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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Haut und Haar der Menschen.
Haut dort am stärksten, wo sich zu den heissen Temperaturen
eine hohe Sättigung der Luft mit Wasserdämpfen gesellt. Hitze
und Feuchtigkeit sollen nach der Ansicht Livingstones in Südafrika
die tieferen Färbungen hervorrufen1). Auch gegen diese Ver-
muthung können die dunklen Aymara im trockenkalten Peru und
Bolivien sowie umgekehrt die Yuracara, deren Name schon eine
bleiche Gesichtsfarbe andeutet, als Widerlegung dienen, denn sie,
die letzteren, bewohnen die von beständigen Niederschlägen trie-
fenden Ostabhänge der südamerikanischen Cordilleren2).

Trotzdem dürfen wir nie ausser Acht lassen, dass der Euro-
päer bei einem dauernden Aufenthalt im indischen Morgenlande
einer Aenderung in seinen bisherigen physiologischen Verrichtungen
sich anbequemen muss. Die Farbenunterschiede zwischen dem
Blut der Arterien und der Venen werden unter den Tropen
auffallend bei Europäern vermindert, weil der Sauerstoffverbrauch
bei schwächerem Verbrennungsprocess geringer geworden ist3).
Umgekehrt werden die Absonderungen von Galle lebhafter in
heissen Erdstrichen. So kommt es, dass durch Ueberarbeitung
derjenigen Organe, die vergleichsweise zur Ruhe bestimmt sind,
nämlich der Leber bei dem Bewohner höherer Breiten, der Lunge
bei dem Bewohner der Tropen, der eine in den ihm fremdartigen
heissen Clima den Gallenfiebern, der andere nach kalten Erd-
strichen versetzt, der Auszehrung häufig erliegt4). Der Europäer,
der den Wechsel überstanden hat, verliert unter den Tropen seine
rosige Gesichtsfarbe. Wir haben sogar das Beispiel eines britischen
Edelmanns Namens Macnaughten, der lange Zeit im Dschengel-
lande Südindiens nach Art der Eingebornen lebte und dessen
Haut auch an den bekleideten Theilen sich bräunte, wie die eines
Brahmanen5). Ein Negerknabe aus Bagirmi, den Gerhard Rohlfs
nach Deutschland brachte, veränderte hier nach zweijährigem Aufent-
halte seine Farbe "vom tiefen Schwarz in helles Braun"6). Hat eine
gesteigerte Gallenabsonderung Einfluss auf die Anhäufung von Farb-

1) Missionsreisen in Südafrika. Bd. 1. S. 378.
2) Darwin, Abstammung des Menschen. Bd. II, 305.
3) J. R. Mayer, Die Mechanik der Wärme. Stuttgart 1867. S. 97.
4) Bastian in Zeitschrift für Ethnologie. 1869. Heft 1.
5) Pruner Bey, Questions relatives a l'Anthropologie. Paris 1864, p. 5.
6) Zeitschr. f. Ethnologie. 1871. S. 255. Andre Beispiele vom Hellerwerden
der Neger nach Blumenbach bei Waitz, Anthrop. I, 60.

Haut und Haar der Menschen.
Haut dort am stärksten, wo sich zu den heissen Temperaturen
eine hohe Sättigung der Luft mit Wasserdämpfen gesellt. Hitze
und Feuchtigkeit sollen nach der Ansicht Livingstones in Südafrika
die tieferen Färbungen hervorrufen1). Auch gegen diese Ver-
muthung können die dunklen Aymara im trockenkalten Peru und
Bolivien sowie umgekehrt die Yuracara, deren Name schon eine
bleiche Gesichtsfarbe andeutet, als Widerlegung dienen, denn sie,
die letzteren, bewohnen die von beständigen Niederschlägen trie-
fenden Ostabhänge der südamerikanischen Cordilleren2).

Trotzdem dürfen wir nie ausser Acht lassen, dass der Euro-
päer bei einem dauernden Aufenthalt im indischen Morgenlande
einer Aenderung in seinen bisherigen physiologischen Verrichtungen
sich anbequemen muss. Die Farbenunterschiede zwischen dem
Blut der Arterien und der Venen werden unter den Tropen
auffallend bei Europäern vermindert, weil der Sauerstoffverbrauch
bei schwächerem Verbrennungsprocess geringer geworden ist3).
Umgekehrt werden die Absonderungen von Galle lebhafter in
heissen Erdstrichen. So kommt es, dass durch Ueberarbeitung
derjenigen Organe, die vergleichsweise zur Ruhe bestimmt sind,
nämlich der Leber bei dem Bewohner höherer Breiten, der Lunge
bei dem Bewohner der Tropen, der eine in den ihm fremdartigen
heissen Clima den Gallenfiebern, der andere nach kalten Erd-
strichen versetzt, der Auszehrung häufig erliegt4). Der Europäer,
der den Wechsel überstanden hat, verliert unter den Tropen seine
rosige Gesichtsfarbe. Wir haben sogar das Beispiel eines britischen
Edelmanns Namens Macnaughten, der lange Zeit im Dschengel-
lande Südindiens nach Art der Eingebornen lebte und dessen
Haut auch an den bekleideten Theilen sich bräunte, wie die eines
Brahmanen5). Ein Negerknabe aus Bagirmi, den Gerhard Rohlfs
nach Deutschland brachte, veränderte hier nach zweijährigem Aufent-
halte seine Farbe „vom tiefen Schwarz in helles Braun“6). Hat eine
gesteigerte Gallenabsonderung Einfluss auf die Anhäufung von Farb-

1) Missionsreisen in Südafrika. Bd. 1. S. 378.
2) Darwin, Abstammung des Menschen. Bd. II, 305.
3) J. R. Mayer, Die Mechanik der Wärme. Stuttgart 1867. S. 97.
4) Bastian in Zeitschrift für Ethnologie. 1869. Heft 1.
5) Pruner Bey, Questions relatives à l’Anthropologie. Paris 1864, p. 5.
6) Zeitschr. f. Ethnologie. 1871. S. 255. Andre Beispiele vom Hellerwerden
der Neger nach Blumenbach bei Waitz, Anthrop. I, 60.
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[95/0113] Haut und Haar der Menschen. Haut dort am stärksten, wo sich zu den heissen Temperaturen eine hohe Sättigung der Luft mit Wasserdämpfen gesellt. Hitze und Feuchtigkeit sollen nach der Ansicht Livingstones in Südafrika die tieferen Färbungen hervorrufen 1). Auch gegen diese Ver- muthung können die dunklen Aymara im trockenkalten Peru und Bolivien sowie umgekehrt die Yuracara, deren Name schon eine bleiche Gesichtsfarbe andeutet, als Widerlegung dienen, denn sie, die letzteren, bewohnen die von beständigen Niederschlägen trie- fenden Ostabhänge der südamerikanischen Cordilleren 2). Trotzdem dürfen wir nie ausser Acht lassen, dass der Euro- päer bei einem dauernden Aufenthalt im indischen Morgenlande einer Aenderung in seinen bisherigen physiologischen Verrichtungen sich anbequemen muss. Die Farbenunterschiede zwischen dem Blut der Arterien und der Venen werden unter den Tropen auffallend bei Europäern vermindert, weil der Sauerstoffverbrauch bei schwächerem Verbrennungsprocess geringer geworden ist 3). Umgekehrt werden die Absonderungen von Galle lebhafter in heissen Erdstrichen. So kommt es, dass durch Ueberarbeitung derjenigen Organe, die vergleichsweise zur Ruhe bestimmt sind, nämlich der Leber bei dem Bewohner höherer Breiten, der Lunge bei dem Bewohner der Tropen, der eine in den ihm fremdartigen heissen Clima den Gallenfiebern, der andere nach kalten Erd- strichen versetzt, der Auszehrung häufig erliegt 4). Der Europäer, der den Wechsel überstanden hat, verliert unter den Tropen seine rosige Gesichtsfarbe. Wir haben sogar das Beispiel eines britischen Edelmanns Namens Macnaughten, der lange Zeit im Dschengel- lande Südindiens nach Art der Eingebornen lebte und dessen Haut auch an den bekleideten Theilen sich bräunte, wie die eines Brahmanen 5). Ein Negerknabe aus Bagirmi, den Gerhard Rohlfs nach Deutschland brachte, veränderte hier nach zweijährigem Aufent- halte seine Farbe „vom tiefen Schwarz in helles Braun“ 6). Hat eine gesteigerte Gallenabsonderung Einfluss auf die Anhäufung von Farb- 1) Missionsreisen in Südafrika. Bd. 1. S. 378. 2) Darwin, Abstammung des Menschen. Bd. II, 305. 3) J. R. Mayer, Die Mechanik der Wärme. Stuttgart 1867. S. 97. 4) Bastian in Zeitschrift für Ethnologie. 1869. Heft 1. 5) Pruner Bey, Questions relatives à l’Anthropologie. Paris 1864, p. 5. 6) Zeitschr. f. Ethnologie. 1871. S. 255. Andre Beispiele vom Hellerwerden der Neger nach Blumenbach bei Waitz, Anthrop. I, 60.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/113>, abgerufen am 25.04.2024.