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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Haut und Haar des Menschen.
Gyzanten, an der kleinen Syrte1). Nach Manetho zeichnete
sich auch die ägyptische Königin Nitokris, welche der VI. Dynastie
angehört, durch helle Hautfarbe, rosige Wangen und blondes
Haupthaar aus2). Das letztere ist auch an den Mumien der
Guanchen oder der ausgestorbenen Bewohner des canarischen
Archipels, die einem Zweige der Berbern angehörten, erkannt
worden3). Selbst unter den Monbuttu am Uelle sah Georg Schwein-
furth graublonde Neger auffallend häufig4). Unter den Unionssol-
daten während des letzten Bürgerkrieges wurden von Spaniern
und Portugiesen 5 Proc., von Skandinaviern aber 51 Proc. mit
blonden, rothen, überhaupt hellen Haaren gezählt5). Diese letz-
teren Haarfarben treten hin und wieder auch bei Armeniern, syri-
schen Semiten und Juden auf und zeigen sich bei Mischlingen von
Europäern und Eingebornen Perus um Moyobamba6). Dürfen wir
daher die Haarfarbe bei der Völkerbeschreibung auch nicht völlig
übergehen, so gehört sie doch sicherlich zu den wenig beharrlichen
Merkmalen.

Weit wichtiger ist die Gestalt des Haares. Auch bei ihr fehlt
es zwar an strengen Grenzen, dennoch lassen sich bisweilen mit
ihrer Hilfe benachbarte Völkerstämme leicht von einander trennen.
Unter den Eingebornen Amerikas finden wir ohne Ausnahme nur
straffes grobes Haar und durch seine Haarkrone unterscheidet sich
der Papuane Neu-Guineas von dem Australier, dessen Haar sich
zwar kräuselt, aber nicht in Büscheln sich vereinigt. Der Wuchs
der Haare und vorzugsweise der Kopfhaare lässt sich bezeichnen
als ein schlichter oder straffer, als ein lockiger oder anmuthig ge-
ringelter, dann als ein gekräuselter und endlich als ein büschel-
förmiger. Die Ursachen der Krümmung und Drehung sind sehr
mannigfache. Schon in der Grösse des Durchmessers ist eine solche
gegeben, denn je feiner das Haar, desto williger wird es sich den
Krümmungsursachen fügen. Kein menschliches Haar erreicht die
Zartheit der Schafwolle, daher echte thierische Wolle nirgends bei

1) Scylax, Periplus cap. 110. Geogr. Graeci minores ed. Müller I, p. 88.
2) Lauth, Aegyptische Reisebriefe. Allgem. Zeitung. 1873. S. 1335.
3) Peschel, Zeitalter der Entdeckungen. S. 54.
4) Zeitschr. für Ethnologie. Berlin 1873. Bd. 5. S. 15.
5) Gould, investigations in military and anthropological statistics. p. 193.
6) Nach Raymondi's Geografia del Peru im Globus. Bd. XXI. No. 19.
1872. S. 300.
Peschel, Völkerkunde. 7

Haut und Haar des Menschen.
Gyzanten, an der kleinen Syrte1). Nach Manetho zeichnete
sich auch die ägyptische Königin Nitokris, welche der VI. Dynastie
angehört, durch helle Hautfarbe, rosige Wangen und blondes
Haupthaar aus2). Das letztere ist auch an den Mumien der
Guanchen oder der ausgestorbenen Bewohner des canarischen
Archipels, die einem Zweige der Berbern angehörten, erkannt
worden3). Selbst unter den Monbuttu am Uëlle sah Georg Schwein-
furth graublonde Neger auffallend häufig4). Unter den Unionssol-
daten während des letzten Bürgerkrieges wurden von Spaniern
und Portugiesen 5 Proc., von Skandinaviern aber 51 Proc. mit
blonden, rothen, überhaupt hellen Haaren gezählt5). Diese letz-
teren Haarfarben treten hin und wieder auch bei Armeniern, syri-
schen Semiten und Juden auf und zeigen sich bei Mischlingen von
Europäern und Eingebornen Perus um Moyobamba6). Dürfen wir
daher die Haarfarbe bei der Völkerbeschreibung auch nicht völlig
übergehen, so gehört sie doch sicherlich zu den wenig beharrlichen
Merkmalen.

Weit wichtiger ist die Gestalt des Haares. Auch bei ihr fehlt
es zwar an strengen Grenzen, dennoch lassen sich bisweilen mit
ihrer Hilfe benachbarte Völkerstämme leicht von einander trennen.
Unter den Eingebornen Amerikas finden wir ohne Ausnahme nur
straffes grobes Haar und durch seine Haarkrone unterscheidet sich
der Papuane Neu-Guineas von dem Australier, dessen Haar sich
zwar kräuselt, aber nicht in Büscheln sich vereinigt. Der Wuchs
der Haare und vorzugsweise der Kopfhaare lässt sich bezeichnen
als ein schlichter oder straffer, als ein lockiger oder anmuthig ge-
ringelter, dann als ein gekräuselter und endlich als ein büschel-
förmiger. Die Ursachen der Krümmung und Drehung sind sehr
mannigfache. Schon in der Grösse des Durchmessers ist eine solche
gegeben, denn je feiner das Haar, desto williger wird es sich den
Krümmungsursachen fügen. Kein menschliches Haar erreicht die
Zartheit der Schafwolle, daher echte thierische Wolle nirgends bei

1) Scylax, Periplus cap. 110. Geogr. Graeci minores ed. Müller I, p. 88.
2) Lauth, Aegyptische Reisebriefe. Allgem. Zeitung. 1873. S. 1335.
3) Peschel, Zeitalter der Entdeckungen. S. 54.
4) Zeitschr. für Ethnologie. Berlin 1873. Bd. 5. S. 15.
5) Gould, investigations in military and anthropological statistics. p. 193.
6) Nach Raymondi’s Geografia del Peru im Globus. Bd. XXI. No. 19.
1872. S. 300.
Peschel, Völkerkunde. 7
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[97/0115] Haut und Haar des Menschen. Gyzanten, an der kleinen Syrte 1). Nach Manetho zeichnete sich auch die ägyptische Königin Nitokris, welche der VI. Dynastie angehört, durch helle Hautfarbe, rosige Wangen und blondes Haupthaar aus 2). Das letztere ist auch an den Mumien der Guanchen oder der ausgestorbenen Bewohner des canarischen Archipels, die einem Zweige der Berbern angehörten, erkannt worden 3). Selbst unter den Monbuttu am Uëlle sah Georg Schwein- furth graublonde Neger auffallend häufig 4). Unter den Unionssol- daten während des letzten Bürgerkrieges wurden von Spaniern und Portugiesen 5 Proc., von Skandinaviern aber 51 Proc. mit blonden, rothen, überhaupt hellen Haaren gezählt 5). Diese letz- teren Haarfarben treten hin und wieder auch bei Armeniern, syri- schen Semiten und Juden auf und zeigen sich bei Mischlingen von Europäern und Eingebornen Perus um Moyobamba 6). Dürfen wir daher die Haarfarbe bei der Völkerbeschreibung auch nicht völlig übergehen, so gehört sie doch sicherlich zu den wenig beharrlichen Merkmalen. Weit wichtiger ist die Gestalt des Haares. Auch bei ihr fehlt es zwar an strengen Grenzen, dennoch lassen sich bisweilen mit ihrer Hilfe benachbarte Völkerstämme leicht von einander trennen. Unter den Eingebornen Amerikas finden wir ohne Ausnahme nur straffes grobes Haar und durch seine Haarkrone unterscheidet sich der Papuane Neu-Guineas von dem Australier, dessen Haar sich zwar kräuselt, aber nicht in Büscheln sich vereinigt. Der Wuchs der Haare und vorzugsweise der Kopfhaare lässt sich bezeichnen als ein schlichter oder straffer, als ein lockiger oder anmuthig ge- ringelter, dann als ein gekräuselter und endlich als ein büschel- förmiger. Die Ursachen der Krümmung und Drehung sind sehr mannigfache. Schon in der Grösse des Durchmessers ist eine solche gegeben, denn je feiner das Haar, desto williger wird es sich den Krümmungsursachen fügen. Kein menschliches Haar erreicht die Zartheit der Schafwolle, daher echte thierische Wolle nirgends bei 1) Scylax, Periplus cap. 110. Geogr. Graeci minores ed. Müller I, p. 88. 2) Lauth, Aegyptische Reisebriefe. Allgem. Zeitung. 1873. S. 1335. 3) Peschel, Zeitalter der Entdeckungen. S. 54. 4) Zeitschr. für Ethnologie. Berlin 1873. Bd. 5. S. 15. 5) Gould, investigations in military and anthropological statistics. p. 193. 6) Nach Raymondi’s Geografia del Peru im Globus. Bd. XXI. No. 19. 1872. S. 300. Peschel, Völkerkunde. 7

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/115>, abgerufen am 24.04.2024.