyana's: "Wild und
Fische bilden ihre Hauptnahrung; doch verschmähen sie auch
Ratten, Affen, Alligatoren, Frösche, Würmer, Raupen, Ameisen,
Larven und Käfer nicht 4)." Der Ekel vor irgend einer Kost beruht
nur auf Uebereinkommen oder auf dem "Grauen vor dem Un-
bekannten". Auch haben gesittete Europäer wenig Berechtigung
zu schaudern, dass Chinesen Schwalbennester und Trepang (Holo-
thurien) zu den besten Leckerbissen rechnen oder in Arabien die
Heuschreckenzüge wie ein gottgesendeter Festschmauss begrüsst
werden, da sie selbst weder vor den Verdauungsrückständen der
Schnepfen noch vor Hummern und Flusskrebsen zurückweichen,
welchen letzteren doch zur Reinigung ihrer Wassergebiete d[ - 2 Zeichen fehlen] Ge-
schäft obliegt, gleichzeitig als Grab und Todtengräber zu [ - 6 Zeichen fehlen]

1) Reisen des Baron v. d. Decken in Ostafrika. Bd. 1. S
2) Ausland 1866. S. 700.
3) Globus Bd. XXII. No. 5. S. 76.
4) Ausland. 1872. No. 27. S. 635.

Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung.
eine gleichsam regelwidrige Ernährung beobachtet wird. So pflücken
nach Otto Kerstens Schilderung 1) die Paviane Blätter und Blatt-
knospen, Blüthen und halbreife Früchte, graben Knollen und Wur-
zeln aus, stellen aber auch Thieren nach, die sie bewältigen können.
Sie drehen Steine um in der Erwartung auf der Rückseite Kerb-
thiere zu finden. Puppen von Ameisen und Schmetterlingen, Käfer-
larven, glatthäutige Raupen, Fliegen und Spinnen sind willkommene
Beute. Endlich gehören sie noch zu den schlimmsten Nesträubern,
verzehren Eier und Nestlinge aller nicht zu grosser Vögel, ja
fangen die flüggen Jungen oder greifen Mäuse um sie mit sicht-
lichem Behagen zu verspeisen. Nicht viel anders wie diese Be-
schreibung ostafrikanischer Hundsaffen klingt es, wenn Alfred
Lortsch von den Australiern bemerkt, sie verzehrten ausser den
Beutelthieren alle Vögel, selbst Aasgeier, Aale und Fische jeder
Art, Fledermäuse, darunter auch fliegende Hunde, Frösche, Ei-
dechsen, Schlangen und Würmer 2). Einer ähnlichen Aufzählung
begegneten wir unlängst bei G. Schweinfurth, der von den Bongo-
oder Dornegern versichert, dass sie mit Ausnahme von Hund und
Mensch kein thierisches Nahrungsmittel, auch nicht Ratten, Schlangen,
Aasgeier, Hyänen, fette Erdscorpione, geflügelte Termiten und
Raupen sich entgehen lassen 3). Wiederum berichtete kürzlich
F. Appun über die Indianer Britisch Guyana’s: „Wild und
Fische bilden ihre Hauptnahrung; doch verschmähen sie auch
Ratten, Affen, Alligatoren, Frösche, Würmer, Raupen, Ameisen,
Larven und Käfer nicht 4).“ Der Ekel vor irgend einer Kost beruht
nur auf Uebereinkommen oder auf dem „Grauen vor dem Un-
bekannten“. Auch haben gesittete Europäer wenig Berechtigung
zu schaudern, dass Chinesen Schwalbennester und Trepang (Holo-
thurien) zu den besten Leckerbissen rechnen oder in Arabien die
Heuschreckenzüge wie ein gottgesendeter Festschmauss begrüsst
werden, da sie selbst weder vor den Verdauungsrückständen der
Schnepfen noch vor Hummern und Flusskrebsen zurückweichen,
welchen letzteren doch zur Reinigung ihrer Wassergebiete d[ – 2 Zeichen fehlen] Ge-
schäft obliegt, gleichzeitig als Grab und Todtengräber zu [ – 6 Zeichen fehlen]

1) Reisen des Baron v. d. Decken in Ostafrika. Bd. 1. S
2) Ausland 1866. S. 700.
3) Globus Bd. XXII. No. 5. S. 76.
4) Ausland. 1872. No. 27. S. 635.
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[163/0181] Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung. eine gleichsam regelwidrige Ernährung beobachtet wird. So pflücken nach Otto Kerstens Schilderung 1) die Paviane Blätter und Blatt- knospen, Blüthen und halbreife Früchte, graben Knollen und Wur- zeln aus, stellen aber auch Thieren nach, die sie bewältigen können. Sie drehen Steine um in der Erwartung auf der Rückseite Kerb- thiere zu finden. Puppen von Ameisen und Schmetterlingen, Käfer- larven, glatthäutige Raupen, Fliegen und Spinnen sind willkommene Beute. Endlich gehören sie noch zu den schlimmsten Nesträubern, verzehren Eier und Nestlinge aller nicht zu grosser Vögel, ja fangen die flüggen Jungen oder greifen Mäuse um sie mit sicht- lichem Behagen zu verspeisen. Nicht viel anders wie diese Be- schreibung ostafrikanischer Hundsaffen klingt es, wenn Alfred Lortsch von den Australiern bemerkt, sie verzehrten ausser den Beutelthieren alle Vögel, selbst Aasgeier, Aale und Fische jeder Art, Fledermäuse, darunter auch fliegende Hunde, Frösche, Ei- dechsen, Schlangen und Würmer 2). Einer ähnlichen Aufzählung begegneten wir unlängst bei G. Schweinfurth, der von den Bongo- oder Dornegern versichert, dass sie mit Ausnahme von Hund und Mensch kein thierisches Nahrungsmittel, auch nicht Ratten, Schlangen, Aasgeier, Hyänen, fette Erdscorpione, geflügelte Termiten und Raupen sich entgehen lassen 3). Wiederum berichtete kürzlich F. Appun über die Indianer Britisch Guyana’s: „Wild und Fische bilden ihre Hauptnahrung; doch verschmähen sie auch Ratten, Affen, Alligatoren, Frösche, Würmer, Raupen, Ameisen, Larven und Käfer nicht 4).“ Der Ekel vor irgend einer Kost beruht nur auf Uebereinkommen oder auf dem „Grauen vor dem Un- bekannten“. Auch haben gesittete Europäer wenig Berechtigung zu schaudern, dass Chinesen Schwalbennester und Trepang (Holo- thurien) zu den besten Leckerbissen rechnen oder in Arabien die Heuschreckenzüge wie ein gottgesendeter Festschmauss begrüsst werden, da sie selbst weder vor den Verdauungsrückständen der Schnepfen noch vor Hummern und Flusskrebsen zurückweichen, welchen letzteren doch zur Reinigung ihrer Wassergebiete d__ Ge- schäft obliegt, gleichzeitig als Grab und Todtengräber zu ______ 1) Reisen des Baron v. d. Decken in Ostafrika. Bd. 1. S 2) Ausland 1866. S. 700. 3) Globus Bd. XXII. No. 5. S. 76. 4) Ausland. 1872. No. 27. S. 635.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/181>, abgerufen am 29.03.2024.